Während es sich viele auf dem Sofa gemütlich gemacht haben, herrscht in den Fitnessstudios bis in die Nacht reger Betrieb. Beinahe rund um die Uhr schwitzen Hobby- und Profi-Sportlerinnen und -Sportler an den Geräten und verbrennen Kalorien – und erzeugen ganz nebenbei täglich tausende Kilowattstunden an Energie.

An kaum einem anderen Ort wird von Menschen so viel Bewegungsenergie produziert wie in den heimischen Fitnessstudios. Über 1.100 Betriebe gibt es in ganz Österreich. Und doch bleibt das Potenzial noch immer ungenutzt. Gerade in Zeiten hoher Strompreise stellt sich deshalb die Frage: Warum nicht die Energie verwenden, die tagtäglich auf den Ergometern, Laufbändern und Co entsteht?

Die Kraftkammer als Kraftwerk?

Seit knapp 20 Jahren schwirrt diese Idee bereits im Internet herum. Nur: Bisher hat sich das Interesse der Fitnessbranche in Grenzen gehalten. Das ändert sich nun. Auch die Betreiberinnen und Betreiber der Fitnessstudios bekommen die Teuerungswelle auf der Stromrechnung zu spüren. Die hohen Energiepreise zwingen sie zum Umdenken – Stromsparen lautet das Gebot der Stunde. Eine einfache Möglichkeit, neue Energiequellen anzuzapfen, kommt gerade also zum richtigen Zeitpunkt. Doch bringt das wirklich den erhofften Effekt?

Rund 80 Watt erzeugt ein Sportler, wenn er eine Stunde lang auf dem Ergometer in die Pedale tritt. Damit könnte man zwei Glühbirnen mit 40 Watt oder rund 40 LED-Lampen zum Leuchten bringen. Um ein Handy vollständig aufzuladen, müsste man ebenfalls rund eine Stunde intensiv trainieren. Und um eine Kilowattstunde Strom zu erzeugen, aktuell auf dem Energiemarkt um rund 40 Cent zu haben, würde ein ganzer Tag fürs Training draufgehen. Zugegeben: Die Energieausbeute einer einzelnen Person ist auf den ersten Blick überschaubar. Sind hunderte Trainierende im Fitnessstudio täglich auf Ergometern, Laufbändern und Crosstrainern zugange, kommt aber einiges an Energie zusammen.

junge Personen trainieren auf dem Ergometer
Auf dem Ergometer lassen sich in der Stunde knapp 800 Kalorien verbrennen – oder 80 Watt Strom erzeugen.
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"Noch in den Kinderschuhen"

Tatsächlich haben einzelne Fitnessstudiobetreiber bereits den Nutzen für sich erkannt. Seit 2019 gibt es etwa in Sacramento das erste energieeffiziente Fitnessstudio in den USA, und auch in Großbritannien und Berlin finden sich Betreiber, die Ergometer und Co zur Stromerzeugung umgerüstet haben. Die dort produzierte Energie fließt beispielsweise in die Beleuchtung oder in das leere Handy. In der breiten Masse hat sich die Idee bisher aber noch nicht durchgesetzt. Auch in Österreich hat das Konzept bisher noch keinen Anklang gefunden.

Dabei zeigen sich heimische Fitnessstudiobetreiber auf Nachfrage des STANDARD durchaus offen. Es sei eine "interessante Idee", findet etwa Christian Zöbl, Pressesprecher der Fitnesskette John Harris. Diese betreibt insgesamt elf Fitnessstudios in Wien, Linz und Graz mit rund 30.000 Mitgliedern. Seit Monaten sei man mit hohen Energiekosten konfrontiert und habe deshalb bereits überlegt, ob und wie sich die Energie der Trainierenden nutzen lässt, sagt Zöbl. Das große Problem sei derzeit, dass die Technologie noch nicht ganz ausgereift ist, sie stecke "noch in den Kinderschuhen".

