Grießstrudel, aber auch Ramen: Die Speisekarte des Restaurants Infinity übt den Spagat zwischen Andau und der ganz weiten Welt.
Grießstrudel, aber auch Ramen: Die Speisekarte des Restaurants Infinity übt den Spagat zwischen Andau und der ganz weiten Welt.
Gerhard Wasserbauer

Es ist eine ziemlich neue Welt, die sich da auftut am östlichsten Zipfel der Republik, zwischen dem Neusiedler See und der ungarischen Grenze. Über viele Kilometer sieht man nichts als Rebzeilen und Windradparks, die von den Wüstenwinden der pannonischen Steppe angeblasen werden. Aber dann: Andau. Die Landschaft ist so brettleben, dass die Hallen des Weinguts von Erich Scheiblhofer sich schon von weitem ins Bild rücken. Noch größer, weil näher, drängt sein neues Resort ins Panorama. Ein richtig mächtiges Spa-Hotel mit künstlich angelegtem Teich und einem Weinkeller, der auch in den Metropolen der Welt gute Figur machen würde. Bloß dass die Legenden, die hier mitunter zu Okkasionspreisen zu haben sind, anderswo locker das Doppelte und Dreifache kosten.

Erich Scheiblhofer, der Winzer, der all das erschaffen hat, macht keine kleinen Sachen. Der Wein, mit dem er groß wurde, heißt Big John. Auch sonst ist hier alles eher kalifornisch angelegt, vom wuchtigen, den Alkohol und das Holz nicht scheuenden Charakter der Scheiblhofer’schen Weine über das Kaliber der Limousinen, die herumstehen, bis zum Selbstbewusstsein, mit der sich das Unternehmen präsentiert. Die Weine mögen polarisieren – der Mut zur Größe, die Anpackermentalität, mit der hier, im einst hintersten Winkel des Landes, agiert wird, ringen einem Respekt ab.

Das Restaurant des Resorts schmiegt sich da fugenlos ein. Es heißt Infinity, was durchaus als Hinweis auf die Größe gewertet werden kann, aber auch auf die Breite des Angebots. Es gibt Burger und Kaviar, Seewinkler Paradeiser in Form einer köstlichen sommerlichen Suppe, aber auch Ramen mit Garnele und Rindsfilet. Steaks kommen vom Black-Angus-Rind aus Andauer Zucht, die erstklassig gebackenen, kleinen Steinpilze mit Petersilerdäpfeln und Sauce Trara sind, mutmaßlich, von jenseits der Grenze. Topfen-Grießstrudel gibt’s auch – als Beilage zur sous-vide gegarten Entenbrust mit Honig-Marillen, was in Summe ein durchaus an Desserts gemahnendes Geschmacksbild ergibt.

Weich gezogene Kalbsbackerln mit Erbsen und Nuggets vom gebackenen Bries auf Erdäpfelpüree.
Weich gezogene Kalbsbackerln mit Erbsen und Nuggets vom gebackenen Bries auf Erdäpfelpüree.
Gerhard Wasserbauer

Spaghetti Carbonara aus frischer Pasta bekommen, wirklich vorbildlich, knusprig gebratenen Guanciale vom Seewinkler Mangalitza (!) untergehoben, der Dotter wird, zart erwärmt, roh auf die Pasta gelegt – schade, dass die Küche in der Hitze des Gefechts auf Parmesan und Pecorino vergisst. Eierschwammerln à la crème sind von der kleinen, bissfest-knackigen Art, der tiefgrüne, ordentlich nach Liebstöckel duftende Semmelknödel dazu eine gute Idee. Nicht ganz so sommerlich, aber löffelweich geschmort: die sehr weinfreundlich in hellem Saftl weich gezogenen Kalbsbackerln (siehe Foto), die Küchenchef Thomas Sandhofer mit ein paar Erbsen und Nuggets vom gebackenen Bries auf Erdäpfelpüree bettet – irgendwas braucht man ja als Unterlage für die unglaublichen Flaschen auf der Karte.

Ganz großer Wein

Die geht, wie besprochen, wirklich über vor großen und ganz großen Namen, zu Preisen, die um Bestellung flehen. Die Flasche Richebourg 2018 von Domaine de la Romanée Conti etwa, unter Trophäenjägern einer der begehrtesten Weine der Welt, ist im Netz auf knapp 5000 Euro taxiert – im Infinity wird, so man die Portokasse eh dabeihat, der Korken um barmherzige 2700 Euro gezogen. Oder, auch nicht geschenkt, aber kaum weniger begehrenswert: Château Clinet aus dem mythischen Jahrgang 2009, ein verspielt wuchtiger 100-Punkte-Pomerol, der im Handel aktuell um 380 Euro und mehr über die Budel geht. In Andau darf er um schlappe 250 Euro in den Riedels glucksen. Die offene Weinauswahl scheint im Vergleich dazu sehr exklusiv auf den Pauschalgast zugeschnitten. Ist aber halb so wild: Auch zu mittelstandkonformen Preisen finden sich hier mehr als bemerkenswerte Flaschen – für Freunde der Wucht am Gaumen ebenso wie für jene der Finesse. (RONDO, Severin Corti, 18.8.2023)