Das Bild zeigt LTT-Gründer Linus Sebastian
Linus Tech Tips gesteht Fehler ein, spielte sie aber in einer ersten Reaktion noch herunter.
Youtube/Screenshot

Der Youtube-Kanal Linus Tech Tips (LTT) ist alles andere als ein unbeschriebenes Blatt: Mit mehr als 15 Millionen Abonnenten zählt er zu den beliebtesten Content-Angeboten der Videoplattform, wenn es um PC-Hardware geht. Umso schwerer wiegen die Anschuldigungen, die der Youtube-Kanal Gamers Nexus (GN) gegen das Unternehmen von Gründer Linus Sebastian erhebt: LTT und die dahinterstehende Linus Media Group (LMG) sollen in der Vergangenheit nicht nur wiederholt unsauber und manipulativ gearbeitet haben, sondern auch mit Kooperationspartnern unprofessionell umgegangen sein.

The Problem with Linus Tech Tips: Accuracy, Ethics, & Responsibility
Gamers Nexus

"Linus Tech Tips und die Linus Media Group handeln mit diesen schlechten Daten und Schlussfolgerungen auf unvorsichtige, unverantwortliche Weise. […] Diese Handlungen können im schlimmsten Fall das Lebenswerk einer Person beeinträchtigen oder – in den häufigeren Fällen – einfach die Verbraucher in die Irre führen", resümiert Steve Burke von Gamers Nexus ein rund 45-minütiges Video, das es in sich hat.

Testergebnisse falsch, Sprache manipulativ

Im ersten Teil des Videos geht es darum, dass LTT offenbar wiederholt falsche Testergebnisse veröffentlicht hat. Laut GN zeigt sich das an einer Reihe von Benchmark-Grafiken, deren Resultate gar nicht stimmen können, darunter der Leistungsvorsprung einer Grafikkarte gegenüber der Vorgeneration von 300 Prozent. Tatsächlich habe man aber nur wenige Beispiele herausgepickt, weil sich solche Fehler "in fast jedem Test oder technischen Video von LTT" finden ließen, so Burke.

In einem anderen Beispiel wird hervorgestrichen, dass LTT auch sprachlich manipulativ agiere, wenn es darum geht, bestimmte Produkte oder Marken besser dastehen zu lassen als die Konkurrenz. In diesem Zusammenhang wird auf die Vorstellung einer Grafikkarte des Herstellers Asus von ShortCircuit, einem weiteren Youtube-Kanal der LMG, verwiesen: Nicht nur, dass die 600 Dollar teure Grafikkarte als günstig und recht simple Bestandteile als besonders bezeichnet werden. Der Hersteller wird auch so hervorgehoben, als würden seine Grafikkarten immer "großartig" performen.

Das ist insbesondere deshalb bemerkenswert, weil LTT in der Vergangenheit nahelegte, dass man genauer und schneller arbeite als andere Youtube-Kanäle, und dabei Konkurrenten GN namentlich nannte. LTT habe sogar ein eigenes Testlabor ins Leben gerufen, das sich ausschließlich auf Produkttests konzentriere, und behauptet, dass für jeden Benchmark alle Werte erneut ermittelt würden. Stimmt nicht, behauptet wiederum GN und will das mit Benchmark-Grafiken belegt haben.

Die Maus, die nicht gleiten will

Zwei weitere Fälle aus dem Video von GN sorgen für Irritation – und legen auch den unprofessionellen Umgang LTTs mit seinen Kooperationspartnern nahe. So wurde auf dem Kanal ShortCircuit eine Gamingmaus verrissen, weil sie nicht die Gleiteigenschaften aufwies, mit denen sie beworben worden war. Vermeintlich logisches Fazit: keine Kaufempfehlung.

Tatsächlich aber hatte man vergessen, entsprechende Schutzfolien an der Unterseite der Maus zu entfernen, weshalb die Gleiteigenschaften offenbar verfälscht waren. Nach anfänglichem Dementi und langen Diskussionen gestanden die Verantwortlichen den Fehler ein und korrigierten das inhaltlich falsche Video.

