"Unser Geld für unsere Leut", so lautet eine der Parolen der FPÖ, mit denen sie einst Stimmung gegen Ausländer machte. "Unsere Leut", damit waren die Österreicher gemeint. Der gängige Spruch hat inzwischen eine andere Note bekommen: Bei der FPÖ Wien schwelt eine Spesenaffäre, bei der die Spitzenkader wie der Vizelandesparteiobmann Harald Vilimsky als Beschuldigte geführt werden. Und in Graz hat ein Finanzskandal die Freiheitlichen regelrecht zerrissen – im Mittelpunkt befindet sich Mario Eustacchio, der die FPÖ inzwischen verließ und als Vizebürgermeister zurücktrat. Auch der steirische FPÖ-Chef Mario Kunasek steht inzwischen im Verdacht, in die Veruntreuung großer Summen verstrickt zu sein. Die Genannten bestreiten das, und es gilt die Unschuldsvermutung.

Nebenjobs für die Parteifamilie

All die Enthüllungen und Ermittlungen haben bei namhaften Freiheitlichen aber offenbar nicht dazu geführt, etwas sensibler mit Geld und Posten umzugehen. Im Gegenteil: Der Ruch des Nepotismus könnte sich zusätzlich zu den bisherigen Affären über manche Teile der FPÖ legen. Zumindest legt das die Personalauswahl der EU-Abgeordneten Georg Mayer und Harald Vilimsky nahe. Beide Politiker beschäftigen in ihren Büros Angehörige anderer FPÖ-Größen.

Zu Mayers Mitarbeiterstab zählen enge Verwandte von Vilimsky und Kunasek. In Vilimskys Team wiederum arbeiten Verwandte von Eustacchio und Maximilian Krauss, dem Klubhef der Wiener FPÖ. Screenshots legen nahe, dass zumindest in einigen Fällen die Mitarbeit schon mindestens ein Dreivierteljahr andauert. Könnte es sein, dass die Verwandtschaftsnähe etwas mit der Postenvergabe zu tun hatte?

Auf Anfragen von STANDARD und "Spiegel" antworteten die Abgeordneten wortreich. Mayer schrieb zur Qualifikation seiner Mitarbeiterinnen Vilimsky und Kunasek, sie verfügten über eine "adäquate Ausbildung" und hätten sich bei einem Praktikum im europäischen Abgeordnetenhaus "bewährt". Die Verträge "im geringen Stundenausmaß" seien vom Parlament überprüft, genehmigt und werden regelmäßig evaluiert, deren Arbeitsleistung sei dokumentiert – ähnlich formuliert es auch Harald Vilimsky. Der frühere FPÖ-Generalsekretär spricht von "der Natur der Tätigkeit, dass sich bei mir keine Sympathisanten von Grünen, Kommunisten oder Sozialisten bewerben". Laut Verhaltenskodex des EU-Parlaments ist es Abgeordneten verboten, eigene Verwandte bei sich zu beschäftigen. Das ist hier ja nicht der Fall, denn es sind Verwandte anderer Parteikollegen.

Kunasek, Vilimsky, Krauss
Drei hochrangige FPÖ-Politiker mit Verwandten, die in der EU-Delegation arbeiten: der steirische Parteichef Mario Kunasek, EU-Delegationsleiter Harald Vilimsky und der Wiener Klubchef Maximilian Krauss.
FPÖ Collage: derStandard/Friesenbichler Foto: Getty Images, APA , Imago (2)

Gerade Vilimsky holzt mit Verve gegen die EU und ist immer mal wieder in allerlei Aufreger verstrickt. 2018 wurde er so über die Grenzen Österreichs bekannt: "Champagnergate" war eine besonders süffige Affäre seiner rechtsradikalen Fraktion im EU-Parlament um die überbordenden Ausgaben für edlen Schaumwein. Schuld hatten angeblich nur die Franzosen, und Vilimsky beteuerte: "Ich habe noch nie Champagner getrunken." Just tauchten damals Fotos auf, die ihn mit der französischen Rechtsextremistin Marine Le Pen und vollen Sektgläsern am Tisch zeigen.

Straches Tante, Straches Freundin

Damals, unter der türkis-blauen Koalition, sorgten ebenfalls Beschäftigungsverhältnisse von Verwandten für Schlagzeilen über die FPÖ. So hatte der damalige Vizekanzler und Parteichef Heinz-Christian Strache seine Tante im Kabinett des Sportministeriums untergebracht, dort sollte sie sich um Bürgerservice kümmern. Seine damalige Verlobte Philippa Strache wurde zur gutbezahlten Tierschutzbeauftragten der FPÖ, später erhielt sie in einer Art Tauschhandel rund um Straches Rücktritt sogar ein Mandat im Nationalrat. Dort ist sie, mittlerweile als Philippa Beck, nach wie vor tätig.

