Ein Gaskraftwerk in Wien-Donaustadt mit rauchendem Schlot.
APA/ROLAND SCHLAGER

Österreich ist meilenweit von seinen Klimazielen entfernt. Dieser Satz gilt weiterhin – und doch zeigen die neuen Zahlen, die das Umweltbundesamt an diesem Donnerstag vorgelegt hat, dass sich etwas bewegt. Die Emissionen sanken im Jahr 2022 um etwa 6,4 Prozent. Das ist deutlich mehr, als aus bisherigen Analysen hervorgegangen war.

"Die aktuellen Berechnungen des Umweltbundesamts zeigen, dass erstmals die Emissionen nicht nur in der Prognose sinken, sondern auch in der Realität", kommentierte Klima- und Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) die Veröffentlichung. Das Klimaticket für den öffentlichen Verkehr, der Ausbau der Erneuerbaren, die Sanierungsoffensive und die Anreize für eine grünere Industrie würden zu wirken beginnen. Diesen Kurs gelte es jetzt fortzusetzen.

Würden die Emissionen wie im vergangenen Jahr weitersinken, wäre Österreich auf dem Zielpfad zur Klimaneutralität bis 2040 – die Vorausschau steht allerdings im Konjunktiv. Damit die Zahlen weiterhin sinken, bräuchte es umfassende klimapolitische Maßnahmen. Diese lassen derzeit auf sich warten.

Video: Treibhausgasemissionen auf niedrigstem Wert seit Berechnungsbeginn
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Hohe Energiepreise

Der CO2-Ausstoß sank 2022 in allen Bereichen, also Industrie, Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft. "Es ist das erste Mal, dass ich solche Zahlen für alle Sektoren präsentieren kann", sagt Günther Lichtblau vom Umweltbundesamt. Die Emissionen von Industrie- und Energieanlagen gingen um über sieben Prozent zurück. Fünf Prozentpunkte davon sparten die Stahlerzeugung, die Rohölverarbeitung und der niedrigere Erdgasverbrauch der Pipelinekompressoren.

Die Emissionen des Verkehrs sanken im Vergleich zu 2021 um 4,5 Prozent – und sind damit gleich hoch wie im Lockdown-Jahr 2020. Im Vergleich zu 1990 sind die Emissionen im Verkehr dennoch um etwa die Hälfte gestiegen, betont der VCÖ in einer Reaktion auf die neuen Zahlen.

Im Gebäudebereich sanken die Emissionen 2022 noch deutlich stärker, um 16 Prozent. Allerdings dürften die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine ins Gewicht fallen. Die Preise für Erdgas schnellten in die Höhe, Menschen heizten weniger als in den Vorjahren. Dazu kam ein milder Winter, der den Heizbedarf senkte.

"Die Bilanz wird sicher wieder in die Höhe gehen, wenn es kälter wird und die Energiepreise sinken", so Lichtblau. "Allerdings erklären diese Faktoren den starken Rückgang bei weitem nicht." Dieser würde zeigen, dass klimapolitische Maßnahmen zu wirken beginnen. Allerdings müsse jetzt viel passieren, damit das Tempo gehalten werden könne.

Szenario sieht Klimapolitik nicht auf Kurs

Wie viel derzeit wohl auf das nötige Tempo fehlt, zeigt ein Szenario, das das Umweltbundesamt im Juli veröffentlichte. Es prognostiziert, wie sich Österreichs Emissionen mit den derzeit geplanten Maßnahmen entwickeln würden. Das Ergebnis: Es bleibt eine Lücke zum EU-Ziel. Dieses gibt vor, dass Österreich bis 2030 mindestens 48 Prozent seiner Emissionen im Vergleich zu 2005 einsparen muss. Doch selbst wenn alle aktuell geplanten Gesetze auch tatsächlich umgesetzt werden – hier wird etwa auch das Erneuerbare-Wärme-Gesetz mitgerechnet, das noch im Parlament festhängt –, würde Österreich seine Emissionen bis 2030 um nur 35 Prozent reduzieren. Auf das EU-Ziel würden damit noch zusätzliche 13 Prozent fehlen. Wie das gelingen soll, ist offen.

Dazu will sich das Klimaministerium nun Vorschläge einholen: Es hat eine öffentliche Konsultation zu der Frage gestartet, wie die Lücke geschlossen werden soll – und die Reduktion von 2022 fortgesetzt werden kann. "Klimaschutz als Marathon und nicht als Sprint heißt, dass es jedes Jahr Maßnahmen braucht bis 2040, um diese Entwicklung fortzuschreiben", so Gewessler.

Wifo prognostizierte Anstieg 2024

Auch das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) hatte für 2022 einen leichten Rückgang der Emissionen prognostiziert. Allerdings sagte es vergangenen Dezember auch: Schon 2024 könnte der CO2-Ausstoß wieder leicht ansteigen. Als einen der Gründe nennt das Wifo die Erwartung, dass die Benzin- und Dieselpreise dann wieder deutlich günstiger werden – und der Verbrauch anzieht.

Ob die Prognose aufrecht bleibt, soll sich Anfang Oktober zeigen, dann veröffentlicht das Institut seine neue Einschätzung. "Generell ist bei Emissionen große Varianz möglich", so Mark Sommer, der für das Wifo an den Emissionsprognosen arbeitet. "Es braucht nur ein großer Player wie die Voest ein gutes Quartal zu haben oder der Kraftstoffexport wegen den Preisunterschieden zu sinken. Das kann schon einen Prozentpunkt ausmachen."

Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur, erwartet, dass diese Art von Rückgang einmalig bleibt – es sei denn neue politische Meilensteine würden beschlossen. Denn die hohen Energiepreise von 2022 gaben nicht nur einen starken Anreiz zum Energiesparen. Sie hätten in Kombination mit Tankrabatten im benachbarten Ausland auch den Tanktourismus in Österreich unattraktiver gemacht. Mittlerweile sei dieser Preiseffekt wieder schwächer – abzuwarten bleibt also, wie die Emissionen jetzt entwickeln. Zudem, so Steurer, seien keine klimapolitischen Durchbrüche in Sicht. "Es dürfte sich bei den neuen Zahlen deshalb um einen Ausreißer handeln, auf dem man sich nicht ausruhen sollte." (Alicia Prager, 17.8.2023)