Mit Goldfolie umkleidete Landefähre in einem Reinraum, umgeben von Menschen.
Die russische Mondlandefähre Luna-25 am 13. Juli 2013 im Kosmodrom Wostotschny, etwa 180 Kilometer nördlich von Blagoweschtschensk.
AFP/Russian Space Agency Roscosm

Für die meisten kam der Start der Mondsonde Luna-25 durch die russische Weltraumorganisation Roskosmos überraschend. Eigentlich hatte die indische Mondfähre Chandrayaan-3 sich zum Ziel gesetzt, nicht nur die erste indische Mondlandung durchzuführen, sondern auch erstmals den Südpol des Mondes aus der Nähe zu erkunden. Sie erreichte am 5. August wie geplant die Mondumlaufbahn. Der russischen Sonde, die fast einen Monat später gestartet war, gelang das am 16. August. Dennoch sollte Luna-25 dem indischen Projekt bei der Landung zuvorkommen.

Doch nun werden Schwierigkeiten gemeldet. Am Samstag um 13.10 Uhr mitteleuropäischer Zeit hätte die russische Sonde in eine neue Umlaufbahn eintreten sollen, um sich für die Landung vorzubereiten. Doch dabei gab es offenbar ein Problem. "Während der Operation kam es an Bord der automatischen Station zu einer außerplanmäßigen Situation, die es nicht erlaubte, das Manöver unter den vorgegebenen Parametern auszuführen", teilte die russische Raumfahrtorganisation Roskosmos mit. Man sei dabei, das Problem zu analysieren.

Indische Forschende gaben sich zuvor entspannt: "Im großen Rahmen der Erkundung des Weltraums wird die Reihenfolge der Ankunft keine große Veränderung darstellen", wird Chrisphin Karthick vom Institut für Astrophysik in Bangalore in indischen Medien zitiert. Für die Weltraumforschung an sich stelle eine zusätzliche Sonde aber einen Gewinn dar.

Mondoberfläche mit Solarpaneelen der Landefähre im Vordergrund.
Ein Bild der Mondoberfläche, aufgenommen von der indischen Sonde Chandrayaan-3 am 5. August.
via REUTERS/ISRO

Das überraschende Überholmanöver habe seinen Grund im Gewichtsunterschied zwischen den Sonden und im größeren Treibstoffvorrat der russischen Rakete. Luna-25 wiegt 1.750 Kilogramm, Chandrayaan-3 mit 3.800 Kilogramm mehr als doppelt so viel. Die russische Mission war dadurch in der Lage, eine direktere Route einzuschlagen, erklärt ein Vertreter der indischen Weltraumagentur ISRO. Der indische Zugang, der auch die ökonomische Realität im Blick habe, sei allerdings der richtige, sagt Karthick. "Kosteneffizienz zu berücksichtigen wird uns nicht davon abhalten, nach den Sternen zu greifen."

Nationales Kräftemessen

In Indien bemühte man sich also, den Eindruck eines Wettrennens zu vermeiden. Für das russische Weltraumprogramm war der Wettstreit mit anderen Nationen allerdings immer wieder ein wichtiger Faktor. In der Anfangszeit der Raumfahrt lieferten sich die USA und die Sowjetunion ein intensives Rennen um die Meilensteine der Raumfahrt. Russland brachte mit Sputnik den ersten Satelliten ins All, der erste Mensch in der Erdumlaufbahn, der Russe Juri Gagarin, war 1961 ein Schock für die US-Weltraumambitionen. Auch der erste Weltraumspaziergang ging auf das Konto der Sowjetunion, erst mit dem Apollo-Programm und der ersten bemannten Mondlandung übernahmen die USA die Führungsrolle. Die letzte russische Mondlandung gelang der Roboter-Sonde Luna-24, die in den 1970er-Jahren auch Proben mit Mondgestein zur Erde zurückbrachte.

Luna-25 Fotos vom Mond
Inzwischen hat Luna-25 auch Bilder vom Mond zur Erde geschickt. Hier ist der Zeeman-Krater auf der Rückseite des Mondes zu sehen.
via REUTERS/ROSCOSMOS

Bei Luna-25 war eigentlich die europäische Weltraumorganisation Esa mit im Boot. Der ursprünglich geplante Start im Jahr 2012 hatte sich verzögert. Im April 2022 beendete die Esa die Zusammenarbeit. Zwei weitere gemeinsame Sonden waren geplant, allesamt mit europäischen Komponenten. Die Esa hat ihre Hardware inzwischen wieder zurückgeholt, in Russland hat man offenbar Ersatz gefunden.

