Goldschatz von Ebreichsdorf in Niederösterreich
Der restaurierte Goldschatz von Ebreichsdorf: Trinkschale, Goldspiralen und die Überreste goldener Textilien.
NHM Wien/Alice Schumacher

Ein einzigartiger Schatz aus Österreich wurde vor zwei Jahren weltbekannt: Im niederösterreichischen Ebreichsdorf förderten Archäologinnen und Archäologen einen Goldfund zutage. Arbeiten an einer neuen Bahnstrecke ermöglichten die Entdeckung mehrerer 3.000 Jahre alter Gegenstände aus Gold. "Alle hundert Jahre findet man vielleicht solche Objekte", sagt Murat Yasar vom Bundesdenkmalamt, der für die Konservierung und Restaurierung des Schatzes zuständig war. Die Objekte wurden im März 2020, zu Beginn des ersten Corona-Lockdowns, aus der Erde geborgen, was auch zu einigen Verzögerungen in den Untersuchungen führte. Nun haben zahlreiche Analysen dem Schatz das eine oder andere Geheimnis entlockt, seit dem 18. August ist er im Naturhistorischen Museum Wien (NHM) ausgestellt.

Glanzstück des Schatzes aus der Spätbronzezeit ist eine Schale aus Goldblech. Sie ist detailreich verziert, unter anderem mit einem Sonnenmotiv. Dies deutet darauf hin, dass die Trinkschale wohl als Kultgegenstand genutzt wurde, wie auch immer ein damals verbreiteter Sonnenkult konkret ausgelebt wurde. Gold mit seiner beständigen Farbe ist nicht nur ein seltenes, sondern auch ein weiches Metall, was bei der langen Lagerung in einem Acker und bei der Ausgrabung problematisch war: Ein Teil der Schale ist abgebrochen und sie wurde verformt. Dass die mit Erde verkrustete Goldschale beim Abtragen des Bodens durch einen schweren Bagger erkannt und gesichert wurde, grenze "an ein archäologisches Wunder, das nur den aufmerksamen Augen zweier Grabungsmitarbeiter zu verdanken ist", formuliert es Michaela Binder. Die Archäologin von der Firma Novetus begleitet als Projektleiterin die archäologischen Untersuchungen. Eine Replik aus Messing zeigt nun, wie die Schale in unbeschädigtem Zustand aussehen würde.

Goldschatz Ebreichsdorf Niederösterreich, Replik der Schale und das Originalobjekt
Die Rekonstruktion der Schale wurde der ÖBB als Dank für die Goldschenkung geschenkt.
NHM Wien/Alice Schumacher

Glücksfall für die Forschung

Bekannt waren derartige Goldschalen vor allem aus Nordeuropa, auch im Osten des Kontinents und in Spanien gibt es ähnliche Objekte. "Das Problem dabei: Das sind Altfunde aus Grabungen, die nach heutigen Vorstellungen unsachgemäß durchgeführt wurden", sagt Binder im STANDARD-Gespräch. Der Kontext des Fundes wurde kaum dokumentiert, die Schätze rasch gereinigt. Die niederösterreichische Goldschale sei also nicht nur ein einzigartiger Fund für Zentraleuropa, sondern auch generell: "Es ist ein Glücksfall, dass wir erstmals die Chance hatten, das mit modernen archäologischen Methoden auszugraben und zu erforschen – und noch dazu eine flächig ausgegrabene Siedlung daneben zu haben." Aus ganz Europa gibt es Alexandra Krenn-Leeb zufolge "45 bis 50 Fundkomplexe, die Gold in dieser Menge und Masse aufzeigen". Die Wissenschafterin von der Universität Wien kümmerte sich um die kulturwissenschaftlichen Analysen der Objekte.

Zum Goldschatz gehören außerdem zwei ineinandergehängte Spiralringe, die sich beim Fund in der Schale befanden, sowie drei Bündel Goldspiralen. Besonders sind auch die Überbleibsel von Textilien, die mit feinen Goldfäden und Golddrähten versehen waren, Golddrähte wurden wahrscheinlich um Stofffransen gewunden. Vom organischen Material sind darüber hinaus keine Spuren übrig geblieben.

