Im Gastblog zeigt Rechtsanwältin Theresa Kamp, unter welchen Umständen das Ablehnen eines Kinderwunsches juristisch relevant sein kann.

Über die Ehe als Institution gibt es zugegebenermaßen Diskussionsbedarf. Die Gesellschaft ist im Wandel, heißt es – ist es die Ehe auch? Die Ehe ist eine romantische Angelegenheit. Im besten Fall. In jedem Fall ist sie aber ein Vertrag. Das Gesetz verlangt von den Ehegatten den Willen, Kinder zu zeugen und diese zu erziehen. Was ist, wenn der Kinderwunsch bei den Ehepartnerinnen und Ehepartnern nicht gleich ausgeprägt ist? Oder vielleicht eine Person gar keine Kinder möchte, die andere aber einen dringenden Kinderwunsch hat und von einer großen Familie träumt? "Vielleicht nicht heiraten", könnte man sagen – aber so einfach ist es nicht immer.

Leerer Kinderwagen
Die Weigerung, Kinder zu zeugen, kann unter Umständen im Rahmen einer allgemeinen Verschuldensscheidung nach den dafür geltenden Voraussetzungen geltend gemacht werden.
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Kinder als Wesenselement für die Ehe?

Im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch findet sich noch, dass Ehegatten den Willen haben, Kinder zu zeugen und diese zu erziehen. Aber dieser Wille stellt kein Wesenselement der Ehe mehr dar, spätestens seitdem auch gleichgeschlechtliche Paare heiraten können. Es gab bis zum Eherechtsänderungsgesetz 1999 einen eigenen Scheidungsgrund, der sich "Verweigerung der Fortpflanzung" nannte. Diesen Scheidungsgrund gibt es zwar so in seiner (absoluten) Form nicht mehr. Die Weigerung, Kinder zu zeugen, kann aber seither im Rahmen einer allgemeinen Verschuldensscheidung nach den dafür geltenden Voraussetzungen geltend gemacht werden. Das bedeutet, dass von einem Gericht die (grundlose) Weigerung, Kinder zu bekommen, als schwere Eheverfehlung gewertet werden müsste, die dann zum Ehe-Aus geführt hat.

Eheverfehlung "Verweigerung der Fortpflanzung"?

Bei dem in Österreich geltenden Verschuldensprinzip geht es – wenn es keine Einigung gibt – am Ende einer Ehe darum, wer schuld ist. Man möchte nicht "schuld" sein am Ehe-Aus. Emotional nicht, aber auch rechtlich nicht, das kann sich nämlich finanziell in Form von nachehelichem Unterhalt auswirken. Nach der Rechtsprechung kann die Ablehnung des Kinderwunsches oder ein Schwangerschaftsabbruch nur dann eine Verschuldensscheidung rechtfertigen, wenn eine solche Entscheidung grundlos und entgegen dem Gebot der Einvernehmlichkeit geschieht.

Nach dem Gesetz haben die Eheleute ihre Beziehung einvernehmlich und unter gegenseitiger Rücksichtnahme zu gestalten. Dass die Verweigerung der Fortpflanzung allerdings überhaupt eine Eheverfehlung darstellen kann und soll, darf stark bezweifelt werden und wird auch kontrovers diskutiert. Beachtliche Gründe, warum jemand (weitere) Kinder ablehnt, könnten sein: gesundheitliche Probleme, soziale und oder wirtschaftliche Schwierigkeiten, schlechte Wohnverhältnisse, wenig Unterstützung durch den Partner oder die Partnerin bei der Betreuung der bisherigen Kinder etc.

Weigerung zu weiterem Kind als Eheverfehlung?

Zuletzt beschäftigte sich der OGH 2015 mit der Frage (9 Ob 29/15b), ließ sie aber doch im Kern unbeantwortet. Im konkreten Fall ging es um ein Paar, das bereits ein Kind hatte. Dieses Kind war krank, und es war die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass auch ein weiteres Kind an dieser (schweren) Erkrankung leiden könnte. Die Frau wollte daher von weiterem Nachwuchs Abstand nehmen, der Mann nicht. Das Höchstgericht führte schließlich aus, dass selbst, wenn man davon ausgeht, dass die Verweigerung, weitere Kinder bekommen zu wollen, eine scheidungsrelevante Eheverfehlung bilden kann, triftige Gründe – wie etwa gesundheitliche Risiken – diesen Scheidungsgrund ausschließen. Diese Risiken lagen im konkreten Fall vor. Festgestellt wurde im Ergebnis, dass der Ehemann sich seiner Frau gegenüber respektlos und dominant benommen hatte und ihn die Schuld für die Scheidung traf.

Schwangerschaftsabbruch als Eheverfehlung?

Schwangerschaftsabbrüche sind in Österreich unter bestimmten Voraussetzungen straflos. Ob sie eine Eheverfehlung darstellen können, ist im Lichte des geltenden Verschuldensprinzips relevant. Auch hier wird es auf die konkreten Umstände ankommen. Ein Schwangerschaftsabbruch kann eine schwere Eheverfehlung darstellen, wenn er grundlos und nicht einverständlich erfolgt. In diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof zur Zahl 2 Ob 702/87 die Abtreibung einer 42-jährigen Frau, die bereits drei Kinder hatte, deren Mann jahrelang eine Affäre hatte und deren Mutter schwer krank war, nicht als Eheverfehlung gewertet.

Allerdings hat im Jahr 2017 zur Zahl 5 Ob 166/17y das Höchstgericht festgehalten, dass der Umstand, dass eine Frau den Schwangerschaftsabbruch gar nicht erst mit ihrem Mann besprochen hatte und diesen hatte durchführen lassen, eine schwere Eheverfehlung dargestellt hatte. Offen bleibt, ob der Oberste Gerichtshof das anders beurteilt hätte, wenn die Ehefrau sich mit dem Ehemann zwar abgesprochen hätte, die Abtreibung gegen seinen Willen aber dennoch hätte durchführen lassen. (Theresa Kamp, 15.8.2023)