Die Anklage gegen Sebastian Kurz ist da. Das ist eine gute und eine schlechte Nachricht: Gut ist, dass die österreichische Justiz ohne Ansehen der Person vorgeht und sich auch traut, gegen einen Ex-Bundeskanzler zu ermitteln, wenn sie Verdachtsmomente sieht. Schlecht ist natürlich, dass es überhaupt Vorwürfe gibt, dass der einst mächtigste Politiker so gehandelt haben könnte.

Eingang zum großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts in Wien.  
Der Prozess gegen Sebastian Kurz beginnt im Oktober im Straflandesgericht in Wien.
APA/GEORG HOCHMUTH

Im ersten Moment mag das Delikt, das Kurz vorgeworfen wird, nach wenig klingen. Eine Falschaussage gegenüber dem U-Ausschuss: Da floss kein Bestechungsgeld, da wurde niemand körperlich verletzt oder bestohlen. Aber der Gesetzgeber hat sich schon überlegt, warum für derartige Taten bis zu drei Jahren Haft drohen – es geht nämlich um einen Grundpfeiler der Demokratie.

Eine Lüge wäre ein schweres Foul

Im U-Ausschuss sitzen Abgeordnete aller Parteien, gemeinsam vertreten sie uns, die österreichische Bevölkerung. Das Parlament beschließt nicht nur Gesetze, es soll auch die Regierung kontrollieren. Dafür sind in schwerwiegenden Fällen Untersuchungsausschüsse da.

Wenn Ministerinnen und Minister, Kanzler und Spitzenbeamte dort erscheinen müssen, dann haben sie ihr Handeln offenzulegen und zu erklären. Dementsprechend ist eine Lüge, eine Auslassung oder eine lückenhafte Aussage ein schweres Foul an der Demokratie.

So viel zum Allgemeinen, jetzt zum Speziellen – zu Sebastian Kurz. Es ist recht offensichtlich, dass die Art und Weise, wie Thomas Schmid zum Chef der Staatsholding Öbag wurde, sehr peinlich war. Der damalige Spitzenbeamte im Finanzministerium schrieb selbst am Öbag-Gesetz mit, formulierte die Ausschreibung für den Job um, den er später bekommen wollte, und traf sich mit Aufsichtsratsmitgliedern, die ihn später auswählen sollten. Das ist das Gegenteil davon, wie Posten in dieser Republik vergeben werden sollten.

Politisch heikle Postenbesetzung

Kurz dürfte davon einiges mitbekommen haben, er scherzte mit Schmid über dessen spätere Funktionen und kümmerte sich mit seinem Team auch um die Besetzung des Öbag-Aufsichtsrats. Das alles hätte er offen im U-Ausschuss erzählen können, davon war wohl nichts strafbar, höchstens politisch heikel. Kurz entschied sich aber dafür, nur das Allernötigste offenzulegen und auf Formalitäten zu beharren, etwa dass der Finanzminister und nicht der Kanzler den Öbag-Aufsichtsrat bestellt. Mit Blick auf die später publik gewordenen Chats zwischen Kurz, Schmid und anderen lässt sich sagen: Da gibt es durchaus Interpretationsspielraum.

Mit der Frage, ob das alles für eine Verurteilung ausreicht, die eine vorsätzliche Falschaussage verlangt, muss sich nun ein Richter des Straflandesgerichts beschäftigen. Jetzt sind ausschließlich die Gerichte am Zug und niemand anderes. Kurz selbst bestreitet vehement, vorsätzlich falsch ausgesagt zu haben. Der Prozess bietet ihm die Chance, das Gericht davon zu überzeugen. Der politische Schaden ist aber schon angerichtet, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. (Fabian Schmid, 18.8.2023)