Überraschung bei Fachleuten

Manuel Scherf vom Institut für Weltraumforschung der österreichischen Akademie der Wissenschaften, der immer wieder mit russischen Forschenden kooperierte, ist überrascht von dem schnellen Start der russischen Sonde, über den er nicht informiert war. "Ich habe nicht damit gerechnet, muss ich sagen", sagt Scherf. Er glaubt, dass es in Russland auch darum ging zu zeigen, dass man es aus eigener Kraft schafft, "gerade weil sie in letzter Zeit Probleme hatten, Weltraummissionen wirklich dorthin zu bekommen, wo sie hinsollten. Der letzte erfolgreiche Start aus dem Erdorbit ist ja auch schon zehn Jahre her."

Verschiedene Raumfahrtkooperationen gerieten seit 2022 aufgrund des Ukrainekriegs unter Druck oder zerbrachen gänzlich. Für Europa ist Russlands Ausstieg aus der Exomars-Mission besonders schmerzhaft. Auch Scherf persönlich verlor Forschungskooperationen und ganz konkret ein Projekt mit dem Wissenschaftsfonds FWF.

Letztes Jahr drohte Russland, aus der Kooperation um die internationalen Raumstation ISS auszusteigen und eine eigene Raumstation ins All zu bringen. Davon ist inzwischen keine Rede mehr, Russland ist nach wie vor auf der ISS vertreten. Unlängst erschien sogar ein russischer Kinofilm, der auf der ISS gedreht wurde. Nun soll die Landung von Luna-25 die russischen Weltraumambitionen neu beleben. Sogar von einer permanenten, bemannten Mondbasis ist die Rede.

Mondoberfläche mit Markierungen bisheriger Landeplätze
Die Stellen, an denen menschliche Sonden oder Raumfähren auf dem Mond landeten: Rot sind die russischen Landepunkte vermerkt, gelb jene der Surveyor-Mission der US-Weltraumorganisation Nasa. Grün sind die Orte markiert, an denen im Rahmen des Apollo-Programms Menschen auf dem Mond landeten.
National Space Science Data Center

Aus wissenschaftlicher Sicht ist der Pol des Mondes wegen der möglichen Verfügbarkeit von Wasser interessant. "Ende der 90er-Jahre, zu Beginn der 2000er-Jahre hat die Nasa-Raumsonde Lunar Reconnaissance Orbiter Wasser gefunden", erzählt Scherf. Man sei vorher davon ausgegangen, dass der Mond im Großen und Ganzen trocken ist. "Aber es gibt Mondkrater vor allem an den Polen, in denen permanent Schatten ist, und da hat sich offenbar Wasser gesammelt", sagt der Forscher. Das Wasser liege nicht als Eis vor, sondern sei im Mondgestein gebunden.

Wasser für Mondstationen

Wasser wäre ein entscheidender Faktor für künftige permanente Siedlungen auf dem Mond, die auch von US-Seite und vonseiten Chinas geplant sind. Wasser müsste nicht von der Erde mitgebracht werden, sondern ließe sich vor Ort gewinnen. Zudem könnte durch die Aufspaltung des Wassers in seine chemischen Bestandteile auch Sauerstoff zum Atmen gewonnen werden. Russland plant ebenfalls eine Mondbasis, die bis 2040 errichtet werden soll. Direkt auf dem Pol werden aber Scherf zufolge eher keine Mondbasen entstehen, weil die Region zu schattig sei.

Sind diese Ankündigungen ernst gemeint, könnte ein Wettrennen um den Mond bevorstehen, das jenes aus den 1960er-Jahren in den Schatten stellen würde. Die Vorbereitungen schreiten jedenfalls voran, kürzlich hat der Mond ein eigenes Zeitsystem bekommen, um die erwarteten zahlreichen Aktivitäten zu koordinieren. Die USA planen mit Artemis 3 bereits 2025 eine Landung auf dem Südpol. (Reinhard Kleindl, 20.8.2023)