Was die erste russische Mondlandung seit fast 50 Jahren hätte werden sollen, endete am Wochenende mit einem Crash. Luna-25 sei in eine falsche Umlaufbahn geraten und auf dem Mond zerschellt, wie die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos am Sonntag mitteilte. Das jähe Ende der Mondsonde, die als Nachfolgemission der 1976 noch von der Sowjetunion gestarteten Sonde Luna-24 als erstes Vehikel nahe dem Mondsüdpol hätte landen sollen, ist für die ohnehin angeschlagene russische Raumfahrt ein schwerer Verlust.

Luna 25
Ein Selfie aus besseren Zeiten: Luna-25 beim Flug zum Mond.
via REUTERS/ROSCOSMOS

Das Mondprogramm der Sowjetunion hatte einst beträchtliche Erfolge vorzuweisen. Wie kam es zu dem Absturz? Nach offiziellen Angaben von Roskosmos ist erst beim Landeanflug von Luna-25 ein Problem aufgetreten. Die Sonde sollte in eine Vorlandeumlaufbahn gebracht werden, doch 47 Minuten nach Beginn des Manövers riss der Kontakt ab. Der geplante Orbit wurde nicht erreicht, Luna-25 "hörte infolge einer Kollision mit der Mondoberfläche auf zu existieren", wie es Roskosmos ausdrückte.

Hoher Erfolgsdruck

"Derzeit sieht es so aus, als wäre es beim Zünden der Triebwerke zu einem Problem gekommen", sagt Manuel Scherf vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Was genau in diesem heiklen Moment vorgefallen sei, lasse sich durch die bisher öffentlichen Informationen nicht eindeutig sagen. "Es wird aber spekuliert, dass die Triebwerke zu stark gezündet haben und Luna-25 dadurch auf den Mond gecrasht ist", sagt der Astrophysiker. Womöglich habe es aber schon vor dem finalen Manöver Triebwerksprobleme gegeben, sei von Fachleuten aus Russland zu hören. Am Montagabend meldete sich dann Roskosmos-Chef Juri Borissow im russischen Staatsfernsehen zu Wort und erklärte, ein Triebwerk hätte 43 Sekunden zu lang gefeuert.

Luna 25
Am 17. August schickte Luna-25 noch diese Aufnahme von der Mondoberfläche. Tage später krachte sie auf den Erdtrabanten.
AP/Roscosmos

Dass der politische Erfolgsdruck hoch und das vorgegebene Zeitfenster für den Landeversuch knapp war, ist anzunehmen. Die russische Raumfahrt steht seit dem Überfall auf die Ukraine unter westlichen Sanktionen, gemeinsame Projekte mit Europa abseits der Internationalen Raumstation (ISS) wurden abgesagt. Ursprünglich wäre die Europäische Weltraumorganisation (Esa) auch an Luna-25 beteiligt gewesen. Ein alleiniger Erfolg mitten im desaströsen Krieg gegen die Ukraine wäre dem Kreml propagandistisch gelegen gekommen.

Luna-25 hätte als erste Mondsonde in der wissenschaftlich und kommerziell interessanten Südpolregion des Erdtrabanten landen sollen. Der Zeitplan wurde erst vor knapp zwei Wochen verkündet. Denn eigentlich ist seit Mitte Juli die indische Mondfähre Chandrayaan-3 mit eben diesem Ziel unterwegs. Luna-25 war dagegen erst am 11. August abgehoben, hätte die indische Sonde bei der Landung aber um wenige Tage abhängen sollen. Chandrayaan-3 wird am 23. August einen Landeversuch unternehmen.

Schwierige Landung

Der Versuch, die prestigereiche Landung unbedingt vor Indien zu schaffen, könnte mit ein Grund für den Fehlschlag gewesen sein, meint Scherf. Womöglich wurde aus Zeitgründen darauf verzichtet, Probleme genauer zu analysieren. Doch warum ist eine Landung auf dem Erdtrabanten nach wie vor eine solche Herausforderung? Auch Indiens erster Mondlandeversuch war 2019 gescheitert, zuletzt crashten auch zwei private Sonden: der israelische Lander Beresheet (2019) und der japanische "Mondhase" Jakuto-R (April 2023).

Die Gründe dafür seien vielfältig, sagt Scherf. Die fehlende Atmosphäre mache etwa den Einsatz von Fallschirmen, wie sie zuletzt bei Marslandungen erfolgreich genutzt wurden, unmöglich. "Das heißt, man muss Triebwerke verwenden, um zu bremsen. Das führt zum Problem, das man Treibstoff braucht, und je mehr Treibstoff man hat, desto schwerer wird die Sonde. Das heißt, man muss mit dem Treibstoff sehr sparsam umgehen und kann sich kaum Fehler erlauben."

