Dass im Wahlkampf mit harten Bandagen gekämpft wird, ist nichts Ungewöhnliches. Die Art und Weise, wie die ÖVP auf X (vormals Twitter) derzeit mit allerlei Sujets versucht, den freiheitlichen Frontmann Herbert Kickl verächtlich zu machen, ist es schon eher. Besonders ärgerlich, ja sogar peinlich daran ist aber die Geschichtsvergessenheit, die die Kanzlerpartei um Karl Nehammer dabei an den Tag legt. Sie versucht, die Allgemeinheit für dumm zu verkaufen.

Die ÖVP unter Kanzler Karl Nehammer grenzt sich gerade besonders laut von FPÖ-Chef Herbert Kickl ab.
APA/ROBERT JAEGER

Da wird etwa Kickls Nähe zu den rechtsextremen Identitären als "Sicherheitsrisiko" angeprangert; dass Kickl rechtsradikale Ausschreitungen verteidige; dass Kickl als Innenminister Polizeipferde angeschafft habe, aber nun gegen den europäischen Schutzschirm Sky Shield auftrete; auch Kickls "Putin-Politik" wird kritisiert. Ja, Kickls Politik ist problematisch. Allerdings lässt die ÖVP etwas aus.

Unter Sebastian Kurz wurde Kickl nicht nur Innenminister. Die Volkspartei nahm zu türkis-blauen Zeiten so gut wie alle diese Sicherheitsrisiken in Kauf, die sie heute abstoßend findet. Kickls Nähe zu den Identitären war schon damals evident: Kickl trat 2016 als Redner bei einem Kongress der Rechtsextremen auf. Die Polizeipferde sind ebenso ein Relikt aus seiner Ministerzeit. Und der gute Draht der Blauen nach Moskau war bei der Regierungsbildung 2017 auch kein Geheimnis.

Das alles sollte sich die ÖVP endlich einmal eingestehen. Sie soll nicht so tun, als wäre sie nicht dabei gewesen. (Jan Michael Marchart, 23.8.2023)