Kurze, prägnante, stets dem Song dienende Licks statt ausufernder Soli: Als Instrumentalist verkörperte der Kanadier Robbie Robertson meist das Gegenteil eines klassischen Rockgitarrenhelden. Und wurde doch von Kollegen wie Beatles-Gitarrist George Harrison oder Eric Clapton verehrt und bisweilen nachgeahmt.
Als Songwriter beschwor er nach seiner Zeit als Mitstreiter des turbulenten ersten elektrischen Feldzugs von Bob Dylan Mitte der 1960er-Jahren und dem anschließenden Rückzug in das Städtchen Woodstock in Upstate New York mit den Roots-Rock-Pionieren von The Band ein mythisches, aus der Zeit gefallenes Amerika herauf.
Das 1968 erschienene, überaus einflussreiche Debütalbum von The Band, Music from Big Pink, gilt als Gründungsdokument jener wurzelstarken Mischung aus Counry, Folk, Rockabilly, Mountain Music, Rock 'n' Roll, Soul und R&B, die heute als Americana bezeichnet wird. Robertsons darauf enthaltener, auch im Easy Rider-Soundtrack zu hörender Song The Weight wurde eine Art Kumbaya der Rockmusik.
Robertson wurde am 5. Juli 1943 als Sohn einer Mohawk-Indianerin und eines jüdischen Profi-Gamblers in Toronto geboren. Von prägenden Besuchen im Six-Nations-Reservat erzählen die 2016 erschienene Autobiografie Testimony ebenso wie Soloalben. Seine musikalischen Sporen verdiente sich Robertson bereits als Teenager in der von Spelunken gepflasterten Schule des Rockabilly-Haudegens Ronnie Hawkins.
Als ein des Tourens müder Robertson ein letztes Konzert von The Band für Thanksgiving 1976 ausrief, setzte Martin Scorsese dem Event mit The Last Waltz mit Gästen von Muddy Waters, Van Morrison bis Dylan ein filmisches Denkmal. Während eine zunächst angestrebte Schauspielkarriere bald im Sand verlief, fungierte Robertson für Scorsese immer wieder als eine Art Soundtrack-Kurator.
Mit seinem letzten, 2019 veröffentlichten Soloalbum Sinematic samt zwei Songs für Scorseses The Irishman versuchte Robertson noch einmal eine Brücke von der Musik zum Kino zu schlagen. Am Mittwoch erlag Robertson, der noch die Filmmusik für Scorseses jüngsten Film Killers of the Flower Moon fertigstellte, laut Angaben seiner Familie in Los Angeles einer langen Krankheit. Der Roots-Rock-Pionier wurde 80 Jahre alt. (Karl Gedlicka, 10.8.2023)