Die Schwierigkeit sei einerseits, die Bewegungsenergie umwandeln und nutzbar zu machen. Andererseits werde ebenfalls noch an einer Lösung gearbeitet, die Energie in Akkus zu speichern. Aktuell geht der Großteil der Bewegungsenergie noch als Wärme verloren. Außerdem: Nicht jedes Gerät lässt sich in wenigen Handgriffen zum Energieerzeuger umbauen. So sind in Ergometern bereits Generatoren verbaut, die die Bewegungsenergie in Strom umwandeln können. Laufbänder und Stepper haben dagegen einen Motor und benötigen Strom, sind also alles andere als Energieproduzenten. Um diese Geräte nutzbar zu machen, müssen sie erst mit hohem Aufwand umgebaut werden – wofür neben dem nötigen Kleingeld auch das entsprechende technische Know-how gebraucht wird.

Personen rennen auf Laufbändern
Nicht alle Fitnessanlagen lassen sich so einfach zu energieproduzierenden Geräten umrüsten.
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Gutes Gewissen

Mittlerweile müssen die Fitnessstudiobetreiber immerhin nicht mehr selbst zu Bastlern werden. Die Nachfrage nach energieproduzierenden Fitnessgeräten wächst – und so auch das Angebot. Die taiwanische Firma Sportsart stellt beispielsweise Fitnessgeräte her, die nach eigenen Angaben bis zu 74 Prozent der Trainingsleistung in Strom umwandeln. Funktionieren soll das durch einen Generator, der die Bewegungsenergie umwandelt und über einen Micro-Inverter ins Stromnetz einspeist. Bis zu 150 Euro monatlich könne beispielsweise durch ein einzelnes Laufband, das acht Stunden pro Tag in Betrieb ist, an Energiekosten eingespart werden, schreibt der Hersteller auf seiner Website. Ein ganzes Fitnessstudio, ausgestattet mit mehreren Laufbändern, Crosstrainern und Ergometern, könnte sich so mehrere Tausend Euro pro Jahr sparen.

Finanziell kann es sich aber nicht nur für Fitnessstudiobetreiber, sondern auch für Kundinnen und Kunden auszahlen. Wer im Fitnessstudio in Sacramento am meisten Strom produziert, trainiert kostenlos. Neben dem finanziellen Anreiz reicht aber oft allein der Gedanke, etwas Gutes für die Umwelt zu tun. Studien zeigen, dass die Idee, durch die eigene Muskelkraft selbst Strom produzieren zu können, vielen als Motivation dient, sich doch noch vom Sofa aufzuraffen und zum Training zu gehen. Ein weiterer positiver Nebeneffekt: Das Training auf den energieproduzierenden Geräten kann das Umweltbewusstsein erhöhen. So wird man künftig zweimal überlegen, ob man das Licht brennen lässt, wenn man eine Stunde lang dafür radeln muss.

Strampeln für die Freiheit

Während die Fitnessbranche erst in ein paar Jahren so weit sein wird, kommen energieproduzierende Fitnessgeräte schon in anderen Bereichen zum Einsatz. Seit 2012 gibt es in Wien etwa den Cycle Cinema Club (CCC). Das Konzept: Die Kinobesucherinnen schwingen sich aufs Rad und erzeugen den Strom für den Kinofilm selbst. Auch die Band Coldplay hat auf ihrer aktuellen Tour Ergometer und kinetische Tanzflächen im Gepäck. Die Konzertbesucherinnen können sich vor der Show auf den Geräten austoben und so einen Beitrag zur Energiebilanz liefern.

Kinovorführung am Donaukanal; Menschen sitzen in Liegestühlen und auf Fahrrädern
Beim Wiener Cycle Cinema Club erzeugen die Kinobesucher den Strom für die Filmvorführung selbst.
Christian Fürthner

Die wohl außergewöhnlichste Idee stammt allerdings aus einem Gefängnis in Brasilien: Die Ergometer dort dienen den Inhaftierten nicht nur als tägliches Sportprogramm, sondern sie können damit auch ihre Haftzeit verkürzen. Im Gegenzug für 24 Stunden auf dem Fahrrad wird den Gefangenen ein Tag in Haft erlassen. Die Energie, die sie auf den Fahrrädern produzieren, wird in Batterien gespeichert und anschließend für die Straßenbeleuchtung verwendet. (Theresa Scharmer, 9.8.2023)