Im Grunde ist Elisabeth Smolak eine freundliche Frau mit sanfter Stimme. Doch wenn sie über ihr Herzensthema spricht, ändert sich das. Sie klingt dann fest entschlossen, ihre Aussprache ist klar. Das liegt daran, dass sie grantig ist. Grantig, weil nicht mehr getan wird. Weil die Menschheit die Umwelt weiter zerstört und die Politik nicht handelt. "Das Thema wird einfach nicht ernst genommen. Obwohl die Dringlichkeit bekannt ist."

Um darauf aufmerksam zu machen, fährt sie derzeit von Wien nach Sydney. Mit dem Fahrrad. Vor etwa zehn Tagen ging es los. Durch die Slowakei und Ungarn nach Serbien. Gerade ist sie in Kalna, einem Dorf an der Grenze zu Bulgarien. Es ist Abend. Ihre Route für morgen sei geplant, sie habe nun gut Zeit, Auskunft zu geben, sagt Smolak am Telefon. Die Verbindung bricht mehrmals ab. In Serbien regnet es heftig. Womöglich habe das Auswirkungen auf das Netz, so ihre Vermutung.

"Stop Global Warming"

Auf den Fotos, die Smolak uns zuschickt, damit wir dieser Geschichte auch ein Gesicht geben können, ist eine Frau Anfang 50 zu sehen. Sie trägt eine Brille, eine dunkelblaue Funktionshose und einen Fahrradhelm. Ihr Blick ist ernst. Auf einem Bild hält sie mit spitzen Fingern ein rotes, selbstgemaltes Schild: "Stop Global Heating Now" ist darauf zu lesen. Vor und nach dem Wort "Now" ist jeweils ein Rufzeichen aufgemalt.

Smolak hatte das Bild auf Twitter gepostet und darunter geschrieben: "Bin sehr grantig und fahre jetzt mit dem Rad nach Sydney. Route ca. über d. Schwarze und Kaspische Meer, Kasachstan und China." Dann gehe es weiter durch Laos, Thailand und Malaysia, von wo aus sie dann schauen müsse, wie sei nach Australien komme. Womöglich nehme sie die Fähre.

Am Tag unseres Telefonats ist Smolak 70 Kilometer gefahren. Das ist ungefähr so weit wie von Wien nach St. Pölten. Für sie ist die Fahrt kein Wettbewerb, es gehe nicht darum, möglichst schnell zu sein, sondern ans Ziel zu kommen. Dafür will sie in etwa ein Jahr brauchen.

Von der PR zum Aktivismus

Vor der Fahrt leitete Elisabeth Smolak eine PR-Agentur. Sie war für große Kunden tätig, vor allem aus dem Bereich der Konsumgüterindustrie. Obwohl auch hier bereits ein Umdenken in Richtung nachhaltiger Produktion stattgefunden habe, sei ihr der Prozess zu langsam gegangen. Irgendwann begann sie, ihren Beruf infrage zu stellen. Ist das wirklich das, womit sie mehr als 40 Stunden pro Woche Zeit verbringen will? Sie zweifelte.

Smolaks Frage ist eine, die sich nicht wenige stellen: Will ich mit dem, was ich tue, zur Krise beitragen – oder nicht vielmehr etwas verändern?

Also begann sie sich, für das Klimavolksbegehren zu engagieren, das 2019 vorgestellt wurde. Sie kümmerte sich um die Pressearbeit. Die Forderung von damals war ein neues Klimaschutzgesetz, das in der Verfassung verankert ist. Zudem müsse die Emission klimaschädlicher Treibhausgase gestoppt werden. Eine ökosoziale Steuerreform habe jene zu belasten, die mehr und jene zu entlasten, die wenig CO2 emittieren. Außerdem wurde gefordert, dass Verkehr und Energie auf nachhaltige Art umgestaltet werden.

Das Volksbegehren erhielt mehr als 380.000 Unterstützungserklärungen und wurde 2020 im Nationalrat behandelt. Doch passiert sei seitdem zu wenig, findet Smolak. "Es ist uns auch bei Gesprächen mit politisch Verantwortlichen nicht gelungen, etwas ins Rollen zu bringen." Für sie war das eine "frustrierende" Erfahrung. Also stieg sie vergangene Woche aufs Fahrrad.

Kein genauer Plan

Die Route hat Smolak nicht genau durchgeplant, denn es sei nur schwer möglich, alles vorauszusehen. Also entscheidet sie jeden Tag neu, wo es am nächsten hingehen soll. Auf einer Internetseite, Eurovelo, sucht sie sich ihre Wege durch das europäische Radnetz.

