Am kommenden Mittwoch* wird der Nationalrat mit den Stimmen von ÖVP und Grünen ein neues ORF-Gesetz mit einem neuen ORF-Beitrag für alle beschließen. Er ersetzt ab 2024 die GIS. Neu daran: Er wird unabhängig vom Empfang und von Empfangsgerät für alle Hauptwohnsitze und Firmen fällig, ausgenommen sind Einpersonenunternehmen. 

Ein ORF-Beitrag von allen finanziert ab 2024 großteils den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich – also den ORF.
APA / Eva Manhart

1. Weshalb ein neuer ORF-Beitrag statt der GIS?

Der Verfassungsgerichtshof hat 2022 auf Beschwerde des ORF hin entschieden: Die GIS ist verfassungswidrig, weil sie nur für Radio- und TV-Geräte im Haushalt eingehoben wird. ORF-Angebote können aber längst auch über Streaming genutzt werden.

Wer also einen empfangsbereiten Fernseher oder ein Radiogerät im Haushalt hat, muss GIS zahlen, auch wenn er oder sie niemals auf ORF-Kanäle schaltet. Umgekehrt kann man praktisch alle ORF-Angebote (plus eigens produzierte Podcasts und Livestreams) online nutzen und sich ganz legal die GIS ersparen. 

Das Höchstgericht hob deshalb die GIS-Regelung auf, wirksam mit Ende 2023. Ab 2024 brauchte es eine Neuregelung. Der Verfassungsgerichtshof verlangte eine unabhängige Finanzierung – Unabhängigkeit gebietet das Verfassungsgesetz Rundfunk. ÖVP und Grüne entschieden sich schließlich für eine Haushaltsabgabe wie in Deutschland seit 2013 und inzwischen auch in der Schweiz. 

2. Wann muss ich zahlen?

Für mehr als drei Millionen Haushalte ändert sich am Vorgang wenig, die bisher schon wegen empfangsbereiter Rundfunkgeräte GIS zahlen. Ihnen wird weiterhin ein Beitrag abgebucht (Lastschriftmandate und dergleichen gelten laut Gesetz weiter) oder eine Zahlungsaufforderung übermittelt. Von derselben Firma wie bisher – nur unter neuem Namen. Die GIS (Gebühren Info Service) wird in ORF-Beitrag Service GmbH umbenannt.

Die Hausbesuche mit Fragen nach Geräten entfallen mit 2024, der GIS-Außendienst wird eingespart. Die Kosten für die Einhebung durch die GIS-Nachfolgefirma soll künftig statt bisher jährlich 40 Millionen in Schritten auf 22 Millionen Euro ab 2026 sinken. 

Die GIS-Nachfolgefirma hat weiter Zugriff auf Meldedaten, im Bedarfsfall kann sie anhand der Transparenzdatenbank auch das für Befreiungsanträge geltend gemachte Haushaltseinkommen prüfen.

Die ORF-Beitrag Service GmbH wird bisherigen Nichtzahlern anhand der Meldedaten in den nächsten Monaten nach Beschluss des Gesetzes Zahlungsaufforderungen für die Zeit ab 1. Jänner 2024 übermitteln. Wer nicht zahlt, macht recht bald Bekanntschaft mit einer Innsbrucker Inkassofirma. Der weitere (Rechts-)Weg führt dann im Bedarfsfall über Bescheide, Beschwerden und Gerichte. 

Der ORF-Beitrag knüpft nur noch am Hauptwohnsitz an. Für tatsächliche Nebenwohnsitze, für die bisher GIS-Gebühren für zumindest vier Monaten pro Jahr verrechnet wurden, muss man künftig nicht mehr zahlen.

3. Wann muss meine Firma zahlen?

Unternehmen müssen künftig ebenfalls unabhängig von Empfangsgeräten ORF-Beitrag für jede Gemeinde zahlen, in der sie eine Betriebsstätte haben und Kommunalsteuer entrichten. Die Zahl der ORF-Beiträge richtet sich, wie die Kommunalsteuer, nach der Lohnsumme in der jeweiligen Gemeinde. Bis 1,6 Millionen Euro Lohnsumme im Kalenderjahr ist ein ORF-Beitrag fällig, bei mehr als 90 Millionen Euro Lohnsumme sind fünfzig ORF-Beiträge für diese Gemeinde zu zahlen.

Höchstens 100 ORF-Beiträge können von einem Unternehmer zu zahlen sein, zieht das Gesetz eine Obergrenze ein.

Einpersonenunternehmen (EPU) sind von der Beitragspflicht ausgenommen. 

3. Wie viele Haushalte und Firmen müssen künftig zusätzlich Beitrag zahlen?

Mit dem ORF-Beitrag für alle erwarten Regierung und ORF insgesamt rund 525.000 zahlungspflichtige Haushalte mehr als bisher.