Luna-25
Der Start am 11. August sollte das Comeback des russischen Mondprogramms einläuten.
AFP/Russian Space Agency Roscosm

Staub und Wasser

Ein anderes Problem bei Mondlandungen ist der allgegenwärtige Staub, der bei Landungen zur Plage werden kann. Verunreinigt er Sensoren, kann es zu Störungen kommen, die gerade für automatisierte Landungen verhängnisvoll sind. Die Mondoberfläche hält aber auch noch andere Schwierigkeiten bereit, sagt Scherf. "Der Boden ist sehr uneben. Das ist am Südpol ein besonderes Problem, es gibt dort sehr viele Krater, die Lichtverhältnisse sind schlecht und die Suche nach geeigneten Landeplätzen schwierig."

Gerade diese Faktoren machen die lunare Südpolregion aber auch so interessant. In den 1990er-Jahren wurden erste Hinweise darauf entdeckt, dass sich in tiefen und dauerhaft beschatteten Kratern an den Mondpolen Wasser befinden dürfte, am Südpol noch mehr als im Norden. Die Nutzung dieser Wasservorkommen wäre für künftige Mondstationen und weitere Flüge ins All ein Gamechanger: Denn daraus ließen sich Sauerstoff und Treibstoff gewinnen, unverzichtbare Ressourcen, die nicht aufwendig von der Erde mitgebracht werden müssten. Nach Wasser hätte auch Luna-25 Ausschau halten sollen.

Budgetkürzungen und Rückschläge

Die Sowjetunion hatte einst den ersten Satelliten, den ersten Mann und die erste Frau ins All gebracht und auch die erste weiche Landung auf dem Mond hingelegt. Was bedeutet der Absturz von Luna-25 nun für das russische Weltraumprogramm? Das kämpft schon seit Jahrzehnten mit Problemen und Misserfolgen, seit Jahrzehnten gab es keine erfolgreichen interplanetaren Missionen mehr. 1988 und 1996 scheiterten zwei Marsmissionen, fast noch schmerzhafter war ein Fehlschlag 2011: Damals schaffte es eine Sonde, die auf dem Marsmond Phobos landen und Proben zurück zur Erde hätte bringen sollen, nicht einmal aus dem Erdorbit.

Die Probleme sind vor allem finanzieller Natur. Die Ausgaben für das wissenschaftliche Weltraumprogramm wurden nach dem Zerfall der Sowjetunion drastisch gekürzt, die Technologieentwicklung bremste sich nach dem Ende des Kalten Kriegs ein. Um Missionen retten zu können, wurde vielfach bei Tests und Materialien gespart, auch große Korruptionsskandale erschütterten den russischen Weltraumsektor immer wieder. Dazu kommen administrative Probleme, sagt Scherf. Die westlichen Sanktionen und das Ende jeglicher Zusammenarbeit mit der Esa, abseits der Internationalen Raumstation (ISS), dürften die Situation kaum verbessern.

Fragliche Zeitpläne

Russland will zwar künftig auf Weltraumkooperationen mit China setzen, angesichts des aktuellen Fehlschlags klingen oft genannte Zeitpläne aber zweifelhaft: Eine astronautische Mondlandung in den frühen 2030ern und eine Mondstation bis 2040 wären auch ohne den Absturz von Luna-25 äußerst knapp bemessen gewesen. Ob die gescheiterte Landung wiederholt werden oder wie geplant 2027 der Mondorbiter Luna-26 abheben soll, ist derzeit unklar. "Auf keinen Fall sollte das Mondprogramm unterbrochen werden – das wäre die schlechteste Entscheidung", sagte Roskosmos-Chef Borissow am Montag.

Nun liegt der Ball in Sachen Mondsüdpol aber bei Indien. Chandrayaan-3 soll am 23. August landen, mit 3,8 Tonnen Gewicht ist die indische Sonde mehr als doppelt so schwer wie Luna-25. Die aufstrebende Weltraumnation hofft darauf, als viertes Land erfolgreich auf dem Mond landen zu können, nach der Sowjetunion, den USA und China. Zum russischen Absturz äußerte sich ein Sprecher der indischen Raumfahrtbehörde ISRO diplomatisch: "Es ist bedauerlich. Jede Weltraummission ist sehr riskant und hochtechnisch." (David Rennert, 21.8.2023)