Christian Konrad
Wurde dieser Tage 80: Christian Konrad.
ROLAND SCHLAGER / APA / pictured

Markante, dominierende, ja auch umstrittene Persönlichkeiten sind heute nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft – und der Wirtschaftspolitik – seltener geworden. Das ist einfach eine Entwicklung der Zeit – die Voraussetzungen für eine Karriere in der Spitzenpolitik und auch der Wirtschaft haben sich geändert. Stromlinienförmige Kommunikationstechnik gilt als Grundvoraussetzung, und wenn man sie selbst nicht hat, dann hat man dafür Medienberater.

Legendäre Originale wie etwa die "Sozialpartnerzwillinge" Anton Benya (ÖGB-Präsident) und Rudolf Sallinger (Wirtschaftskammer) wären heute nicht mehr denkbar. Sie waren autoritär, von großem Misstrauen gegenüber den Medien erfüllt, es wäre ihnen nicht im Traum eingefallen, sich Kommunikationsberater zu halten – sie machten einfach Politik. Zwar interessenbasiert, aber aufgrund gewisser Werte. Und öfter im Konsens.

Das fällt einem ein, wenn man das Interview liest, das das Wirtschaftsmagazin Trend mit Christian Konrad, dem ehemaligen Raiffeisen-Generalanwalt und einem der mächtigsten Manager Österreichs, aus Anlass von dessen 80. Geburtstag gemacht hat. Konrad war – ist – so einer vom Schlag der dominanten Bosse, der mit seinem Durchsetzungswillen, seiner niederösterreichischen "gesunden Härte" und seinem oft scharfen Witz lange sehr einflussreich war. Die Wahrheit ist allerdings, dass Konrad immer auch von einem, wie er selbst sagt, "christlich-bürgerlichen" Ethos geprägt war (ist) und sehr viel für humanitäre und kulturelle Anliegen getan hat (tut). Dass er sich mit dem von ihm anfangs geförderten Sebastian Kurz in der Flüchtlingsfrage überwarf – oder eher Kurz mit ihm –, ist symptomatisch.

Ein in der Wolle gefärbter ÖVPler

Konrad betrachtete die Migration durchaus auch pragmatischer und realistisch. Aber er suchte nach Lösungen, die auch human waren. Er galt als ein in der Wolle gefärbter ÖVPler. Aber einer von jenem Schlag, wo die christlich-bürgerliche Werthaltung nicht unter dem seltsamen heutigen Nationalpopulismus verschwunden ist. Die heutige ÖVP glaubt, dass konservativ sein bedeutet, die äußerste nationale Rechte zu kopieren und mit ihr Bündnisse eingehen zu müssen. Siehe Johanna Mikl-Leitner in Niederösterreich und Wilfried Haslauer in Salzburg. Im Bund fährt die ÖVP unter Karl Nehammer zwar die Linie "Mit Kickl nicht!", aber sie würde mit einer FPÖ ohne Kickl (oder mit Kickl nicht in der Regierung) doch eine Koalition eingehen.

Konrad hatte für die FPÖ nie etwas übrig, weil er sowohl deren Wurzeln im Nationalsozialismus wie deren rein handwerklicher Kompetenz zutiefst misstrauisch gegenüber stand. Im Trend-Interview führt er die Polarisierung der Gesellschaft, den zunehmenden Verlust von Respekt, Achtung und Rücksichtnahme auf Jörg Haider zurück, "der begonnen hat, die Politik lächerlich zu machen". Haider wollte einen anderen Staat, er wollte eine "Dritte Republik", so eine Art autoritären Führerstaat mit reichlich plebiszitären Elementen – und das ist übrigens auch das Ziel von Herbert Kickl – das er zielstrebiger angeht als der Spieler Haider.

Wann die ÖVP – und die österreichischen Wähler – das begreifen wird, ist die Frage. Österreich ist immer gut gefahren, wenn politische Kräfte und Persönlichkeiten bei aller weltanschaulichen Gegnerschaft auf ein Minimum von gegenseitiger Achtung und Kooperationsfähigkeit Wert legten. Das ist gut gegen Politik- und Demokratieverdrossenheit. Christian Konrad ist so jemand, und wahrscheinlich ginge es auch der ÖVP besser, wenn sie sich auf diese Prinzipien erinnert. (Hans Rauscher, 11.8.2023)