Der versteigerte Kühlblock

Noch schwerwiegender ist in diesem Zusammenhang der Test eines Kühlblocks für eine Wasserkühlung, mit der man Grafikkarten kühlt. Linus Sebastian, der Gründer selbst, zeichnete sich für den Verriss des Produkts auf LTT verantwortlich und riet entschieden von einem Kauf ab, weil das Produkt nicht nur zu teuer sei, sondern nicht einmal richtig funktioniere. Wie man sich fast schon denken kann, eine weitere Fehleinschätzung.

Who let them do this?? - The $800 Solid Copper Cooler
Linus Tech Tips

Tatsächlich wurde der Kühlblock mit einer Grafikkarte getestet, für die das Produkt nicht vorgesehen ist, weil die verwendete GPU aufgrund ihrer Spezifikationen deutlich schwieriger zu kühlen ist. Obendrein ist aus dem Testvideo auch ersichtlich, dass der Block falsch installiert wurde, weshalb er selbst bei einer "richtigen" GPU nicht wie vorgesehen hätte funktionieren können.

Es kommt noch schlimmer: Dummerweise stellte das Start-up Billet Labs LTT seinen besten Prototyp für den Test zur Verfügung, den es bis heute nicht zurückerhalten hat. Grund: LTT hat den Kühlblock auf einem eigenen Event für einen guten Zweck versteigert – auf dem übrigens auch potenzielle Konkurrenten von Billet Labs anwesend waren.

LTT-Gründer lenkt erst spät ein

Wo gehobelt wird, da fallen eben Späne. So könnte man die erste Reaktion von Gründer Linus Sebastian auf das GN-Video in Kurzform umschreiben. Er räumt in einem Forenbeitrag organisatorische Schwierigkeiten in seiner Firma ein, erklärt zugleich aber, dass solche Fehltritte Ergebnis eines rasanten Wachstums seien.

Auch entschuldige er sich dafür, den Kühlblock von Billet Labs durch den Test in ein schlechtes Licht gerückt zu haben. Man werde das Start-up für den Prototyp entschädigen, neu testen werde man das Produkt nicht mehr. In seinem Statement kritisiert Sebastian allerdings, dass GN vor der Veröffentlichung des Videos keinen Kontakt für eine Stellungnahme gesucht habe.

What do we do now?
Linus Tech Tips

Ganz anders klingt hingegen das, was nur wenige Stunden danach auf dem Youtube-Kanal selbst veröffentlicht wurde: In einem 20-minütigen Video gehen Sebastian und die Verantwortlichen des Unternehmens ausführlich auf die Kritik ein. Demnach setzt das Team rund um LTT die Veröffentlichung von Videos für die kommende Woche aus, um seine Abläufe zu überdenken und Lösungen für die Probleme zu finden, die GN bemängelte.

GN will nicht mehr reagieren

Im Rahmen eines üblichen News-Beitrags ließ es sich GN nicht nehmen, auf Sebastians ersten Kommentar zu reagieren. Ein letztes Mal, wie es scheint, denn "wenn LTT einen neuen PR-inspirierten Kommentar veröffentlicht, werden wir wahrscheinlich nicht mehr antworten". Dabei ging Steve Burke vor allem darauf ein, dass Billet Labs erst nach der Veröffentlichung des Videos von LTT kontaktiert worden sei und ein Angebot zur Erstattung des Prototypenwerts erhalten habe.

Auch das präsentiert sich anders, als es Sebastian ursprünglich darstellte. Die Begründung dafür findet sich erst im darauffolgenden Video von LTT, wonach man bei Billet Labs einen falschen Kontakt zur Klärung der Angelegenheit addressiert habe. Ganz einig scheint sich die Community zu den Vorwürfen nicht zu sein: Während die User auf Reddit eher GN (und Billet Labs) zustimmen, fallen die Reaktionen in den offiziellen LTT-Foren gemischter aus. (bbr, 16.8.2023)