Die Wiener Bauordnungsnovelle geht langsam in die entscheidende Phase. Noch vor dem Sommer wurde der Entwurf veröffentlicht, bis vor wenigen Tagen konnten Stellungnahmen abgegeben werden.

Ein wesentlicher Punkt der Novelle betrifft das Wiener Garagengesetz: Hier ist ein neues Zonenmodell geplant, an dem sich die Schaffung von Pflichtstellplätzen bei Bauprojekten künftig orientieren wird. Zone 1 – orangefarben dargestellt – umfasst sehr gut ans öffentliche Verkehrsnetz angebundene Regionen; hier sollen nur noch 70 Prozent der Pflichtstellplätze laut Garagengesetz geschaffen werden müssen. In der Zone 2 sind es 80 Prozent, im restlichen Stadtgebiet bleibt es bei 100 Prozent, also ein Stellplatz je 100 Quadratmeter.

Die Stadt Wien, in drei Zonen eingeteilt.
Das geplante neue Zonenmodell für die Stellplatzverpflichtung: In orangefarbenen Zonen kann auf 70 Prozent reduziert werden, in gelben auf 80. Im Rest des Stadtgebiets bleibt es bei 100 Prozent.
Stadt Wien

Der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) erkennt darin zwar grundsätzlich einen Fortschritt und nimmt deshalb "mit Freude zur Kenntnis", dass eine "sachlich differenzierte Stellplatzverpflichtung" etabliert werden soll. Der ÖVI hatte ein Zonenmodell nach Schweizer Vorbild schließlich auch selbst bereits des Öfteren gefordert.

Doch das Ausmaß der Reduzierung geht dem Verband nicht weit genug. Man fordert deshalb "nachdrücklich" eine Adaptierung der Prozentsätze auf 30 Prozent (Zone 1), 50 Prozent (Zone 2) und 70 Prozent (Zone 3 bzw. Rest). Und man verweist auf die Stadt Zürich, wo es das Zonenmodell schon länger gibt und wo im Zentrum die Anzahl der Pflichtstellplätze um 90 Prozent auf nur noch zehn Prozent reduziert werden kann.

U-Bahn-Ausbau nicht berücksichtigt

"Verblüffend" nennt es der ÖVI in seiner Stellungnahme überdies, dass beim Zonenplan, der dem Entwurf der Bauordnungsnovelle beigefügt ist (siehe Grafik), offenbar auch auf bereits veröffentlichte Ausbaupläne der Wiener Linien nicht Rücksicht genommen wurde. Oder jedenfalls nicht alle: Der Elterleinplatz im 17. Bezirk, wo innerhalb des nächsten Jahrzehnts die U5 verkehren wird, ist in dem Plan noch gelb gefärbt und nicht orange, wie alle anderen U-Bahn-Achsen. Ebenso das Gebiet auf dem Wienerberg, wo die U2 in einigen Jahren ihre Endstation haben soll. "Anspruch dieser Novellierung muss es aber doch sein, Weichenstellungen für die Zukunft vorzunehmen", schreiben ÖVI-Bauträgersprecher Klaus Wolfinger und ÖVI-Geschäftsführer Anton Holzapfel in ihrer Stellungnahme.

Und in diesem Zusammenhang machen sie auch auf ein aktuelles Problem aufmerksam: Derzeit können viele Bauträger, auch viele gemeinnützige, bereits bewilligte Projekte nicht bauen, wegen hoher Zinsen und hoher Baukosten. Für diese "hängenden" Projekte sollte "ein einfaches Planwechsel-Verfahren zur Verfügung stehen", fordern sie – damit sie nicht mehr nach der alten, sondern bereits nach der neuen Regelung bauen und so die Stellplätze etwas reduzieren können.

Pflicht für E-Ladestationen

Geändert wird das Garagengesetz auch hinsichtlich der Ausstattung von Garagen mit E-Ladepunkten. "Beim Neubau von Wohngebäuden, die über mehr als zehn Stellplätze verfügen, ist für jeden zehnten Stellplatz mindestens ein Ladepunkt und für alle übrigen Stellplätze eine Leerverrohrung (...) zu errichten", heißt es im Entwurf. Hier sieht man beim ÖVI noch Fragen offen: Man nennt die Regelung "überschießend und vor allem in der extrem kurzen Frist (maximal ein Jahr ab Inkrafttreten der Novelle) faktisch schlichtweg nicht umsetzbar". Außerdem stelle sich die Frage, "ob die Wiener Netze in der Lage sind, den resultierenden Bedarf abzuarbeiten".

Wenig hilfreich ist es da wohl für die Immobilienwirtschaft auch, dass mit zusätzlichen Ladepunkten, also einer über diese neue Regelung hinausgehenden Anzahl, die Stellplatzverpflichtung insgesamt noch weiter reduziert werden kann – nämlich je vier Ladepunkte um einen Stellplatz, allerdings um maximal zehn Prozent.

Und für jeden Stellplatz, der über ein Car-Sharing-Angebot verfügt, reduziert sich die Zahl der Pflichtstellplätze um fünf Stellplätze. Dies deshalb, weil ein Carsharing-Angebot noch am ehesten zu einer Änderung des Mobilitätsverhaltens der Bewohner führen werde können, E-Ladepunkte hingegen wohl eher nicht, heißt es in den Erläuterungen. Die Vereinbarung mit einem Carsharing-Anbieter muss der Behörde dann im Zuge der Fertigstellungsanzeige vorgelegt werden, außerdem soll die Carsharing-Verpflichtung im Grundbuch ersichtlich gemacht werden – bei diesem letzten Punkt hegt man im ÖVI noch Zweifel bzw. ersucht um "Überprüfung der Praxistauglichkeit" dieser vorgeschlagenen Regelung.

Ausgleichsabgabe steigt auf 30.000 Euro

Für etwas Stirnrunzeln sorgt in Fachkreisen außerdem der Passus, wonach bei einer etwaigen Beendigung des Carsharing-Angebots – jedenfalls gemäß den Erläuterungen zur Novelle – die Stellplatzverpflichtung "vollumfänglich wieder auflebt" und damit also dann eventuell auch eine Ausgleichsabgabe vorgeschrieben wird. Und diese Abgabe, die zu zahlen ist, wenn die notwendige Anzahl an Stellplätzen nicht errichtet werden kann oder will, erhöht sich von maximal 18.000 auf künftig maximal 30.000 Euro je Stellplatz. Eine empfindliche Anhebung dieses Höchstsatzes – allerdings fällt sie auch deshalb so "gesalzen" aus, weil sie seit 2008 nicht erhöht wurde. (Martin Putschögl, 15.8.2023)