Inspirierende Ästhetik

Bei der offiziellen Schenkung von der ÖBB an das NHM am Freitag erwähnte Katrin Vohland, wissenschaftliche Geschäftsführerin des NHM, dass sich der Bau neuer Bahninfrastruktur bereits zuvor positiv auf das Museum ausgewirkt habe: "Schon die Venus von Willendorf wurde bei Bauarbeiten für die Trasse der Wachau-Bahn entdeckt." Nun war es der zweigleisige Ausbau der Pottendorfer Linie von Wien-Meidling nach Wiener Neustadt, der auf dem Areal des Bahnhofs Ebreichsdorf eine bedeutsame Siedlung aus der Bronzezeit ans Tageslicht brachte.

Das Bündel ehemaliger Goldtextilien wird zum Transport in die Museumsvitrine auf ein Kissen gebettet.
Sorgsam wurde der Goldschatz nach der offiziellen Schenkung in eine Vitrine ins Goldkabinett des Naturhistorischen Museums gebracht.
APA/GEORG HOCHMUTH

"Im Verlauf der Geschichte spielte und spielt Gold mit seiner sonnengleichen Farbe eine große Rolle im rituellen Bereich und war neben der religiösen Sphäre oft nur Kaisern, Königen und den höchsten Würdenträgern vorbehalten", sagt Karina Grömer, die Direktorin der Prähistorischen Abteilung am NHM, die maßgeblich an den Untersuchungen des Goldschatzes beteiligt war. Aus diesem Grund dürfte auch eine potenzielle Trägerin oder ein Träger des goldenen Gewands, zu dem wohl eine Art Schal gehört, eine außerordentliche Stellung in der Gemeinschaft eingenommen haben. Kunstvoll und spezialisiert seien die Fundstücke verarbeitet worden, betont die Expertin für archäologische Textilien: "Die Gestaltung der Objekte zeugt von einem Sinn für Ästhetik, der auch heute noch die Menschen tief berührt und inspiriert."

Gold aus dem Riesengebirge

Die Analysen des Goldschatzes lieferten bemerkenswerte Details. So handelt es sich beim Material nicht um bergmännisch abgebautes Gold, sondern um sogenanntes Flussgold, das in fließenden Gewässern gesammelt wurde. Es stammt aus einem etwa 400 Kilometer entfernt liegenden Gebiet in Tschechien oder Deutschland, das zur Böhmischen Masse oder dem Riesengebirge gehört. Auch die genauen Bearbeitungstechniken wurden ermittelt. Allein die Goldschale wurde mit etwa 1.500 Punzen, also Einprägungen, verziert. Ihr Gold unterscheidet sich von den anderen Objekten durch einen leichten Rotstich, erklärt Binder: "Es wurde zusätzlich mit Kupfer behandelt. Da vermuten wir, dass es aus ästhetischen Gründen anders aufbereitet wurde." Wo sie hergestellt wurden, ist unklar – an verschiedenen Stätten wurde wohl mit ähnlichen Mustern gearbeitet.

Goldschatz Ebreichsdorf Niederösterreich
Bei den goldenen Spiralen könnte es sich um ein bronzezeitliches Pendant zu Goldbarren gehandelt haben.
NHM Wien/Alice Schumacher

Die Erwartungen an die DNA-Analyse wurden leider nicht erfüllt. Dadurch hätte das Forschungsteam gern herausgefunden, in welches Trägermaterial die erhaltenen Goldfäden eingearbeitet waren, etwa, ob es sich um einen tierischen oder pflanzlichen Stoff handelte. "Wenn man heute selbst DNA aus Neandertaler-Höhlen gewinnen kann, warum nicht auch hier?" Doch die Bedingungen im Ebreichsdorfer Boden waren offenbar nicht gut genug, um das Erbmaterial über die Jahrtausende zu erhalten. Immerhin ließ sich feststellen, dass mehrere Webtechniken eingesetzt wurden und es sich um mindestens drei verschiedene Textilien handelt, die sehr kompakt zusammengefaltet und als Bündel von einem Goldband zusammengeschnürt wurden.

