Eigentlich sind heimische Soldatinnen und Soldaten ja gerade vor allem im Hochwassereinsatz. Seit dem Wochenende ist das Bundesheer aber noch aus einem anderen Grund in die Schlagzeilen geraten. Und der hat weniger mit unvermeidbaren äußeren Umständen als mit bewussten Entscheidungen in zwei Ministerien zu tun. Denn am Samstag wurde bekannt, dass Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Bildungsminister Martin Polaschek (beide ÖVP) eine vertiefte Kooperation zwischen ihren beiden Ressorts vereinbart haben – DER STANDARD berichtete.

Bundesheer-Soldaten im Feldeinsatz
Verteidigungs- und Bildungsministerium wollen mehr Milizsoldaten in Klassenzimmer holen. Die ÖH ist vom Vorschlag weniger begeistert.
BH / Günter Filzwieser

Im Rahmen der Zusammenarbeit sollen Bundesheerangehörige, insbesondere Milizsoldatinnen und -soldaten, Mitglieder der Militärmusik und Heeressportler, gezielt als Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger für den Lehrberuf gewonnen werden, bei dem akuter Personalmangel herrscht. Gleichzeitig soll das Thema Landesverteidigung ab Herbst einen höheren Stellenwert in den Lehrplänen von Schulen erhalten. So soll die in der Verfassung festgeschriebene umfassende Landesverteidigung bereits in den Klassenräumen gezielter vermittelt werden. Auch für die Schulbuchkommission will Tanner künftig zwei Bundesheer-Offiziere abstellen. Sie sollen die Richtigkeit der Lehrinhalte über Landesverteidigung in den heimischen Schulbüchern überprüfen.

Babler kritisiert Jobwechsel

Die Reaktionen fielen mitunter ziemlich kritisch aus. Soldatinnen und Soldaten "haben in Schulklassen nichts verloren", ließ etwa Nina Mathies aus dem Vorsitzteam der Österreichischen Hochschüler_innenschaft (ÖH) wissen. Der verstärkte Einfluss des Bundesheeres in Klassen und Lehrplänen würde "den Weg hin zu einem militarisierten Bildungswesen" ebnen. Anstatt die Militarisierung im Schulsystem voranzutreiben, sollten endlich große gesellschaftlich relevante Themen wie die Klimakrise oder Antidiskriminierung in den Lehrplänen verankert werden, sagte die ÖH-Chefin vom Verband Sozialistischer Studentinnen und Studenten (VSStÖ).

Auch aus der SPÖ-nahen Aktion kritischer Schüler_innen (AKS) war am Sonntag von deutlichen Schritten der Bundesregierung in Richtung eines militarisierten Bildungswesens die Rede. Es sei "absurd", dass Milizsoldatinnen und -Soldaten als Lehrkräfte angeworben werden sollen. Stattdessen brauche es "endlich eine Aufwertung des Lehrberufs, darunter vor allem eine bessere Bezahlung, sowie den Ausbau des Schulunterstützungspersonals", etwa Psychologinnen und Sozialarbeitern in Schulen, sagte AKS-Bundesvorsitzende Lina Feurstein.

SPÖ-Chef Andreas Babler kritisierte den Vorstoß unterdessen auf der Plattform X, vormals Twitter: "Postler als Polizisten und jetzt Soldaten als Lehrer. Alleine daran sieht man, wie sehr die ÖVP unser Land in den letzten Jahren kaputtgemacht hat. Nicht nur im Bildungs- und Sicherheitsbereich."

Miliz-, nicht Berufssoldaten

Im Verteidigungsministerium zeigte man sich am Sonntag auf STANDARD-Nachfrage überrascht über die Kritik. Bei dem Projekt gehe es um das Ansprechen von Milizangehörigen für den Lehrberuf, nicht um Berufssoldaten in Klassenzimmern, wurde im Büro der Heeresministerin betont. Soldatinnen und Soldaten der Miliz würden ohnehin einem zivilen Hauptberuf nachgehen. Beim Quereinstieg in den Lehrberuf würden für sie keine anderen Kriterien gelten als für andere Berufsgruppen.

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker riet der ÖH-Vorsitzenden unterdessen per Aussendung, die "ideologischen Scheuklappen abzulegen". Milizsoldaten seien "Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft, die in erster Linie ihrem privaten Beruf und Alltag nachgehen". Sie würden durch ihre Tätigkeit beim Bundesheer "wertvolle Kompetenzen im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik und entsprechend ihrer militärischen Funktion auch im Bereich Teamarbeit und Führung" erhalten.

Für gut, wenn auch nicht neu, bafand der oberste Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG) die angekündigten Anwerbeversuche von Milizsoldaten. "Das gab es schon bisher, dass sich zahlreiche Milizsoldaten während oder nach ihrer Laufbahn beim Heer für den Lehrerberuf entscheiden. Ich bin einer davon", sagte er am Sonntag zum "Kurier". (Martin Tschiderer, 6.8.2023)