Sie gehen zudem von 100.000 Firmen aus, die bisher keine GIS entrichteten, aber künftig ORF-Beitrag zahlen müssen.

4. Wer ist vom ORF-Beitrag befreit?

Wer bisher von der GIS befreit war, wird dies auch künftig beim ORF-Beitrag sein. Parameter bleibt "körperliche oder finanzielle Hilfsbedürftigkeit". Das trifft etwa auch auf seh- oder hörbehinderte Menschen zu, heißt es beim Finanzministerium. Die Regierungsvorlage erwähnt gehörlose und schwer hörbehinderte Menschen.

Die finanzielle Hilfsbedürftigkeit richtet sich nach dem Ausgleichszulagenrichtsatz (rund 1.100 Euro Nettoeinkommen, der Wert erhöht sich mit Kindern und erhöhtem Medikamentenbedarf).

Befreit sind laut Regierungsvorlage wie bisher Bezieherinnen und Bezieher von Pflegegeld (und vergleichbaren Leistungen), von Leistungen nach AMS- und Arbeitslosenversicherungsgesetz, von Studienförderungen, Sozialhilfe und ähnlichen Leistungen, neu: Lehrlinge. 

5. Wie hoch ist der ORF-Beitrag?

15,30 Euro pro Monat – so legt das Freitag zu beschließende ORF-Gesetz die Höhe des neuen Beitrags für den ORF für die Jahre 2024 bis 2026 fest. In einigen Bundesländern kommen dazu aber noch Landesabgaben auf den Beitrag.

Wer bisher GIS-Kombigebühr für TV und Radio zahlte, muss künftig ein Stück weniger als bisher überweisen.

Wer allerdings nur GIS-Radiogebühr bezahlte, muss mit merklichen Mehrkosten rechnen. Bisher beträgt die Radiogebühr – je nach Landesabgaben 6,31 Euro pro Monat bis 7,91 Euro. Mit dem ORF-Beitrag werden daraus ebenfalls 15,30 plus Landesabgaben pro Monat. Also zumindest merklich mehr als das Doppelte.

  • Der ORF erhielt bisher pro Monat – bei der Kombigebühr für TV/Radio – 18,59 Euro aus der GIS, ab 2024 nun 15,30 Euro.
  • Der Bund hat seine Abgaben auf die GIS gestrichen – Mehrwertsteuer, Kunstförderungsbeiträge, TV- und Radiogebühren, bisher immerhin 3,86 Euro pro Monat.
  • Niederösterreich hat angekündigt, seine Landesabgaben auf die GIS mit der Umstellung auf den ORF-Beitrag 2024 zu streichen. Bisher sind in Niederösterreich 28,25 Euro pro Monat fällig, künftig 15,30 Euro.
  • Oberösterreich und Vorarlberg verzichten schon bisher auf Landesabgaben auf die GIS und wollen dabei bleiben. Auch hier fallen damit 15,30 Euro pro Monat an.
  • Wien, Burgenland, Steiermark, Tirol heben ihre Landesabgaben mit einem Prozentsatz auf die ORF-Gebühr ein. Wenn der ORF-Anteil von 18,59 auf 15,30 Euro sinkt und sie bei ihren Prozentsätzen bleiben, sinkt auch hier die Gesamthöhe pro Monat – STANDARD-Prognose unten im Chart. Die Steiermark erwog zuletzt eine Reduktion. 
  • Kärnten, Salzburg heben derzeit Fixbeiträge auf die GIS ein. Hier sinkt die Gesamthöhe durch die Reduktion von ORF-Anteil und Entfall von Bundesabgaben. Kärnten finanziert mit der Abgabe etwa Musikschulen, Salzburg unter anderem Kinos, Kultur und Kriegsopfer.
Neuer ORF-Beitrag in den Bundesländern
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6. Wer bestimmt über ORF-Beitragserhöhungen?

Bis einschließlich 2026 setzt das ORF-Gesetz den Beitrag mit 15,30 Euro fest. Durch die absehbar deutlichen Mehreinnahmen aus dem neuen ORF-Beitrag ist nicht mit einer Beitragserhöhung bis 2026 zu rechnen. Zusätzlich 625.000 Zahlungspflichtige, davon 100.000 Unternehmen, die bis zu 100 Beiträge zahlen müssen, sollten dafür sorgen.

Danach muss die ORF-Geschäftsführung wie bisher spätestens alle fünf Jahre den Finanzbedarf zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags prüfen und darlegen. Wenn die Mittel aus dem ORF-Beitrag dafür nicht ausreichen, beantragt er eine Beitragserhöhung beim ORF-Stiftungsrat. Dieses oberste ORF-Gremium wird großteils von politischen Institutionen besetzt, die 35 Mitglieder haften – grob umrissen – für das wirtschaftliche Wohl des Unternehmens.

