Machen wir gemeinsam Klima- und Naturschutz, fordert Georg Kanz. Wetterextreme mit der Klimakrise in Verbindung zu bringen hat nichts mit Ideologie oder Parteibuch zu tun, schreibt der Land- und Forstwirt in seinem Gastkommentar.

Eine Wiese unter Wasser
Durch den starken Regen sind die Böden aufgeweicht. Selbst wenn sich das Wetter bessert, drohen noch länger Erdrutsche.
Foto: Getty Images

Während ich diese Zeilen schreibe, ertönt draußen die Sirene. Mittlerweile ein Alltagsklang bei uns. Unfassbar, was hier in den letzten Tagen und Wochen passiert ist. Der Sommer hat mit Hagelstürmen begonnen und jetzt, nach kurzer Pause, mit heftigsten Regenfällen seine Fortsetzung gefunden. Wobei der derzeitige Regen auf den ersten Blick nicht katastrophal anmutet. Ein schöner, kräftiger Landregen, habe ich mir anfangs gedacht. Nur hat er nicht mehr aufgehört. Tagelang, ohne auch nur eine Minute Unterbrechung, hat es geregnet. Und dann begann der schöne, kräftige Landregen doch katastrophal zu werden.

Die Hänge und Berge in meiner Heimatgemeinde Brückl wurden instabil. Muren begannen sich zu lösen und haben Straßen und Häuser mitgerissen. Kaum ein Weg, der nicht an mindestens einer Stelle unterspült ist. Häuser und Bauernhöfe wurden von der Außenwelt abgeschnitten. Manche Menschen mussten sogar evakuiert werden, und wieder andere haben ihr ganzes Hab und Gut verloren. Es ist eine Tragödie. Die Arbeit, die Freiwillige hier leisten, kann gar nicht hoch genug geschätzt werden. Danke an dieser Stelle. Ihr seid großartig.

"Wie gut würde es tun, wenn der Kanzler sich hinstellte und ganz klar sagte: Was wir hier erleben, sind Auswirkungen des Klimawandels."

Gleichzeitig macht es unfassbar traurig und wütend, wenn man das Ausmaß dieser Katastrophe vor Augen hat und manche Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger vor die Kamera treten und mit keinem Wort das erwähnen, was diesen schrecklichen Regen mitverursacht hat: die Klimakrise. – Und nein, diese Wetterextreme damit in Verbindung zu bringen hat nichts mit Ideologie oder Parteibuch zu tun. Das sind Fakten, auch wenn diese manche noch so stören.

Immer mehr Extreme

Ein wenig vereinfachend erklärt: In diesem Jahr ist die Adria schon zwei Grad Celsius wärmer, als sie es normalerweise zu dieser Jahreszeit wäre. Je wärmer das Meer, desto mehr Wasser verdunstet. Gleichzeitig kann warme Luft mehr Wasser aufnehmen und dieses halten. Als Beispiel: Bei 25 Grad Celsius Lufttemperatur kann ein Kubikmeter Luft bis zu 23 Gramm Wasser aufnehmen. Kühlt diese Luft aber ab, weil sie zum Beispiel in den Norden wandert, sinkt dieser Wert. Bei zehn Grad Celsius Lufttemperatur kann die Luft maximal 9,4 Gramm Wasser aufnehmen. Was passiert dann mit dem Rest? 13,6 Gramm Wasser pro Kubikmeter Luft kommen als Regen herunter. Oder wie in unserem Fall jetzt: schöner, kräftiger Landregen über viele Tage. Eine Katastrophe. Die Täler werden überflutet, die Berge rutschen ab.

"Wie soll man als jemand, der von der Natur lebt, sei es Land- oder Forstwirt, noch planen?"

Ich muss ehrlich sagen: Es ist bald nicht mehr zum Aushalten. Die letzten Jahre waren bei uns von Extremen geprägt. Es ist paradox: Letztes Jahr war das erste Mal, dass unsere Quellen, die den Hof mit Wasser versorgen, keines mehr hatten. Die Feuerwehr musste kommen und die Speicher auffüllen. Heuer haben wir zwar genug Wasser, dafür kommt die Feuerwehr, um Keller leerzupumpen und Wege zu sichern. In meinen 32 Lebensjahren habe ich so was noch nicht erlebt. Aber das sage nicht nur ich: Das sagen auch die 100-jährigen Bewohnerinnen und Bewohner dieser Gegend. Ja, früher gab es auch mal Hagel, Stürme, Gewitter, Starkregen. Aber nur kurz. Und selten. Jetzt hat man schon das Gefühl, das gehört eben zum Sommer.

Wie soll man als jemand, der von der Natur lebt, sei es Land- oder Forstwirt, noch planen? Wieso soll man seine Felder noch bestellen, wenn der Hagel ohnehin verlässlich alles zusammendrischt? Noch zahlen zumindest die Versicherungen. Aber was, wenn nicht mehr? Sollten wir nicht endlich realisieren, dass das Auswirkungen der Klimakrise sind, und alles daransetzen, diese, wo es nur geht, zu mildern?

Wenn wir nur wollen

Ja, ich sehe schon die hämischen Kommentare: "Ja klar, mit Tempo 100 wäre das nicht passiert." Doch, auch dann wäre es wohl passiert. Und ja, wir als Österreich sind davon abhängig, dass der Rest der Welt mitmacht. Umso wichtiger ist es aber zu zeigen: "Wir tun! Tut ihr auch!" Wir können auch in Österreich schon viel bewirken, wenn wir nur wollen, um die Auswirkungen solcher Extreme zu mildern. Wir können dafür sorgen, dass Böden frei bleiben, wir den leidigen Titel des Europameisters der Bodenversiegelung abgeben, damit Wasser versickern kann, dass Felder durch Randstreifen vor Erosion und Bodenverlust geschützt sind. Dass wir wegkommen von den Monokulturen im Wald und die Vielfalt als Chance begreifen.

Hoffnung geben

Gleichzeitig muss auch die Politik die richtigen Rahmenbedingungen herstellen. Wie gut würde es tun, wenn der Kanzler sich hinstellte und ganz klar sagte: Was wir hier erleben, sind Auswirkungen des Klimawandels. Nein, wir werden das nicht von heute auf morgen lösen können, aber wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um für eine gute Zukunft aller zu kämpfen. Das würde Hoffnung geben, dass gehandelt wird. Dass die Sorgen der Menschen ernst genommen werden. Dass Vorbeugung passiert – nicht immer nur die Nachsorge!

Bitte überwinden wir doch endlich ideologische Diskussionen und machen Klima- und Naturschutz. Gemeinsam. Über alle Gesinnungen hinweg. Es ist Schutz der Heimat, Schutz der Wirtschaft. Schutz für unsere Natur. Unserer Lebensgrundlage. Ich habe jedenfalls Angst und die Sirene, die gerade wieder ruft, satt. (Georg Kanz, 9.8.2023)