Rundfunkgebühren ziehen Sammelklagen an: Eine dieser juristischen Gemeinschaftsaktionen gegen die Mehrwertsteuer stieß gerade beim Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs auf taube Ohren. Eine weitere wegen des Datenlecks der GIS mit Meldedaten nimmt ihren Weg. Und schon überlegt ein Wiener Prozessfinanzierer mit Liechtensteiner Mutter laut, gegen den künftigen ORF-Beitrag vorzugehen.

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann vor ORF-Logo
ORF-General Roland Weißmann dürfte sich keine großen Sorgen über eine geplante Sammelklage gegen den neuen ORF-Beitrag machen. Die FPÖ allerdings will die Haushaltsabgabe gleich wieder abschaffen.
APA Eva Manhart

Ab 2024 müssen laut frisch beschlossenem ORF-Gesetz Hauptwohnsitze und Firmen eine Haushaltsabgabe von 184 Euro pro Jahr für den ORF zahlen, unabhängig von Empfang oder Empfangsgeräten.

"Stellt der Verfassungsgerichtshof fest, dass die ORF-Haushaltsgebühr unzulässig ist, haben Kunden möglicherweise Anspruch auf Rückzahlung der zu Unrecht eingehobenen Gebühr", heißt es auf der Website der LVA24 Prozessfinanzierung GmbH zu unverbindlichen Überlegungen für eine Sammelklage zur "Abschaffung" des ORF-Beitrags.

Wunsch der Höchstrichter

Der Verfassungsgerichtshof hat allerdings den Gesetzgeber in Gestalt der Regierungsmehrheit von ÖVP und Grünen erst darauf gebracht, die GIS durch einen ORF-Beitrag von allen abzulösen.

Ende Juni 2022 entschieden die Höchstrichter: Die GIS ist verfassungswidrig, weil sie wesentliche Nutzungsmöglichkeiten von der Gebührenpflicht ausnimmt. Wer ohne Rundfunkgerät nur streamte, muss keine GIS zahlen. Diese Ausnahme ließ den Verfassungsgerichtshof die GIS mit Ende 2023 kippen.

Die Höchstrichter verlangten eine unabhängige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die aber Nutzungsmöglichkeiten berücksichtigt. Eine Haushaltsabgabe dürfte diesen Anforderungen entsprechen. Zwei vom STANDARD um ihre Einschätzung gebetene, sehr sachkundige Rundfunkjuristen sehen das Modell im Rahmen der Vorgaben des Höchstgerichts. "Der VfGH hat dieses System letztlich durch seine Entscheidung vom 30. Juni 2022 nahegelegt", sagt einer.

Nie ganz auszuschließen sei, dass sich bei Details wie bei Ausnahmen von der Beitragspflicht ein juristischer Ansatzpunkt biete. Derzeit sind etwa Hörbehinderte, besonders einkommensschwache Haushalte und Einpersonenunternehmen ausgenommen. Das würde aber das grundlegende System wohl nicht infrage stellen.

Deutschland stellte schon 2013 auf eine Haushaltsabgabe um. Dort beschäftigten Zweitwohnsitze mehrfach die Instanzen. Die mit dem ORF-Beitrag befassten Autoren des Gesetzes – federführend war da das Finanzministerium – dürften sich an den deutschen Erfahrungen orientiert haben. Nebenwohnsitze sind erst gar nicht beitragspflichtig.

Ein Jurist zweifelt an der Sachkunde und Erfahrung der Autoren der Ankündigungen zu dieser Sammelklage. Eine dort erwähnte In­dividualbeschwerde gebe es nicht, und ein damit vielleicht gemeinter Individualantrag habe wenig Chancen. Der normale Rechtsweg über einen Bescheid der ORF-Gebührentochter GIS, künftig OBS, und das Bundesverwaltungsgericht sei zumutbar und eine solche Abkürzung schon formal nicht nötig.

Erst 2024 sinnvoll

Eile ist nicht geboten, sagt einer der befragten Juristen: "Das Gesetz ist noch nicht kundgemacht, es wird erst am 1. Jänner in Kraft treten, und erst dann kann man sinnvoll etwas unternehmen." Mit juristischen Maßnahmen gegen den neuen ORF-Beitrag – etwa aus der Riege FPÖ-naher Anwälte – ist dann aber durchaus zu rechnen.

FPÖ-Chef Herbert Kickl hat angekündigt, er wolle den ORF-Beitrag für alle bei Regierungsbeteiligung gleich wieder streichen und den ORF mit weniger Mitteln aus dem Bundesbudget finanzieren. (Harald Fidler, 18.8.2023)