Ich habe dem Creamed Corn schon einmal ein Loblied gesungen, in der Variante des großen Thomas Keller, für den die Körner vom Kolben geschnitten und dann mit ordentlich Obers, Cayenne und Limettenschale eingekocht werden. Ein netter deutscher Leser, der jetzt in Boston lebt, hat darunter gepostet, dass das zwar alles gut und schön klinge, aber Creamed Corn in Wirklichkeit ganz anders gehe – nämlich puristisch, mit nichts als Butter. Aber, am wichtigsten, dass es für den originalen Genuss eines besonderen Instruments bedürfe: eines Corn-Creamers. Als er im Frühsommer zu Besuch in Wien war, hat er mir netterweise einen mitgebracht. Er ist in den vergangenen Wochen zu meinem liebsten Küchenspielzeug und zur kulinarischen Erkenntnis des bisherigen Sommers avanciert.

Zubereiten von Creamed Corn
Fast alles, was es für Creamed Corn braucht. (Nicht im Bild: die Butter und das Salz.)
Foto: Tobias Müller

Creamed Corn, mit diesem Hobel zubereitet, schmeckt tatsächlich phänomenal: cremig, erstaunlich süß und auf eine Art intensiv maisig, die ich als platonische Idee des Maisgeschmacks bezeichnen würde. Es kommt nicht oft vor, das etwas Altvertrautes mit einem kleinen Trick so viel besser wird, und es ist ein eindrucksvoller Beweis der alten chinesischen Weisheit, dass Kochen Schneiden bedeutet.

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Was den Maiskolben auf der Reibe erwartet.
Foto: Tobias Müller

Der Creamer ist sehr simpel. Es besteht aus einer Holzschiene und drei verschiedenen Klingen, über die der geschälte Kolben gezogen wird. Die erste Klinge liegt sehr nah am Holz und schneidet gerade einmal die Kappen der Maiskörner ab ab; die zweite sind gleich mehrere Klingen, die parallel zur Schiene stehen und die Körner grob schlitzen; und die dritte steht hoch und ist nicht scharf, sondern streift das Innere der Körner aus: das zarte Fleisch und, ganz wichtig, die süße Milch. Der Großteil des Häutchens, das das Maiskorn umhüllt, bleibt hingegen am Kolben. Aus einer ernährungswissenschaftlichen Perspektive mag das nicht ideal sein (so wie Apfelsaft viel ungesünder ist als ein Apfel), kulinarisch aber ist es ein ziemlicher Triumph.

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Die Essenz des Maises: seine süße Milch.
Foto: Tobias Müller

Die süß-cremige Masse wird nach dem Reiben in eine Backform gegeben, gesalzen, gut gebuttert, und im Rohr bei 200 Grad gebacken, bis sie oben und am Rand herrlich gebräunt und knusprig, innen unwiderstehlich cremig-weich ist. Wer’s braucht, würzt vor dem Backen noch zusätzlich mit Limettensaft und etwa Chili, aber wirklich nötig ist das nicht.

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Der Kolben nach dem ersten Melken.
Foto: Tobias Müller

Nun sind Corn-Creamer erstens bei uns gar nicht so leicht zu bekommen, und zweitens habe ich eine ausgeprägte Skepsis gegenüber Küchen-Gadgets – ich halte die meisten für völlig überflüssig. Ich habe mich daher mit Palatschinkenforscher Heinrich S. daran gemacht, zu probieren, ob nicht auch der Corn-Creamer ersetzbar ist. Nach ein paar Wochen Versuchen täte ich sagen: prinzipiell ja, aber ganz einfach ist es nicht.

Sowohl die klassische Boxreibe als auch die Methode des Körner Abschneidens und dann in der Küchenmaschine Pürierens hat sich als nicht ideal erwiesen. Am besten hat funktioniert, die Körner-Kappen mit einer sehr flachen Käsereibe abzuschneiden und dann das Innere der Körner mit dem Rücken eines Messers auszustreichen. Wir haben eine Ladung Mais teils so, teils mit dem Creamer zubereitet, und der Unterschied im Geschmack war nicht erkennbar. Mehr Arbeit hat hingegen eindeutig die Käsereibe-Messerrücken-Kombo gemacht. Braucht man unbedingt einen Corn-Creamer für Creamed Corn? Nein. Macht er den Sommer und das Leben schöner, wenn man ein paar Euro übrig und Platz in der Küchenlade hat? Definitiv. Kaufempfehlung.

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Außen knusprig, innen weich
Foto: Tobias Müller

Creamed Corn mit dem Corn-Creamer

Rechnen Sie pro Person mindestens mit zwei Maiskolben besser mit drei, das Zeug ist süchtigmachend gut! Und bedenken Sie, dass Zuckermais zu jenen Gemüsen gehört, die sehr schnell nach der Ernte ihre Süße verlieren (so wie Spargel, Fisolen oder Erbsen) – verkochen Sie ihn daher nach dem Kauf so schnell wie möglich.

Das Backrohr auf 200 Grad vorheizen. Den Mais von seinen äußeren Blättern und Fäden befreien. (Wenn Sie ihn kaufen, sollte er die unbedingt noch haben, so wie Erdäpfel erdig sein sollten, um frisch zu bleiben. Hier gibt es in den Kommentaren eine sehr schöne Beschreibung, was Menschen aus einer Maiskultur von mitteleuropäischem Supermarktmais halten). Den Corn-Creamer richtig adjustieren, also die erste Klinge möglichst tief, die dritte möglichst hoch einstellen. Keine Sorge, der Packung liegt eine Anleitung bei.

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Unbedingt genug Butter verwenden.
Foto: Tobias Müller

Den Cutter über eine Backform halten und der Spitze voran den Kolben über die Klingen ziehen, gern mehrmals an der gleichen Stelle, bis keine Milch mehr rinnt. Drehen und widerholen, bis der ganze Kolben gemolken ist. Achtung: Verwenden Sie keine zu große, aber auch keine zu kleine Form – der Maisbrei sollte ungefähr zwei maximal drei Zentimeter hoch darin stehen, um das ideale Verhätlnis von karamellisierter Oberfläche und cremigem Innenleben zu bekommen.

Die cremig-flüssige Mischung gut salzen und bei Bedarf mit Chili und Limettensaft würzen. Gut durchrühren und reichlich Butterflocken darauf verteilen. Ins Rohr schieben und nach ein paar Minuten, wenn die Butter geschmolzen ist, diese einmal unterrühren. Backen, bis der Mais blubbert und oben schön gebräunt ist, etwa 20 bis 25 Minuten. Auf Wunsch am Ende nochmals mit der Grillstufe nachbräunen.

Heiß und mit einer Beilage (Lammkoteletts, Steak, gegrillte Shrimps …) servieren.

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Weniger Röstaromen, dafür gebratene Shrimps. Stehen dem Mais hervorragend.
Foto: Tobias Müller

(1) Mein einziger Creamed-Corn-Fehlschlag war das eine Mal, als ich die Butter zwar in Flocken auf dem Mais verteilt, aber dann vergessen habe, sie nach ein paar Minuten im Rohr unterzurühren. Das Ergebnis war nicht cremig, sondern fest und trocken wie Polenta und auffallend wenig süß. Ich glaube zwar, dass es eher die Schuld des Maises war (oder mir Futtermais angedreht wurde) und nicht die fehlende Butter, ich will hier trotzdem ein Wort der Warnung gegen Buttergeiz aussprechen. Deswegen und ganz generell.

(Tobias Müller, 20.8.2023)