Durch die Slowakei und Ungarn bis nach Serbien ist Smolak bereits gefahren – jetzt geht es weiter nach Bulgarien und in die Türkei.
Foto: privat

Auf dem Weg übernachtet Smolak bei Einheimischen – die Fahrrad-Community sei online gut vernetzt –, in Pensionen oder im Zelt. Wobei Letzteres nur die absolute Notlösung sei, denn es sei ihr wichtig, auch mit den Menschen aus dem jeweiligen Land in Kontakt zu kommen, sie zu unterstützen, indem sie für Dienstleistungen bezahlt.

Smolak ist es wichtig, mit Menschen aus der Region sprechen. Ihre Gespräche bis jetzt haben gezeigt: Auch sie merken den Klimawandel. Da war etwa die Wirtin in Bratislava, die kaum mehr vor die Tür gehen möchte. Ihr Gasthaus liegt direkt bei einer Au, in der es mittlerweile nur so vor Gelsen wimmelt.

Zurück mit dem Flugzeug

In Sydney wird Smolak eine Freundin besuchen, eine Meeresbiologin, die zu Korallen und der Korallenbleiche forscht. "Sie ist verzweifelt, weil die Zerstörung relativ schnell voranschreitet." Der Besuch solle thematisch einen Bogen spannen, zeigen, dass das Problem der Erhitzung ein globales ist. Ein paar Wochen will Smolak in Australien verbringen.

Zurück wird sie das Flugzeug nehmen, wofür sie von einigen verurteilt werde. "Aber mein Ziel ist es ja auch nicht, zu erklären, dass man ganz ohne Flugzeug reisen kann. Ich will einfach zeigen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, seine Zeit zu verbringen und von Ort zu Ort zu kommen." Das Fahrrad war schon immer ihr Hobby und ihr liebstes Fortbewegungsmittel. Ein Auto habe sie nie besessen.

Smolak schickt ein Bild von ihrer Route, die wegen des vielen Regens der letzten Tage zum Teil nass und schlammig ist.
Foto: privat

Auf das Wesentliche konzentrieren

Worum es ihr aber auch geht, ist Achtsamkeit. Ihre Reise sei ein Versuch, sich selbst und die Umwelt wieder bewusster wahrzunehmen. Auf dem Fahrrad gelinge das ausgezeichnet. Selbstbewusstsein gebe ihr, dass sie bei der Fahrt auf sich selbst gestellt ist und viele Entscheidungen allein treffen muss. "Mich hat auch interessiert, wie es ist, mich auf das Wesentliche zu besinnen und vorher zu überlegen: Womit kann ich auskommen?"

Eingepackt hat Smolak wenig: zwei langärmlige Shirts, zwei kurzärmelige, ein Tanktop, eine lange Hose, vier kurze, ein bisschen Unterwäsche und zwei Paar Schuhe. Außerdem einen Schlafsack, eine Isomatte, ihr Zelt, Hygieneprodukte und Medizin. Dabei hat sie auch Ersatzteile für ihr Fahrrad: einen Fahrradschlauch, Kettenglieder, Speichen und Werkzeug. In Belgrad, wo sie einen Patschen hatte, konnte sie das bereits gut brauchen. Einen Campingkocher führt sie ebenfalls mit. Zehn Liter Wasser. Und ihre Blockflöte.

Ein wenig Aufmerksamkeit

Gefragt, ob sie mit ihrer Aktion etwas bewirken kann, wird Smolak kurz still. "Ich weiß es nicht", sagt sie ehrlich. Aber zumindest sei es ein Versuch. Und selbst, wenn es nicht die großen Änderungen bringt, wenn die Welt sich politisch weiterdreht wie bisher: Vielleicht reicht es für ein wenig Aufmerksamkeit für das Thema. Vielleicht schafft es Smolak ja, den einen oder die andere zum Nachdenken anzuregen.

Die Reaktionen auf ihr Vorhaben seien jedenfalls überwiegend positiv. Freunde und Familien fänden die Aktion mutig, ebenso die Menschen, die sie auf dem Weg trifft. Erst heute habe sie ein Wirt auf einen Kaffee eingeladen. "Einfach so, weil ich mit dem Fahrrad gekommen bin."

Wenn sie nach Wien zurückkehrt, will Smolak im Bereich Klimakommunikation weitermachen. Derzeit absolviert sie eine Online-Weiterbildung zur Nachhaltigkeitsmanagerin. Was genau sie damit machen will, steht noch nicht fest, aber es ist ja auch noch etwas Zeit. Bis dahin radelt Elisabeth Smolak weiter. (Lisa Breit, 22.4.2023)