Die Cannabis-Crowdgrowing-Plattform "Juicy Fields" versprach Anlegerinnen und Anlegern hohe Gewinne –doch investierte kaum etwas von den eingezahlten Millionen.
APA/BUNDESKRIMINALAMT

Gewinne von 50 bis 60 Prozent mit Investitionen in Cannabispflanzen: Das versprach die Plattform Juicy Fields ihren Anlegerinnen und Anlegern. Tatsächlich wurde deren Geld aber kaum investiert, sondern immer weiter verschoben und der Verbleib so verschleiert. Zudem versuchten die Drahtzieher, über ein Pyramidensystem an weitere Anleger zu kommen. Mittlerweile ist der Anlagebetrug aufgeflogen. Wie berichtet, verloren allein in Österreich rund 5500 Menschen Geld – der mutmaßliche Gesamtschaden beträgt 19 Millionen Euro. Weltweit schätzt die ermittelnde Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft den Schaden auf 400 Millionen Euro.

Ganz überraschend kam die Aufdeckung des Betrugsfalls nicht: Bereits im Sommer 2022 warnte die deutsche Bundesfinanzaufsicht Bafin vor Investitionen in die Juicy Holdings beziehungsweise Juicy Fields. Erstmalig wandte sich die Aufsicht mit einer Meldung sogar direkt an Investorinnen und Investoren, um über kursierende falsche Behauptungen zu informieren – wohl mit gutem Grund, wie die jüngsten Ermittlungen zeigen.

Marode Branche

Werbung für die Branche war der Juicy-Fields-Skandal definitiv keine, doch was hat es mit dem Markt rund um die etwas anderen "grünen" Investments generell auf sich? Ein Blick in die USA des Jahres 2014. Die Bundesstaaten Colorado und Washington legalisierten Marihuana für den Freizeitgebrauch – das machte die Anlagen wirtschaftlich spannend. Zahlreiche US-Bundesstaaten, aber auch andere Länder wie Kanada, Uruguay oder Thailand sollten nachziehen. Die Folge: ein milliardenschwerer Bullenmarkt, der scharenweise Investoren und Glücksritter, die aufs schnelle Geld aus waren, anlockte.

Die Tätergruppe hinter der Crowdgrowing-Plattform Juicy Fields fuhr eine professionelle Werbekampagne, um so viele Anlegerinnen und Anleger wie möglich anzuwerben. Das Projekt wurde auf Messen beworben, Investierende wurden regelmäßig per Newsletter informiert.
APA / Bundeskriminalamt

Das ging einige Jahre gut, bis passierte, was den meisten jungen, volatilen Märkten irgendwann droht: Auf das High folgt der Kater. Vom Hype rund um Cannabis-Aktien ist aktuell nicht mehr viel zu spüren, Anfang 2021 starteten die Kurse ihre Talfahrt, und seither ging es praktisch nur nach unten. Im Herbst vergangenen Jahres waren beim Global Cannabis Stock Index – er repräsentiert den börsennotierten Markt für legales und medizinisches Cannabis – kurz Anzeichen zu beobachten, sich zu stabilisieren, gegen Jahresende schoss er dann aber doch erneut nach unten.

Was blieb, sind Pennystocks

Der Hauptmarkt befindet sich in Nordamerika. Dort waren etwa die beiden kanadischen Unternehmen Canopy Growth und Aurora Cannabis einst Liebkinder der Cannabis-Investoren, mittlerweile notieren sie auf Pennystock-Niveau. Minimal besser steht es um Cronos und Tilray.

Dem "Global Cannabis CEO Survey" der Wirtschaftsberatungskanzlei EY zufolge blieben fast 60 Prozent der Cannabis-Unternehmen weltweit vergangenes Jahr hinter ihren Erwartungen zurück. Als großes Problem entpuppt sich vor allem das Ungleichgewicht zwischen Markterwartungen und politischer Realität, wenn es um die Legalisierung geht. "Sie dauert in vielen Staaten viel länger als gedacht. Die USA hätten ein riesiger Markt werden sollen, doch die landesweite Legalisierung fehlt nach wie vor. In Europa geht alles ebenfalls nur langsam voran", sagt Rami El-Cheikh, Leiter des EY Americas Cannabis Centre of Excellence in Kanada, zum STANDARD.

Rami El-Cheikh ist Leiter des EY Americas Cannabis Centre of Excellence
EY

Es scheitert aber nicht nur an Gesetzen. Laut El-Cheikh seien einerseits Größe und Potenzial des Marktes überschätzt worden, andererseits seien Probleme wie Inflation und weniger Risikokapital wegen gestiegener Leitzinsen dazugekommen. "Sehr viele Unternehmen haben massiv in Infrastruktur investiert und befinden sich jetzt im Überlebensmodus. Der Fokus liegt auf bestehenden Kernmärkten, niemand denkt an Expansion", sagt der EY-Experte. Zudem habe es ein Überangebot an Cannabis gegeben, und auch die steuerrechtliche Situation sei schwierig. Eine schnelle Besserung erwartet er nicht.

In Europa gilt Deutschland als zukunftsträchtigster Markt, medizinisches Cannabis ist dort bereits legal. Vergangenes Jahr sorgte das deutsche Start-up Cansativa für Schlagzeilen, als der US-Rapper Snoop Dogg 13 Millionen Euro investierte. Letztendlich blieb aber auch die Bilanz am deutschen Markt mager.

Nur teils legalisiert

"Cannabis hat sich völlig von anderen Aktienmärkten abgekoppelt. Für risikofreudige Investoren mit einer antizyklischen Brille bleibt das Feld aber höchst interessant ", sagt Fondsmanager Carsten Ringler. Auch er bemängelt die Entwicklung auf politischer Ebene: "Die Erwartungshaltung in Bezug auf die Legalisierung war groß. In Deutschland wurde sie zum Rohrkrepierer." Zur Erinnerung: In Berlin wurde die teilweise Legalisierung nun auf den Weg gebracht. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zufolge sollen Kauf und Besitz von Cannabis künftig erlaubt sein – allerdings stark reglementiert. Der freie Verkauf für Erwachsene ist vorerst vom Tisch.

Der Markt ist also bereits am Boden, der Juicy-Fields-Skandal kommt obendrauf. Jener Mann, der den Vertrieb im deutschsprachigen Raum innegehabt haben soll, wurde im Juli in Niederösterreich verhaftet. Zusammen mit einem Team soll er eine Werbekampagne geführt, Juicy Fields auf Messen beworben und den Kontakt zu Anlegerinnen und Anleger per Newsletter aufrechterhalten haben.

Auswirkungen auf den Markt

Ob Juicy Fields Auswirkungen auf den Markt hat, kann oder will niemand sagen. Einig sind sich die meisten Experten, dass solche Skandale für volatile Branchen, in denen viel Geld steckt, nichts Unübliches sind. Man kennt das auch von Krypto oder der Tech-Branche. Fondsmanager Ringler rät zur Vorsicht: "Man muss genau schauen, ob man nicht nur in einen Börsenmantel investiert – also eine Firma, die auf Trends aufspringt und vielleicht einmal eine Minengesellschaft war, dann auf Blockchain und dann auf Cannabis gesetzt hat." Bei jenen Unternehmen, die die vergangenen zwei Jahre überlebt hätten, könne man sich dafür aktuell die besten aussuchen und relativ günstig einsteigen. (Andreas Danzer, Alicia Prager, 11.8.2023)