Es ist das Jahr 2025, eine globale UN-Behörde kontrolliert, ob die Staaten das Pariser Klimaabkommen einhalten – und greift bei Verfehlungen zu drastischen Mitteln. Von dieser fiktiven Behörde handelt der Roman "Das Ministerium für die Zukunft", der obwohl erst 2020 veröffentlicht, bereits als Klassiker der "Climate Fiction" gilt. Im Buch soll die Institution für die zukünftigen Generationen der Welt eintreten, um deren Rechte umzusetzen.

Die Neos wünschen sich ein solches Zukunftsministerium, wie sie in einer Aussendung erklären. Anlass ist der Tag der Jugend am Samstag. Genaue Details stehen nicht fest, nur so viel: Das Zukunftsministerium müsse "auf einer starken Gesetzesgrundlage stehen", um nicht "zahnlos" zu sein, forderte Jugendsprecher Yannick Shetty. Ein Zukunftsministerium solle etwa Gesetzesvorschläge auf ihre tatsächlichen Folgen für die nächsten Generationen prüfen.

Yannick Shetty hat einen dunkelblauen Anzug an und steht vor einem pinken Hintergrund mit dem Neos-Logo
Yannick Shetty, Jugendsprecher bei den Neos, fordert ein Ministerium, das sich für die Belange künftiger Generationen einsetzt.
IMAGO/Michael Indra

Gesetze, die die Kriterien eines "Zukunftschecks" nicht erfüllen, dürften nicht beschlossen werden. Außerdem solle das neue Ministerium auch selbst "innovative Reformvorschläge ausarbeiten". Als wichtige Arbeitsbereiche nannte Shetty etwa das Klimaschutzgesetz, die Bodenschutzstrategie und Strukturreformen im Gesundheitsbereich.

Oft gefordert

"Der Zukunftsminister oder die -ministerin muss sicherstellen, dass die Probleme von morgen schon heute gelöst werden und die Politik nicht länger auf Kosten der nächsten Generationen handelt", sagte Shetty, der das Konzept zusammen mit der pinken Jugendorganisation Junos ausgearbeitet hat. Er verwies dabei auf die aktuelle Ö3-Jugendstudie, wonach zwei von drei Jugendlichen zwar an der Politik interessiert seien. "Aber nur 15 Prozent fühlen sich auch tatsächlich von ihr vertreten. So kann es nicht weitergehen", beklagte er. Es müsse "endlich über die aktuelle Legislaturperiode hinausgedacht" werden.

Die Idee für ein Zukunftsministerium ist nicht ganz neu – vor allem während Koalitionsverhandlungen stand ein solches immer wieder im Raum. Franz Vranitzky (SPÖ) kündigte 1996 ein Zukunftsministerium für seine neue Regierung an an. Letztlich war dieses aber wenig mehr als Marketing: Unter dem neuen Namen, den das Ministerium nicht einmal offiziell trug, wurden bloß Verkehrs- und Wissenschaftsministerium zusammengeführt. Zusätzliche Aufgaben oder Kompetenzen gab es nicht. Auch während der rot-schwarzen Regierungsbildung 2013 wurde über ein Zukunftsministerium gemunkelt, das eigens für Sebastian Kurz geschaffen werden sollte. Daraus wurde nichts.

Auch Dominik Wlazny, besser bekannt als Marco Pogo, forderte ein Zukunftsministerium. Als er um das Amt des Bundespräsidenten kandidierte, stand dies in seinem Wahlprogramm. Es sei nötig, "um politische Entscheidungen über den nächsten Wahltermin hinaus zu treffen".

Initiativen im Norden

In manchen Ländern existiert eine solche Institution bereits. Das finnische Parlament zum Beispiel hat einen permanenten Zukunftsausschuss. Seine Aufgabe ist es, die langfristige Planung der Regierung zu kontrollieren und zu evaluieren. Schweden hatte zwischen 2014 und 2016 sogar eine eigene Ministerin für die Zukunft. Sie war ressortübergreifend für die langfristigen Folgen der Regierungspolitik zuständig. Wales hat 2016 die Position des Future Generations Commissioner installiert: Sophie Howe wurde zur ersten Beauftragten für zukünftige Generationen ernannt, bis Jänner dieses Jahres war sie im Amt. Ihr Job sei es, "sicherzustellen, dass bei allen Entscheidungen von Politik, Kommunen und Verwaltung auch die langfristigen Auswirkungen berücksichtigt werden", erklärte Howe in einem Interview. Und das gelinge eben nicht, wenn nur bis zur nächsten Wahl gedacht wird.

Kleiner Junge im Alter von 6 Jahren reist im Zug. Er lächelt und schaut aus dem Fenster.
Wie beeinflusst ein Gesetzesvorschlag die nächsten Generationen? Geht es nach den Neos, soll das ein Ministerium bewerten.
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Die Demokratie leide an Kurzsichtigkeit und Ignoranz gegenüber der Zukunft, argumentiert der Politikberater Johannes Hillje in der deutschen "Welt". Derzeit blieben große Herausforderungen ungelöst, weil regierende Parteien vor allem nach Sympathiewerten streben würden. Hillje plädiert deshalb für ein Klimaministerium. Dessen Rolle solle aber mehr in der politischen Willensbildung liegen. "Wenn man einem Zukunftsbeauftragten ein Vetorecht bei der Gesetzgebung geben würde, wäre das eine undemokratische Überentscheidungsinstanz", schreibt der Politikberater. "Wenn man aber der Zukunft eine Stimme in öffentlichen Debatten verleiht, dann werden langfristige Folgen zu einem permanenten Bewertungsmaßstab für Politik, dem sich weder Politiker noch Medien und Bürger entziehen können."

