Es sind turbulente Tage bei Linus Tech Tips (LTT). Der reichweitenstärkste Hardware-Channel auf Youtube, der zur Linus Media Group gehört, musste nach einem Seitenhieb auf die Konkurrenz massive Kritik einstecken. Nachdem man behauptet hatte, dank des aufgestockten Testlabors umfangreichere Daten und gründlichere Untersuchungen zu liefern als der Mitbewerb, wurden öffentlich zahlreiche Verfehlungen von LTT und anderen Kanälen der Gruppe dokumentiert.

Insbesondere ein Video des Gamers-Nexus-Gründers Steve Burke geht hier ins Detail und dokumentierte zahlreiche Probleme, reichend von offensichtlich falschen Daten über Messfehler bis hin zu klaren Anwendungsfehlern und ethisch fragwürdigen Vorgängen. Nachdem Linus Sebastian, Gründer von Kanal und Unternehmen, in einer ersten Reaktion noch ein trotziges Statement veröffentlicht und wenig Einsicht gezeigt hatte, folgte wenige Stunden später ein Video mit ihm und anderen führenden Personen aus der Firma. Darin lieferte man eine Entschuldigung und gelobte Besserung. Weiters kündigte man eine einwöchige Veröffentlichungspause an, in der man die eigenen Arbeitsabläufe und Strukturen untersuchen und überarbeiten wolle. Danach soll, zumindest für einige Zeit, auch die Frequenz an Publikationen neuer Videos gesenkt werden.

Die Hoffnung, dass sich damit vorläufig die Wogen glätten, geht allerdings nicht auf. Im Lichte der Kontroverse ist nun auch eine ehemalige Mitarbeiterin mit schweren Anschuldigungen an die Öffentlichkeit gegangen. Sie berichtet von einem hochproblematischem Arbeitsumfeld.

Schwere Vorwürfe

Madison Reeve war einige Monate bei der Linus Media Group und sollte die Social-Media-Agenden übernehmen. Laut ihr wurden drei Tweets, zwei Instagram-Postings sowie zwei Tiktok-Videos als tägliches Minimum verlangt. Dazu kamen außerdem zwei Exklusivvideos pro Woche, die sie für die Plattform Floatplane drehen sollte. Letzteres habe sich als besonders schwierig erwiesen, weil sie um die Zeit für den Auftritt von Mitarbeitern kämpfen musste, die ohnehin schon Schwierigkeiten damit hatten, ihre eigenen Aufgaben rechtzeitig zu erledigen.

Daneben sollte sie außerdem auch die Ideen, Umsetzung und Planung für sämtliche gesponserte Inhalte abseits von Youtube übernehmen. Gleichzeitig sei ihr mitgeteilt worden, sie habe einen "lustigen Job" und solle sich daher nicht beschweren. Ob diese Anforderungen heute noch so seien, könne sie nicht beurteilen, allerdings sehe es so aus, als würde sich in der Linus Media Group nunmehr ein ganzes Team die Aufgaben teilen, die sie zuvor alleine innehatte. Als sie damals die hohe Arbeitslast angesprochen hatte, sei ihr noch mitgeteilt worden, dass sie bloß schlecht im Zeitmanagement sei. "Niemand hat eine Pause bekommen", beschreibt sie die Situation, die sie unter anderem dem starken Fokus auf hohen Content-Output anstelle von Qualität zuschreibt.

Madison Reeve in einem Twitch-Stream
Die ehemalige LMG-Mitarbeitern Madison Reeve ist heute unter anderem als Games-Streamerin tätig.
Madison Reeve/Twitch/SuopOnTwitch

Sie habe sich auch erst jetzt zu Wort gemeldet, da sie davor Nachteile für ihre weitere berufliche Laufbahn gefürchtet hatte, zudem von der LTT-Community massiv verbal angegriffen und mit dem Tod bedroht worden sei. "Bestimmte Mitglieder des oberen Managements" hätten ihre Arbeit zudem immer wieder schlechtgeredet. Bei Beschwerden sei ihr mitgeteilt worden, sie solle doch mehr Durchsetzungswillen zeigen, nur um dafür wiederum als "herrisch" kritisiert zu werden. Nachdem sie gemeldet hatte, dass sie mehrfach im Büro begrapscht worden sei, waren ihr zudem weitere Auftritte in Videos untersagt worden.

Auch ihr Arbeitsvertrag habe letztlich ganz anders ausgesehen, als ursprünglich vereinbart. Ihr sei mitgeteilt worden, sie müsse ihren Patreon-Auftritt schließen, könne aber ihren privaten Youtube-Kanal weiter monetarisieren und damit auch auf Floatplane partizipieren. Das wäre aber auf einmal nicht mehr gültig gewesen, wie sie erst nach Abschluss ihrer Visum-Angelegenheiten und dem Umzug aus einem anderen Land erfuhr.

Neuer CEO verspricht umfangreiche Aufklärung

Gegenüber "PC Gamer" reagierte Neo-CEO Terren Tong, der Anfang Juli die Rolle des Geschäftsführers von Linus Sebastian übernommen hat. Sebastian selbst hatte den Wechsel in die Wege geleitet, da er selbst als "Chief Vision Officer" wieder mehr zur inhaltlichen Entwicklung der LMG-Kanäle beisteuern wollte und sich zunehmend von den Managementaufgaben überfordert fühlte.

"Ich war schockiert, als ich diese Vorwürfe gelesen habe", so Tong, dessen Botschaft in weiterer Folge auch von LTT per Twitter veröffentlicht wurde. "Diese passen nicht zu den Werten unseres Unternehmens und meiner Erfahrung mit dem Team in den sechs Wochen, die ich dort bin. Wir brüsten uns damit, ein sicheres und inklusives Arbeitsumfeld zu erhalten."

Zusätzlich zu den existierenden Kanälen zur Meldung von Vorfällen, was sowohl namentlich als auch anonym möglich sei, habe man nun "proaktiv alle Teammitglieder ermutigt, jegliches Mobbing oder Belästigungen zu melden, damit wir schnell und entschieden Maßnahmen ergreifen können."

Er versprach weiters, dass die Personalabteilung eine "gründlichere Untersuchung" von Reeves Vorwürfen vornehmen wird. Zudem werde man einen externen Ermittler bezahlen, der sich damit befassen soll. Die Erkenntnisse sollen ebenso veröffentlicht werden wie alle Maßnahmen, die man in weiterer Folge ergreifen wird. (gpi, 17.8.2023)