Bulgarischer Rekordhalter

Im Goldkabinett des Museums können sich Interessierte die wertvollen Objekte nun aus der Nähe ansehen. Dort sind sie umgeben von weiteren Goldschätzen: Die Funde vom Arikogel in Oberösterreich in der Umgebung von Hallstatt kommen auf ein ähnliches Alter, die Goldspiralen sind ähnlich gestaltet. Etwa doppelt so alt sind die Goldscheiben von Stollhof in Niederösterreich, die in dieser Hinsicht nur von wenigen Funden übertroffen werden. Erst 2022 wurden in Rumänien in einem Frauengrab 169 Goldringe, die auf ein Alter von 6.500 Jahren datiert wurden, entdeckt. Den ältesten Goldschatz der Welt findet man im bulgarischen Varna: Er hat mit etwa 6.650 Jahren ein höheres Alter als die Schätze Mittelamerikas und Ägyptens. Auf dem Gräberfeld von Varna stieß man in mehreren Gräbern auf goldene Beigaben, ein einzelner Mann wurde mit fast 1.000 Objekten, die mehr als eineinhalb Kilogramm wogen, bestattet: Von Halsketten über ein Zepter und eine verzierte Axt bis hin zu einem Gegenstand, der lange für eine Peniskappe gehalten wurde, aber wohl doch ein anderes Objekt zierte, war die Bandbreite groß.

Doch nicht nur die aufsehenerregenden Goldschätze wurden dem Naturhistorischen Museum geschenkt: Hinzu kommen mehr als 200 Bananenkisten an Fundmaterial von der Siedlungsfläche, die rund acht Hektar umfasst. Es dürfte sich um eine Ortschaft mit mindestens 15 Häusern gehandelt haben, ein erhöhtes Zentralgebäude mit zusätzlichen Pfeilern deutet auf eine Versammlungshalle hin. Tassen und andere Keramik wurden entdeckt sowie Spinn- und Webutensilien, aber auch Besonderheiten wie Saugflaschen. Ein 25 Zentimeter langes Bronzemesser ist ein Indiz für Handelsbeziehungen in den bayerischen Raum. Und ein weiterer möglicher Hinweis auf Glaubensrituale: Nadeln und Messer aus Buntmetall fanden sich im Bereich eines ehemaligen Flusslaufs und könnten Flussgottheiten dargebracht worden sein.

Rätselhafte Intentionen

"Was mich an dem Projekt am meisten fasziniert, ist, dass wir von der Fundstelle Ebreichsdorf so viel über das Leben der Menschen – über die Gemeinschaft, in der diese Goldfunde eingebettet waren, in der sie verwendet und möglicherweise verehrt wurden – aussagen können", sagt Binder. Was genau die Menschen vor 3.000 Jahren dazu bewog, den Schatz auf dem Gelände der Siedlung zu vergraben, wird sich wohl nie mit Sicherheit sagen lassen – schriftliche Aufzeichnungen gab es noch keine. Denkbar ist etwa, dass man das Ensemble zu Ehren einer Gottheit niederlegte oder aufgrund einer Gefahr versteckte.

„Der Goldschatzfund von Ebreichsdorf“ - Konservierung und Forschung - Film
23-minütiger Film auf dem Account des NHM Wien
Aenna Linzbauer/Crazy Eye 3D Studio für GKD

Weitere interessante Einblicke könnte die Untersuchung von Bodenproben liefern, in die die Universität Innsbruck involviert ist. So schnell dürfte um die Funde also keine Ruhe einkehren. "Eine Auswertung ist eigentlich nie abgeschlossen, sondern wird immer nur erweitert und verbessert", sagt auch Krenn-Leeb. Neue Funde und weiterentwickelte Methoden würden wieder und wieder Anlass geben, sich neu mit dem Goldschatz auseinanderzusetzen. (Julia Sica, 18.8.2023)