Auf den ersten Blick ist alles wie immer: Rechts und links der Zufahrtsstraße zur Finca La Torre duftet es nach wildem Thymian und Rosmarin. Jahrhundertealte Olivenbäume erstrecken sich beiderseits fast bis an den Horizont. Und doch ist in diesem Jahr etwas anders: Es hängen kaum Ölfrüchte an den knorrigen Bäumen. Die Trockenheit machte ihnen zu schaffen. Schon im Juni war es selbst für die widerstandsfähigen Olivenbäume zu trocken gewesen. Die Blüten der Bäume waren zu Boden gefallen.

Die Olivenhaine der Finca La Torre kämpfen mit der anhaltenden Trockenheit. In diesem Jahr erwartet der Biobetrieb eine besonders schlechte Ernte.
Jan Marot

Finca-Manager und Chefagraringenieur Víctor Pérez Serrano und der kommerzielle Direktor Borja Adrian Sanz empfangen am Eingang zur Finca. Ein alter römischer Olivenmühlstein liegt im Rasen unter gepflanzten Palmen, das Bürogebäude neben der Olivenmühle wird an einem Eck durch eine römische Säule gestützt. Seit über zehn Jahren betreibt die Finca biologische Landwirtschaft nach dem Demeter-Prinzip. Neun Festangestellte arbeiten hier, und je nach Bedarf zwei bis drei 20er-Gruppen an Tagelöhnern aus dem Umland für die Ernte und ähnliche Arbeiten.

"Wir kultivieren vier Sorten auf knapp 300 Hektar", sagt Pérez. Knapp 60 Prozent seien die Sorte Hojiblanca, rund 30 Prozent seien Arbequina, zudem baue die Finca auch Picudo und Cornicabra an. Vor allem für die Varietät Hojiblanca habe die Finca zahlreiche Preise gewonnen, wirft Sanz ein. Doch das Geschäft werde zunehmend schwieriger. Schon im vergangenen Winter sei die Produktion wegen der Trockenheit zurückgegangen. Früher habe der Betrieb rund 50.000 Liter in 25 Staaten exportiert. Zuletzt seien es nur noch um die 35.000 gewesen.

Schlechte Ernte

"Die Olivenölproduktion ist schwer angeschlagen", erzählt Sanz weiter. So lag sie in Andalusien im Vorjahr um mehr als die Hälfte unter der Ernte von 2021/22, zeigen offizielle Daten. Spanien ist mit 1,5 Millionen Tonnen Olivenöl in guten Jahren Weltmarktführer, 80 Prozent entfallen auf Andalusien, Spaniens wichtigstes Anbaugebiet.

Die Enttäuschung, dass die Ernte wohl auch in diesem Jahr wieder mager ausfällt, ist groß. "Ein Olivenbaum tendiert dazu, nach einem schlechten Jahr mehr Blütendolden auszutreiben", erklärt Pérez. Entsprechend hofften sie auf ein gutes Jahr. Dann kam die Olivenblüte Ende Mai und Anfang Juni, der Regen blieb aus. Blüten vertrockneten, und starke Winde rissen die wenigen sich entwickelnden Ölfrüchte vom Baum. Erst Mitte Juni regnete es dann: zu spät und einigen Landstrichen auch zu viel. "Heuer gehen wir davon aus, dass die Ernte deutlich schlechter ausfallen wird als zuletzt", sagt Sanz. Er erwarte maximal 60.000 Liter, in Rekordjahren seien es fast 120.000 Liter.

Viele der sonst grünen Blätter sind gelb verfärbt.
Jan Marot

Das schlägt sich auch auf den Preis. Aktuell kostet der Liter erste Kaltpressung im Supermarkt neun Euro, vor vier Jahren erhielt man die gleiche Flasche um 1,9 Euro. Konsumenten wenden sich daher bereits günstigeren Speiseölen zu, beispielsweise Sonnenblumenöl.