"Das Zukunftsministerium wäre zunächst ein ganz normales Ministerium", präzisiert Sophie Wotschke, Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (Junos) den Neos-Vorschlag auf STANDARD-Anfrage. Dort könnten einerseits die Agenden für Klimaschutz, Pensionen und Digitalisierung gebündelt werden. Der geforderte Zukunftscheck für Gesetze könnte dann ebenfalls von diesem Zukunftsministerium ausgehen, weil dort ja dann die Expertise liegen würde.

"Keine besonders sinnvolle Idee"

Um ein neues Ministerium zu gründen, muss jedenfalls das Bundesministeriengesetz geändert werden. Dort ist geregelt, wie viele Ministerien es gibt und welche Zuständigkeiten sie haben. Dazu sei eine einfache Mehrheit im Nationalrat erforderlich, erklärt Laurenz Ennser-Jedenastik, Professor am Institut für Staatswissenschaft an der Universität Wien.

Er hält ein Zukunftsministerium für "eine nicht besonders sinnvolle Idee", sagt Ennser-Jedenastik. "Sinnvoll ist es, wenn es Ministerien gibt, die ein möglichst zusammenhängendes und in sich stimmiges Fachgebiet abdecken." Aktuell gebe es bereits Ministerien, die groß sind und viel abdecken, etwa das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. "Nicht einmal in der Pandemie haben wir es geschafft, dass die Person, die die ganze Pandemie politisch verantwortet, nicht gleichzeitig noch Pflegereform und Pensionen auf der Agenda hat." Da wäre eine Aufsplittung nötig gewesen. Auch das Klimaschutzministerium habe zu viele Kompetenzen. Eine ähnliche Gefahr bestehe bei einem Zukunftsministerium. "Die Dinge, die in einem Ministerium behandelt werden, sollten inhaltlich zusammenhängen."

Person "mit klarem Wertekompass"

Sophie Wotschke hält die Breite an Kompetenzen in dem geforderten Zukunftsministerium für "bewältigbar". Klima-, Umwelt- oder Sozialpolitik seien bereits heute Querschnittsmaterien, die nur in Zusammenarbeit mit anderen Ministerien bearbeitet werden könnten. Dass die vielen Themen an einer Stelle gebündelt wären, sieht sie als Vorteil: Man könne sich endlich der Themen annehmen, die sonst auf die lange Bank geschoben werden, sagt die Junos-Vorsitzende. Sie kann sich vorstellen, dass der Posten mit einer unparteiischen Person besetzt wird, die sich aus dem tagespolitischen Hickhack herausnehmen kann. "Wichtig ist aber vor allem, dass diese Person einen klaren Wertekompass hat."

Ennser-Jedenastik zweifelt aber auch an der Umsetzbarkeit eines solchen Postens. "Ein Ministerium kann dem Parlament nicht verbieten, dieses oder jenes Gesetz nicht zu beschließen. So läuft das nun mal in einer parlamentarischen Demokratie nicht ab", sagt der Politikwissenschafter. Der Gesetzgeber mache die Gesetze, die Ministerien und andere Behörden führten sie aus. Auch Sophie Wotschke von den Junos ist klar, dass das Verfassungsrecht kein Veto eines einzelnen Ministeriums vorsieht. Gesetze, die Schulden verursachen oder der Umwelt und dem Klima schaden, wären aber dann eindeutig als solche gekennzeichnet. Die Abgeordneten würden mit diesem Wissen, dass ein Gesetz nicht zukunftsfähig ist, abstimmen. Sie könnten dann, etwa medial, zur Verantwortung gezogen werden, sagt Wotschke.

Zukunftscheck wäre politisch

Doch was bedeutet eigentlich zukunftsfähig? "Ob ein Gesetz einen Zukunftscheck besteht, ist auch eine politische Frage und keine, die man rechtlich eindeutig klären kann", sagt Ennser-Jedenastik. "Nehmen wir an, eine Gemeinde würde eine Million Euro Kredit aufnehmen, um einen Kindergarten zu bauen. Sie würde sich verschulden, und die Menschen, die künftig in der Gemeinde wohnen, müssen das abstottern. Zugleich ist es natürlich auch eine Investition, von der man lange etwas hat." Ob eine Investition die Kosten rechtfertigt, sei letztlich immer eine Abwägung.

Auf das Argument, dass regierende Parteien vor allem an die nächsten Wahlerfolge denken und weniger an die nächste Generation, antwortet Ennser-Jedenastik: "Was langfristig wichtig ist, fließt in die Kalkulation der Wählerinnen und Wähler mit ein. Und sie denken ja auch nicht nur an das nächste Jahr, sondern auch an ihre Kinder und deren Zukunft." Natürlich würden die Wahlperioden dazu zwingen, politische Prozesse in kürzeren Abständen zu organisieren – "trotzdem glaube ich nicht, dass Politik nur kurzfristig agiert". Denn oft würden ja auch Diskussionen stattfinden, die dann spätere Entscheidungen beeinflussen. (Lisa Breit, Philip Pramer, 10.8.2023)