Mehrere Leute in Militärtarnkleidung sind zu sehen.
General Abdourahmane Tiani (rechts) hat die Macht im Niger übernommen.
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Niamey – Trotz des Auslaufens eines von der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) an die Putschisten im Niger gestellten Ultimatums soll es offenbar zunächst keine Truppenentsendung in den Krisenstaat geben. Eine unmittelbare Militärintervention werde in diesem Stadium nicht ins Auge gefasst, verlautete am Montag aus Ecowas-Kreisen.

Ähnlich klangen die Aussagen eines Sprechers der Staatengruppe am Montag: Am Donnerstag werde man in Nigerias Hauptstadt Abuja ein Gipfeltreffen abhalten, um den Staatsstreich im Niger zu diskutieren, sagte Emos Lungu der Nachrichtenagentur Reuters. Unabhängig davon schlossen die Putschisten "bis auf weiteres" wegen der "Gefahr einer Intervention" den Luftraum. Die Maßnahme gelte für "alle Flugzeuge". Italien rief die Ecowas zur Verlängerung des Ultimatums auf.

Am Sonntag war ein vor einer Woche gestelltes Ultimatum der Ecowas an die Militärjunta im Niger ausgelaufen, die Macht an die legitimen Institutionen zurückzugeben. Die Ecowas hatte gedroht, andernfalls sei ein "Einsatz von Gewalt" nicht auszuschließen. Sie haben bei einem dreitägigen Treffen bereits einen Plan für eine mögliche militärische Intervention als Antwort auf den Putsch im Niger entworfen. Die Staats- und Regierungschefs wollen anhand der Empfehlung über ihr Vorgehen entscheiden.

Video: Ultimatum abgelaufen - Militärs befürchten Einmarsch im Niger
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Italien will Ultimatum verlängern, Deutschland warnt vor Gewalt

"Der einzige Weg ist der diplomatische", sagte der italienische Außenminister Antonio Tajani der Zeitung "La Stampa". "Ich hoffe, dass das Ultimatum der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten, das vergangene Nacht um Mitternacht abgelaufen ist, heute verlängert wird."

Deutschland warnte die Putschisten in scharfer Form vor Gewaltakten gegen den festgesetzten Präsidenten Mohamed Bazoum. Die Putschisten müssten "mit scharfen persönlichen Konsequenzen rechnen", sollte "dem demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum und seiner Familie etwas zustoßen", sagte ein Sprecher am Montag.

Putschisten erhielten Unterstützung

Zunächst blieb unklar, wann die Ecowas über ihr weiteres Vorgehen und einen Militäreinsatz entscheiden wollte. Ein solches Vorgehen ist in der Region umstritten. Zudem wäre ein solcher Einsatz der Gruppe in Niger, dessen Staatsgebiet größer ist als jenes von Frankreich und Spanien zusammen, wohl eine große Herausforderung. Die Junta teilte ihrerseits am Wochenende mit, wichtige Positionen bei den Streitkräften mit eigenen Gefolgsleuten neu besetzt zu haben.

Zudem schien die Unterstützung für die Putschisten innerhalb der Bevölkerung zu wachsen. Berichten des französischen Senders RFI zufolge versammelten sich am Sonntag rund 30.000 Menschen im General-Seyni-Kountché-Stadion in der Hauptstadt Niamey, um gegen die Ecowas-Sanktionen zu protestieren. Bereits in der Nacht auf Sonntag schlossen sich Jugendliche zu Bürgerwehren zusammen, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete.

Die Obersicht eines vollen Stadions ist zu sehen. In der Mitte ist ein Fußballfeld mit Laufbahn rundherum.
Unterstützer und Unterstützerinnen des Putsches versammelten sich im Stadion in Niamey.
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Putsch am 26. Juli

Am 26. Juli hatten Offiziere der Präsidialgarde in Niger den demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum für entmachtet erklärt. Der Kommandant der Eliteeinheit, General Abdourahamane Tiani, ernannte sich im Anschluss zum neuen Machthaber. Kurz danach setzten die Putschisten die Verfassung außer Kraft und lösten alle verfassungsmäßigen Institutionen auf.

Der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune warnte am Wochenende nach Angaben der Zeitung "El-Bilad" und der Nachrichtenseite Ennahar, ein militärisches Eingreifen in Niger könnte die gesamte Sahelzone destabilisieren. Eine Teilnahme Algeriens schloss Tebboune demnach strikt aus.

Trotz der Zuspitzung der Lage steht nach Aussage der französischen Außenministerin Catherine Colonna ein Abzug der französischen Soldaten aus Niger nicht auf der Tagesordnung. Sie warnte die Machthaber in Niger, die Drohung der Ecowas ernstzunehmen.

Die Junta hatte zuvor die militärische Zusammenarbeit mit der einstigen Kolonialmacht am Donnerstag aufgekündigt. Noch immer hat Frankreich dort rund 1.500 Soldaten stationiert. Die USA sind mit rund 1.000 Soldaten präsent, die deutsche Bundeswehr mit rund 100. Niger war einer der letzten westlichen Verbündeten in der von islamistischen Terrorgruppen destabilisierten Sahelzone.

Ecowas griff zuletzt 2017 in Gambia ein

Unbegründet ist Colonnas Warnung vor dem Handeln der Ecowas nicht. Die Gruppe hat bereits in der Vergangenheit mehrfach militärische Eingreiftruppen aufgestellt. Zuletzt griff die Gruppe 2017 in Gambia ein. Militärische Ecowas-Operationen erfolgten bisher jedoch immer auf Einladung der betroffenen Regierung.

Die Militärregierungen in Mali und Burkina Faso hatten sich hingegen schnell auf die Seite der neuen Machthaber in Niger gestellt. Die Mitgliedschaft der beiden Länder in der Ecowas ist ausgesetzt. Das französische Außenministerium kündigte am Sonntag an, bis auf Weiteres alle Entwicklungshilfe- und Budgethilfemaßnahmen für Burkina Faso auszusetzen. (APA, red, 7.8.2023)