Kann man den Olivenhain auf den Klimawandel vorbereiten? "Das Einzige, was man machen kann, ist beten", meint Adrian. Man habe neue Bäume gepflanzt, wo über hundert Jahre alte standen, die keinen Ertrag mehr gaben, und man hoffe darauf, dass es in Sachen Dürre zyklische Veränderungen gebe. Alle zehn bis 15 Jahre gab es immer wieder extrem trockene Jahre, aber nur punktuell – niemals mehrere Jahre hintereinander. "Wenn es so extrem und immer extremer weitergeht, dann kann man nichts mehr machen. Das wäre der Tod der Bäume", so Sanz.

Apokalyptische Szenen

Schon heute vertrocknen viele der Bäume, die ein Symbol für den Mittelmeerraum und für die Ausdauer unter kargsten Bedingungen sind. "In der Provinz Málaga hat man jahrhundertealte Ölbäume ausgerissen, zu hunderten", sagt Sanz, "das ist unglaublich, aber wahr." Die oft ein Jahrhundert alten knorrigen Skulpturen zeichnen ein nahezu apokalyptisches Bild.

Bei Finca La Torre wird mit gesammeltem Regenwasser in Notfällen zusätzlich bewässert, sagt Adrian. "Doch das ist bei weitem nicht ausreichend." Ohne Regen mache auch die Tröpfchenbewässerung keinen Sinn, ergänzt Pérez, der den Umstieg auf das Demeter-Prinzip angestoßen hat. Alle Vegetation bleibt, das Erdreich um die Bäume wird nicht bearbeitet und bietet einen Lebensraum für Wildschweine, Füchse, Rebhühner und andere Vogelarten. Ältere Erntehelfer entdeckten auch Blütenpflanzen, die sie hier schon seit Dekaden nicht mehr gesehen haben. Der durch die anhaltende Trockenheit bewirkte Stress habe bisher noch zu keinem Schädlingsbefall geführt, sagt Pérez weiter.

Problematisch für die Vermarktung seien vor allem die hohen Kosten für Treibstoff sowie für Flaschen. Seit Russlands Angriff auf die Ukraine stiegen die Kosten für die Halbliterflasche von 59 Cent auf über 1,20 Euro. "Ein Irrsinn", sagt Sanz. Für die Stromversorgung nach dem Strompreisanstieg des Vorjahres hat der Betrieb eine Solaranlage installiert, um die Kosten zu senken. Aber kein Produkt, das man auf der Finca benötige, habe weniger als um ein Viertel, die meisten um mehr als die Hälfte zugelegt. "Wir werden Verluste machen", ist Sanz überzeugt: "Auch im Premiumolivenölsegment haben Kunden ihre Grenzen, was sie ausgeben wollen."

Ernte um Monate früher

Finca La Torre produziert Öle des Typs "frühe Ernte", wegen der hohen Qualität, und auch dem höheren Polyphenolgehalt, den grüne Ölfrüchte verglichen mit vollreifen schwarzen Oliven haben. In diesem Jahr soll besonders früh geerntet werden – im September statt wie normalerweise im November. Denn je länger gewartet wird, desto höher ist auch das Risiko, weitere Teile der Ernte zu verlieren. Die Olivenbäume stoßen unter hydrologischem Stress reifende Früchte ab, weil sie jene nicht versorgen kann. Außerdem bangt man jetzt, wo sich der Herbst nähert, auch noch vor Gewittern, Starkregen und Hagelstürmen, die das wenige, was noch auf den Bäumen zu ernten ist, vernichtet – und den hohen Ölgehalt der Früchte noch verwässern.

Mit der frühen Ernte soll das beste herausgeholt werden aus dem, was noch an den Ölbäumen hängt. Über die diesjährige Ernte-Qualität könne man trotz allen noch nichts sagen, unterstreicht Pérez. "Es gibt ein Sprichwort bei Olivenproduzenten: Solange das Öl nicht aus der Mühle fließt, weiß man nicht, was man hat." (Jan Marot aus Granada, 21.8.2023)