Das Schnitzel in die Verfassung, das Bargeld in die Verfassung, das Festnetz in die Verfassung, natürlich kann man sich gut darüber lustig machen. Das Thema gibt einiges her, und wir hätten noch ein paar Vorschläge: Warum nicht auch die Printausgabe der Tageszeitung in die Verfassung?

Karl Nehammer und Herbert Kickl
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und FPÖ-Chef Herbert Kickl im Rahmen einer Sondersitzung des Nationalrats im Parlament in Wien.
APA / Roland Schlager

Im Ernst: Der Vorschlag, das Recht auf Bargeld in Verfassungsrang zu heben, ist zwar nicht völlig absurd, aber eben völlig unnötig. Der Bargeldverkehr ist nicht in Gefahr, das weiß auch Bundeskanzler Karl Nehammer sehr gut. Aber es gibt Menschen, die sich tatsächlich Sorgen machen, das Bargeld könnte abgeschafft werden. Es ist die Handschrift von Populisten, die Sorgen und Ängste der Menschen zu schüren und mit ihnen zu arbeiten, anstatt ihnen mit sachlichen Argumenten und guten Erklärungen die Ängste zu nehmen.

Ablenkungsmanöver

Die ÖVP versucht von jenen Themen abzulenken, an denen sie zu scheitern droht, die sie überfordern oder vor denen sie kapituliert hat. Da darf man die Grünen nicht auslassen: Sie sind nicht nur Koalitionäre, sie sind Kollaborateure der ÖVP. Anstatt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, verzettelt sich die Regierung im Nebensächlichen.

Es gibt so viele wichtige Themen, denen wir uns zuwenden müssten. Es gibt einen Pflegenotstand, eine Klimakrise, eine Teuerungswelle, es fehlen Ärzte und Lehrer, das sind lauter wichtige Themen, die die Menschen betreffen, deren Auswirkungen sie spüren, wo es dringend Lösungen braucht. Aber wir diskutieren darüber, was es für die ÖVP bedeutet, normal zu sein, und ob Bargeld in die Verfassung kommen soll.

Wir spielen mit

Das Problem dabei: Wir spielen mit. Denn eines muss man der ÖVP lassen: Es gelingt ihr, die Themen zu setzen und vorzugeben. Mit ihrer Agenda der Nebensächlichkeiten dreht sie den anderen Parteien ihren Erzähl- und Kommunikationsstrang ab. Es wird kaum noch über die realen Probleme diskutiert. Nehammer verdrängt seine Hilflosigkeit im Umgang mit der Teuerung aus der öffentlichen Wahrnehmung.

Die ÖVP-Kommunikation hat sich dabei ein Vorbild am ehemaligen Trump-Berater Steve Bannon genommen. Dessen Devise war: "Flood the zone with shit." Die Öffentlichkeit mit allem möglichen Unsinn und absurden Informationen zu fluten, um Fakten zu verschleiern oder zu verdrehen. Die ÖVP hat sich "Flood the zone with Schnitzelzeug" zur Devise gemacht. Sie beschäftigt uns mit Nonsens.

Das ist eine gefährliche Strategie. Die ÖVP beherrscht zwar den Diskurs, tut das aber mit Themen, die sie der FPÖ geklaut hat: Dieser Schnitzelpatriotismus, die Verächtlichmachung von Klimaschützern und die Angstmache um das Bargeld sind FPÖ-ureigene Kernthemen.

Klare Strategie

Die Strategie ist klar: Karl Nehammer versucht sich an Sebastian Kurz ein Beispiel zu nehmen und der FPÖ ihre Wählerinnen und Wähler abspenstig zu machen. Allerdings: Nehammer ist nicht Kurz. Da fehlt es an Überzeugungskraft, Charisma und Handwerkszeug. Vielleicht auch an Skrupellosigkeit. Was die ÖVP jetzt macht: Sie spielt der FPÖ ihre Themen auf. Davon wird nicht die ÖVP profitieren, die auf diesem politischen Terrain zu wenig Glaubwürdigkeit und Authentizität besitzt. Davon wird der wahre Absender dieser Botschaften profitieren. Nehammer macht sich mit dieser Strategie zum Handlanger Herbert Kickls. Das ist aus vielerlei Gründen verheerend, nicht nur aus Sicht der ÖVP. (Michael Völker, 7.8.2023)