Indien hat auf dem Mond Geschichte geschrieben. Am frühen Mittwochnachmittag setzte die Sonde Chandrayaan-3 planmäßig in der Nähe des Mondsüdpols auf. Damit ist Indien das vierte Land, dem eine erfolgreiche Mondlandung gelungen ist – und das erste, das es in die Umgebung des Südpols geschafft hat. Erst vergangenes Wochenende ist die russische Sonde Luna-25 bei einem Landeversuch in der Region abgestürzt.

Illustration der Landung von Chandrayaan-3.
ISRO HANDOUT/EPA/AAP Image

Die indische Landesequenz verlief exakt nach Plan: 20 Minuten vor dem Touchdown verließ die Sonde durch eine Triebwerkszündung ihren elliptischen Mondorbit und begann ihren Anflug. Auch für die Bremsung mussten die Triebwerke herhalten, eine Fallschirmbremsung ist auf dem Mond mangels Atmosphäre nicht machbar. Die Landung erfolgte automatisiert, ein Eingriff aus dem Kontrollzentrum der indischen Raumfahrtbehörde ISRO war nicht mehr möglich.

Chandrayaan-3-Kontrollzentrum
Jubel im Kontrollzentrum der indischen Raumfahrtbehörde ISRO, als Chandrayaan-3 die ersten Daten vom Mond schickte.
Isro/Youtube

Heikle Anreise

Die unbeschadete Ankunft ist für Indien ein enormer Erfolg. Noch nie hat ein Landegerät die wissenschaftlich und wirtschaftlich interessante Gegend um den Südpol des Mondes besucht. Indien ist damit in den noch kleinen Kreis der lunaren Weltraummächte aufgerückt: Zuvor ist nur drei Ländern die schwierige Mondlandung gelungen – der Sowjetunion, den USA und China. Am vergangenen Wochenende war Russland bei dem Versuch gescheitert, erstmals seit 47 Jahren wieder auf dem Mond zu landen: Die Sonde Luna-25 zerschellte auf dem Erdtrabanten.

Indiens Premierminister Narendra Modi, der am Mittwoch zur Landung vom Gipfel der Brics-Staaten in Südafrika zugeschaltet war, sprach von einem beispiellosen Erfolg. "Das ist der Moment für ein neues Indien, das ist der Moment für 1,4 Milliarden Inder", sagte Modi.

Chandrayaan-3
Am 14. Juli hob die Mondsonde im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh ab. Es ist bereits Indiens zweite Mondlandemission, der erste Versuch scheiterte im September 2019.
EPA/ISRO HANDOUT

Prestigereiche Mission 

Auch Indien ist schon einmal auf dem Mond gescheitert. 2019 stürzte die Sonde Chandrayaan-2 aufgrund eines Softwarefehlers aus rund 500 Metern ab und wurde zerstört. Die aktuelle Mission lief aber von Beginn an nach Plan, der russische Fehlschlag am vergangenen Wochenende dürfte bei der indischen Raumfahrtbehörde ISRO aber für gemischte Gefühle gesorgt haben. Der Absturz von Luna-25 zeigte einmal mehr, wie herausfordernd eine Landung auf der Mondoberfläche ist. Gleichzeitig katapultierte der Vorfall Indien wieder in die Pole-Position: Denn Russland wollte ebenfalls in der lunaren Südpolregion landen – und Indien dabei um wenige Tage überflügeln.

Nun ist doch Indien die Premiere gelungen. Demnächst soll auch der kleine Begleiter des Landemoduls zum Einsatz kommen: Die Sonde hat einen 26 Kilogramm schweren Rover dabei. Das Gefährt kann sich bis zu 500 Meter weit vom Landemodul entfernen und soll wissenschaftliche Daten sammeln.

