Niger Ecowas-Gipfel Proteste
Das Treffen wird von Protesten begleitet.
EPA/ISSIFOU DJIBO

Abuja / Niamey / New York – Nach dem Auslaufen eines Ultimatums an die Putschisten im Niger hat am Donnerstag ein Sondergipfel der westafrikanischen Staatengemeinschaft Ecowas in Nigerias Hauptstadt Abuja begonnen. Im Raum steht neben weiteren Sanktionen auch ein Militäreinsatz gegen den Staat im Westen Afrikas. Im Niger hatte das Militär am 26. Juli die Macht übernommen, die Verfassung ausgesetzt und den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum festgenommen.

Es sei wichtig, der Diplomatie Priorität zu verleihen, sagte der nigerianische Präsident und Ecowas-Vorsitzende Bola Tinubu am Donnerstag zum Auftakt des Niger-Krisengipfels. Ein Ecowas-Vertreter hatte auch im Vorfeld betont, dass eine Militärintervention nur letztes Mittel der Wahl sein soll. Mehrere internationale Bemühungen zur diplomatischen Lösung des Konflikts hatten in den vergangenen Tagen aber keinen Durchbruch ergeben. Die Staatengemeinschaft hatte am 30. Juli Sanktionen gegen den Niger verhängt.

Die Verteidigungsminister der Ecowas hatten sich auf ein mögliches militärisches Eingreifen grundsätzlich verständigt, sollte die Junta den Forderungen der Gruppe nicht nachkommen. Sie haben aber auch klargemacht, dass die Entscheidung darüber, wann und wo eventuelle Militärschläge vorgenommen werden sollen, bei den Ecowas-Staats- und Regierungschefs liegt. Ein einheitliches regionales Vorgehen ist fraglich. Unterstützt wird die Junta in Niger von den Militärregierungen in Mali und Burkina Faso, die versprochen haben, ihr notfalls zur Seite zu stehen. Die drei Länder sowie das ebenfalls von einer Militärjunta geführte Guinea sind suspendierte Mitglieder von Ecowas.

Neue Regierung vorgestellt

Die Militärjunta im Niger hat unterdessen eine neue Regierung für das westafrikanische Land bekanntgegeben. Die Putschisten verlasen in der Nacht auf Donnerstag im staatlichen Fernsehen eine Namensliste mit 21 Personen, die Minister werden sollen. Bereits am Montag war Ex-Finanzminister Ali Mahaman Lamine Zeine als neuer Premierminister verkündet worden.

Verlesen wurde die Liste der neuen Kabinettsmitglieder von Mahamane Roufai Laouali, der als "Generalsekretär" der Regierung vorgestellt wurde. Die künftige Regierung soll mit 21 Ministern etwa halb so groß wie die gestürzte sein. Schlüsselressorts wie das für Verteidigung und das für Inneres gehen an Anführer der Putschisten. Neuer Verteidigungsminister ist demnach General Salifou Mody. Mody gilt als Nummer zwei im Niger nach De-facto-Präsident Abdourahamane Tiani. Mody war bis 2019 Militärattaché an der nigrischen Botschaft in Berlin.

UN besorgt über Gesundheit des gestürzten Präsidenten

Im Niger rief die Partei des gestürzten Präsidenten Bazoum unterdessen zur Befreiung des Staatsoberhaupts auf. Das ganze Land müsse mobilisiert werden, heißt es in einer Erklärung der Partei PNDS-Tarayya vom Mittwoch. Bazoum und seine Familie würden unter unmenschlichen Bedingungen in ihrer Residenz festgehalten. Es gebe kein fließendes Wasser und keinen Strom. Außerdem würden dem Präsidenten eine ärztliche Betreuung und frische Lebensmittel verweigert.

Auch UN-Generalsekretär António Guterres hat sich angesichts der schlechten Bedingungen, unter denen Bazoum gefangen gehalten wird, besorgt gezeigt und seine sofortige Freilassung gefordert. Guterres prangerte am Mittwoch die "beklagenswerten Bedingungen" an, unter denen der Präsident und seine Familie in der Gefangenschaft leben, hieß es in einer Uno-Erklärung. Der Sender CNN hatte zuvor berichtet, dass Bazoum von den Militärs, die ihn vor zwei Wochen gestürzt hatten, in kompletter Isolation festgehalten wird. Zudem werde er gezwungen, trockenen Reis und Nudeln zu essen.

Angst vor militärischem Konflikt

Zuvor hatte bereits ein ehemaliger Rebellenführer zu Widerstand gegen die Militärregierung aufgerufen. Rhissa Ag Boula rief am Mittwoch eine Bewegung gegen die Junta ins Leben. Der Widerstandsrat für die Republik (CRR) strebt die Wiedereinsetzung des gestürzten Präsidenten an. Unter Bazoum war der Niger einer der letzten strategischen Partner des Westens im Kampf gegen den Vormarsch islamistischer Terroristen in der Sahelzone.

Sollte es zu einem militärischen Konflikt kommen, droht eine dramatische weitere Destabilisierung in West- und Zentralafrika, wo allein in den vergangenen drei Jahren nunmehr bereits sieben Putsche verübt wurden. Die von Hunger und Gewalt geplagte Sahelzone zählt zu den ärmsten Regionen der Welt. Tausende Menschen sind ums Leben gekommen, Millionen auf der Flucht. Speziell der Niger ist zudem wegen seiner führenden Rolle bei der Bekämpfung von Islamisten in der Region sowie seiner Uran- und Ölreserven sowohl sicherheitsstrategisch als auch wirtschaftlich relevant für Europa, die USA, China und Russland. (APA, 10.8.2023)