Gastbeitrag: Wolfgang Mayrhofer und Dominik Zellhofer

Karriere ist nicht nur Geld und Erfolg
Eine erfolgreiche Karriere bedeutet nicht nur Geld, sondern auch persönliche Entfaltung
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Derzeit intensiv diskutierte Fragen rund um Arbeitszeitverkürzung, Work-Life-Balance und Sichtweisen "der jungen Generation" von Erfolg im Beruf zeigen an, dass tradierte Auffassungen von Karriere im Sinne von Aufstieg und mehr Geld ins Wanken geraten. Was aber ist eigentlich unter Karriere zu verstehen, und was sehen Menschen als Karriereerfolg an? Fundierte Forschung schult einen differenzierten Blick auf beides.

Zunächst zu Karriere. Alle Menschen in Erwerbsarbeit haben Karrieren, und zwar objektive und subjektive. Die objektive Karriere umfasst das, was von außen sichtbar ist und sich entlang einer Folge von meist gut erkennbaren Positionen wie Teamleiterin, Erntehelfer oder Polier in beruflichen Feldern entwickelt. In Lebensläufen stellen wir unsere objektive Karriere vor.

Nachdem diese Positionen nicht im luftleeren Raum existieren, sondern von uns und anderen mit Blick auf Maßstäbe wie Einkommen, Prestige oder Hierarchiestufe als "besser/schlechter/gleich" bewertet werden, ergeben sich Übergänge, sogenannte Karrieretransitionen. Diese können vertikal als Auf- oder Abstieg verlaufen, horizontal erfolgen wie beim Wechsel auf gleicher Ebene in eine andere Abteilung oder zentripetal stattfinden, wenn man näher an den Kern der Organisation heranrückt, etwa durch Aufnahme in innere Zirkel.

Neben der objektiven gibt es aber auch die subjektive Karriere. Sie beschreibt, wie wir unsere objektive Karriere im Inneren erleben und bewerten, denn: Objektive und subjektive Karriere verlaufen nicht notwendigerweise parallel. Nicht jede objektive Beförderung ist im subjektiven Erleben positiv, manch objektiver Abstieg ist subjektiv eine Befreiung, und horizontale Wechsel bei gleichem Gehalt können persönlich einen Fortschritt darstellen.

Was genau ist Karriereerfolg?

Was aber sehen Menschen im Detail als Karriereerfolg an? Arbeiten des internationalen akademischen Forschungsnetzwerks 5C (Cross-Cultural Collaboration on Contemporary Careers) zeigen auf Basis einer Studie in 30 Ländern aus allen Kulturkreisen der Welt und bei unterschiedlichen Berufs- und Altersgruppen, dass global Menschen Karriereerfolg an sieben Dimensionen aus drei Bereichen festmachen. Im Bereich Wachstum ist die Dimension Lernen und Entwicklung angesiedelt.

Dabei geht es um Aspekte wie persönliche Reifung, Erwerb neuer Kompetenzen oder Bewältigung eines neuen Jobs genauso wie die Entwicklung entlang existierender Laufbahnen. Zum Bereich Wachstum zählt auch Entrepreneurship. Das umfasst sowohl Gründung von Organisationen als auch weiter gefasst das Vorantreiben eigener Projekte. Drei weitere Dimensionen stammen aus dem Bereich Life Design. Die etwas unglücklich bezeichnete Work-Life-Balance umfasst die Möglichkeit, unterschiedliche Elemente aus verschiedenen Sphären des eigenen Lebens zu einem stimmigen Ganzen zusammenzufügen.

Positiver Impact reicht über die unmittelbare Arbeit hinaus und bezeichnet die Möglichkeit, durch die eigene Arbeit die Welt im Großen oder Kleinen zu einem besseren Platz zu machen. Positive Arbeitsbeziehungen zielen auf den sozialen Aspekt beruflichen Tätigseins. Menschen beurteilen ihren Karriereerfolg auch danach, inwieweit sie mit anderen zusammenarbeiten, die sie als angenehm, wertschätzend, unterstützend erleben. Der dritte Bereich ist materieller Output. Hier differenzieren Menschen zwischen finanzieller Sicherheit und finanziellem Erfolg. Ersteres umfasst die ausreichende Versorgung mit als lebensnotwendig erachteten materiellen Gütern. Zweiteres zielt auf darüber hinausgehende materielle Ressourcen, im Kern also "nur" das notwendige Brot oder auch die Butter darauf.

Work Life Balance ist für eine erfolgreiche Karriere wichtig
Work Life Balance trägt ebenso zu einer erfolgreichen Karriere bei.
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Auch wenn diese sieben Dimensionen global über verschiedene Berufs- und Altersgruppen hinweg Anwendung finden, differenzieren Menschen je nach ihrer persönlichen Situation. So thematisieren in der erwähnten 5C-Studie sowohl ein südafrikanischer Arbeiter als auch ein Absolvent einer US-amerikanischen Business School finanzielle Sicherheit. Allerdings: Für den Arbeiter heißt das Überleben für die ganze Familie im nächsten Monat, für den Absolventen die Existenz eines satten Aktienpakets. Oder bei Work-Life-Balance: im chinesischen Kontext die starke Betonung finanziellen Erfolgs, in Spanien ein stärkerer Fokus auf Familie.

Der Blick auf die eigene Karriere

Die Unterscheidung zwischen objektiver und subjektiver Karriere und die sieben global verwendeten Karrieredimensionen sind nicht akademisches L’art pour l’art, sondern haben handfeste praktische Konsequenzen. Sie schärfen den Blick für Karriere, erlauben eine differenzierte Auseinandersetzung und erweitern den Handlungsspielraum dort, wo mit der verengten Fixierung auf die objektive Seite der Karriere – Aufstieg! Einkommen! – Entwicklung verschlossen und Unzufriedenheit programmiert scheint. Wer mitverantwortlich für die Karrieren anderer und haupt-, wenn auch nicht alleinverantwortlich für die eigene Karriere ist, der tut gut daran, einen differenzierten Blick auf die eigene Karriere zu werfen. (Wolfgang Mayrhofer, Dominik Zellhofer, 14.8.2023)