Die unabhängige Medienbehörde Komm Austria prüft den vom Stiftungsrat beschlossenen Gebührenantrag und entscheidet ebenfalls darüber.

7. Wie viel bekommt der ORF vom neuen Beitrag?

710 Millionen Euro pro Jahr sieht das neue ORF-Gesetz von 2024 bis 2026 vor, bei tatsächlich höherem Finanzbedarf gibt es Ausnahmeregelungen. 

Der ORF nahm 2022 mit der GIS 663 Millionen Euro ein, für 2023 werden 676 Millionen Euro erwartet. Die Erläuterungen zum ORF-Gesetz zeichnen den Finanzbedarf für den öffentlichen Auftrag so weiter:

  • 2024 rund 683 Millionen Euro
  • 2025 rund 705 Millionen Euro
  • 2026 rund 743 Millionen Euro

Wenn mit dem ORF-Beitrag mehr hereinkommt, als der ORF Finanzierungsbedarf für den öffentlichen Auftrag angemeldet hat, geht der Betrag auf ein Sperrkonto und wird für späteren Finanzbedarf verwendet.

8. Ist das alles, was ich für den ORF zahle?

Nicht ganz. Der ORF erhält aus dem Bundesbudget künftig 70 Millionen Euro. Damit wird der bisher etwa in diesem Umfang geltende Vorsteuerabzug des ORF abgegolten, der mit der Mehrwertsteuer auf die GIS entfällt. Für das Bundesbudget in etwa ein Nullsummenspiel. 

Zusätzlich bekommt der ORF aus dem Bundesbudget 2024 noch 30 Millionen Euro dafür, dass er das Radio-Symphonieorchester (RSO) vorerst weiterführt und ebenso ORF Sport Plus als TV-Kanal. 2025 und 2026 sind jeweils zehn Millionen budgetiert. 

Bedingung für die neue ORF-Finanzierung ist ein Sparpaket, das kumuliert über die kommenden drei Jahre 325 Millionen an Kosten im ORF kürzen soll.

9. Warum nicht gleich Budgetfinanzierung für den ORF?

FPÖ-Chef Herbert Kickl hat für den Fall seiner Regierungsbeteiligung nach der Wahl 2024 angekündigt, er wolle den ORF-Beitrag wieder streichen und den ORF aus dem Bundesbudget finanzieren, bei deutlich geringeren Mitteln für das Unternehmen. Den Plan hatte die FPÖ schon in der Regierung mit Sebastian Kurz' ÖVP. Bevor das türkis-blaue ORF-Gesetz eingebracht werden konnte, platzte die Koalition im Mai 2019 am Ibiza-Video.

Budgetfinanzierung ist eine von drei Möglichkeiten für den ORF, sie lässt sich laut kundigen Rundfunkjuristen auch ausreichend unabhängig von der (Regierungs-)Politik ausgestalten. Grundsätzlich aber gilt sie als politiknäher und politikabhängiger als Gebühren oder Abgaben, deren Höhe wesentlich vom ORF und seinen Gremien beziehungsweise unabhängigen Medienbehörden bestimmt wird. 

Auch bei einer Budgetfinanzierung tragen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Kosten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – es fällt ihnen nur nicht so auf wie bei deklarierten Zahlungen für den ORF. 

10. Warum soll ich überhaupt für den ORF zahlen?

Die Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beziehungsweise öffentlich-rechtlicher Medien sind Aufgaben im Gemeininteresse, die auch gemeinschaftlich finanziert werden wie Museen, öffentliche Schulen, öffentliche Verkehrsinfrastruktur. 

Beim ORF sind diese Aufgaben in einem sehr umfangreichen, aber doch teils recht vagen öffentlichen Auftrag im Gesetz festgelegt. Sie reichen grob von Information über Bildung und Kultur bis Sport und Unterhaltung und verlangen Berücksichtigung oder auch Förderung einer Vielzahl von Bereichen von Wissenschaft, Kunst, Kultur, alle Altersgruppen, Volksgruppen, Menschen mit Behinderung, anerkannte Religionsgemeinschaften, Verständnis für europäische Integration, wirtschaftliche Zusammenhänge, Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Konsumentinnenschutz, Sicherheit und Landesverteidigung bis Unterhaltung.

Der gesetzliche Auftrag verpflichtet auch zu den bestehenden TV- und Radioprogrammen sowie Onlineangeboten, mit dem neuen Gesetz kommen dazu eigens produzierte Streamingangebote im Newsbereich, im Sport und ein neuer Kinderkanal. (Harald Fidler, 3.7.2023)