Nepotismusvorwürfe gab es in den vergangenen Jahren freilich nicht nur gegen die FPÖ; kritisiert wurden etwa Verwandtschaftsverhältnisse im Kosmos der Wiener SPÖ oder der Bundes-ÖVP. So prüfte die Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) etwa, ob Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) für eine Gehaltserhöhung für seine Lebensgefährtin interveniert hatte. Anlass für die Ermittlungen waren Aussagen von Thomas Schmid, dem früheren Generalsekretär im Finanzministerium, der Kronzeuge werden will. Dort, im Finanzministerium, ist auch Kurz' Partnerin tätig. Die WKStA sah in der Angelegenheit jedoch keine Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen. Direkt im eigenen Büro beschäftigte der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) seine damalige Verlobte und heutige Ehefrau – allerdings nur kurz, da der Aufschrei zu groß war.

Match um blauen Topjob in Brüssel

Zurück nach Brüssel und Straßburg: Dort könnte sich in den kommenden Monaten ein blauer Streit um die Spitzenkandidatur entspinnen. Denn EU-Fraktionsführer Vilimsky und Parteichef Herbert Kickl kennen einander zwar schon lange, sollen aber nicht besonders gut miteinander auskommen. Die beiden waren rund zwölf Jahre lang Generalsekretäre der FPÖ, bevor Kickl Ende 2017 zum Innenminister wurde. Vilimsky waren als erfahrenem FPÖ-Politiker parteiintern zwar ebenfalls beste Chancen auf ein Ministeramt eingeräumt worden, Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte jedoch im Vorfeld angekündigt, Vilimsky nicht angeloben zu wollen. Ohne das angedrohte Veto des Bundespräsidenten hätte Vilimsky wohl Außenminister werden können, den Job bekam dann bekanntlich Karin Kneissl, die mittlerweile die russische Staatsbürgerschaft anstreben soll. Vilimsky blieb daher in Brüssel, wo er seit fast zwei Legislaturperioden die blaue Delegation führt. Auch bei der nächsten EU-Wahl im Frühjahr 2024 will er antreten.

Doch Kickl soll dem Vernehmen nach mit dem Gedanken spielen, die freiheitliche Europasprecherin Petra Steger zur Spitzenkandidatin zu machen. Die frühere Basketballspielerin ist seit zehn Jahren Nationalratsabgeordnete, bei der EU-Wahl 2019 hat sie auf dem dritten Listenplatz kandidiert. Steger und Kickl sollen sehr gut miteinander auskommen, durch ihren Vater Norbert Steger hat die Politikerin eine weitere wichtige Stütze innerhalb der Partei. Norbert Steger und Vilimsky hatten sich wiederum legendäre Duelle geliefert; im Jahr 2010 hatte Vilimsky als Mediensprecher etwa die Abberufung von Steger aus dem ORF-Stiftungsrat angewiesen – der frühere Vizekanzler (1983–1987) weigerte sich aber, freiwillig zurückzutreten.

Öffentlicher Schlagabtausch

In der umfragenstärksten Partei scheint sich derzeit ohnehin wieder ein gröberer Konflikt abzuzeichnen. In der Frage, ob Politikergehälter – wie von Kickl gefordert – eingefroren werden sollten, stellten sich die Salzburger Landeschefin Marlene Svazek und ihr oberösterreichischer Kollege Manfred Haimbuchner öffentlich gegen Kickl. Das wirft wiederum Fragen auf, ob Kickl die eigenen Landesparteien im Griff hat. Zwei Faktoren spielen da eine wichtige Rolle: zunächst die eingangs erwähnten Spesen- und Finanzaffären in Wien und der Steiermark. Gegenüber der Wiener FPÖ galt der Parteichef als äußerst skeptisch; sein Vertrauter, der Ex-Abgeordnete Hans-Jörg Jenewein, soll sogar eine anonyme Anzeige gegen führende Wiener FPÖ-Politiker verfasst haben. Die Landesgruppe wird als Überbleibsel des System Strache gesehen. Im Grazer Finanzskandal stellte sich Kickl hingegen auf die Seite der arrivierten Parteigranden, die ihrerseits aufklärungswillige Politikerinnen und Politiker aus der Partei schmissen. Landeschef Kunasek ist deshalb gehörig unter Druck.

In Salzburg und Oberösterreich gibt es derartige Probleme nicht. Dort sitzt die FPÖ jedoch mit der ÖVP in einer Regierung, weshalb die Parteispitze schon immer (Haimbuchner) oder zusehends (Svazek) selbstbewusst gegen Wien auftritt. Svazek galt lange Zeit als Vilimsky-Vertraute, sie arbeitete einst in dessen Büro. Das Verhältnis soll jedoch abgekühlt sein. Die blaue Familienaufstellung ist also, selbst ohne tatsächliche Verwandtschaftsverhältnisse, einigermaßen kompliziert. (Oliver Das Gupta, Fabian Schmid, 11.8.2023)