Wertvolles Wasser

Mithilfe einiger wissenschaftlicher Instrumente sollen Lander und Rover unter anderem die Bodenzusammensetzung untersuchen, nach Wasser Ausschau halten und die seismische Aktivität im Untergrund messen. Auch Informationen über die dünne Exosphäre des Mondes sollen gesammelt werden. Gerade der Südpol des Erdtrabanten gerät immer mehr ins Interesse der Raumfahrt, sagt Manuel Scherf vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. "In den 1990er-Jahren hat man erste Hinweise darauf gefunden, dass es an den Mondpolen Wasser geben könnte, vor allem am Südpol."

Inzwischen gelten diese Vorkommen als gesichert, auch der indische Mondorbiter Chandrayaan-1 konnte dazu beitragen, ehe er 2009 nach weniger als einem Jahr in einer Mondumlaufbahn verlorenging. Das Wasser liegt als Eis in tiefen, dauerhaft schattigen Kratern oder aber gebunden im Bodenmaterial. Für künftige Mondstationen und weitere Flüge ins All könnte das enorme Bedeutung haben, sagt Scherf: "Man könnte es in Sauerstoff für astronautische Missionen und in Wasserstoff als Raketenantrieb aufsplitten." Diese Ressourcen müssten dann nicht aufwendig von der Erde mitgebracht werden.

Chandrayaan-3
DiesesTeil-Selfie aus dem Mondorbit schickte Chandrayaan-3 Anfang August zur Erde. Nach dem russischen Fehlschlag am vergangenen Wochenende könnte sie heute Geschichte schreiben.
via REUTERS/ISRO

Straffer Zeitplan

Die Zeit zur Forschung vor Ort ist für Chandrayaan-3 allerdings extrem begrenzt: Ein Mondtag steht dafür zur Verfügung, das entspricht 14 Erdentagen. Dann bricht die kalte Mondnacht herein, und dafür sind weder Lander noch Rover ausgerüstet. Das Antriebsmodul, das die Sonde zum Mond brachte und sich schon vor einigen Tagen von ihr trennte, soll noch länger in einer Mondumlaufbahn aktiv bleiben. Während der laufenden Mission auf der Mondoberfläche dient es zur Kommunikation mit der Erde.

Journalisten filmen den Livestream der Landung von Chandrayaan-3 in Bengaluru, Indien.
AP/Aijaz Rahi

Lunarer Schrottplatz

Generell sind Landungen auf dem Erdtrabanten alles andere als trivial, auch Jahrzehnte nach den großen sowjetischen und US-amerikanischen Erfolgen bleibt das Risiko groß. Neben dem jüngsten russischen Crash sind zuletzt auch zwei private Landeversuche gescheitert: Der israelische Lander Beresheet (2019) und der japanische "Mondhase" Jakuto-R (April 2023) gingen beide verloren.

Was macht die Landung auf dem Mond so schwierig? Die Gründe seien vielfältig, sagt Scherf. Die fehlende Atmosphäre mache etwa den Einsatz von Fallschirmen, wie sie zuletzt bei Mars-Landungen erfolgreich genutzt wurden, unmöglich. "Das heißt, man muss Triebwerke verwenden, um zu bremsen." Das führe zu einem anderen Problem, sagt der Astrophysiker. "Man braucht Treibstoff, und je mehr Treibstoff man hat, desto schwerer wird die Sonde und desto mehr Treibstoff braucht man wiederum. Das heißt, man muss sehr sparsam damit umgehen und kann sich kaum Fehler erlauben." Ein anderes Problem ist der allgegenwärtige Mondstaub. Verunreinigt er Sensoren, kann es zu Störungen kommen, die gerade für automatisierte Landungen verhängnisvoll sind, sagt Scherf.

All das kam Chandrayaan-3 nicht in die Quere, die Sonde legte eine Bilderbuchlandung hin. Gratulationen aus aller Welt ließen nicht lange auf sich warten, auch Josef Aschbacher, der Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation (Esa), schickte Glückwünsche: "Unglaublich! Was für eine Art, neue Technologien zu demonstrieren und Indiens erste weiche Landung auf einem anderen Himmelskörper zu verwirklichen. Großartig gemacht, ich bin rundum beeindruckt." (David Rennert, 23.8.2023)