Der unabhängige UN-Monitoring-Ausschuss überprüfte in Genf Österreichs Behindertenpolitik.
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Wien/Genf – Der UN-Fachausschuss zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat am Mittwoch in Genf die zweitägige Prüfung der österreichischen Behindertenpolitik abgeschlossen. Der Unabhängige Monitoring-Ausschuss erklärte im Anschluss, während der Prüfung habe es seitens der UN unter anderem "massive Kritik zum Bereich Bildung gehagelt". Man erwarte "sehr stark formulierte Empfehlungen", sagte eine Sprecherin des Monitoring-Ausschusses gegenüber der APA.

Der offizielle Endbericht ("Concluding Observations") wird erst in einigen Wochen – voraussichtlich Anfang oder Mitte September – vorliegen. Seitens des Monitoring-Ausschusses, der in Österreich die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention überwacht, hieß es im Anschluss an die Tagung, die Mitglieder des UN-Fachausschuss seien "äußerst gut vorbereitet" gewesen.

"Eklatante Versäumnisse"

"Wie von uns erwartet, hat es vonseiten des UN-Komitees massive Kritik zum Bereich Bildung gehagelt. Die eklatanten Versäumnisse bei der Umsetzung Inklusiver Bildung wurden gnadenlos aufgezeigt. Österreich muss jetzt handeln, um diese Mängel schnellstens zu beheben", sagte Tobias Buchner vom Vorsitzteam des Monitoring-Ausschusses in einer Aussendung.

Vorsitzteam-Mitglied Daniela Rammel ergänzte, die "vielen Fragen" an Österreich zur aktuellen Situation von Frauen mit Behinderungen hätten gezeigt, dass Österreich sich mehr mit der Intersektion (Mehrfachdiskriminierung, Anm.) von Frauen mit Behinderungen befassen müsse. "Für Inklusion und explizit Deinstitutionalisierung gibt es weder ein Konzept noch einen Zeitplan in Österreich", kritisierte Bernadette Feuerstein vom Monitoring-Ausschuss.

Vollständige Inklusion laut Bundesminister Ziel

Seitens von Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) hieß es in einer Aussendung, Ziel bleibe die vollständige, umfassende Inklusion von Menschen mit Behinderungen in sämtlichen Lebensbereichen. Der Minister verwies darauf, dass sich Österreich zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention mit der Ratifizierung vor rund 15 Jahren verpflichtet hat. Der Ressortchef betonte, er habe "wichtige Fortschritte" seit der letzten Prüfung im Jahr 2013 gegeben. Man müsse dennoch "aktiv und zielstrebig weiterarbeiten".

Um das Ziel umfassender gleichberechtigter Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu erreichen, müssten Bund, Länder und Gemeinden "eng kooperieren". Eine wesentliche Verbesserung der Situation erwarte er von der Umsetzung des Pilotprojekts Persönliche Assistenz. Rauch verwies auch auf den zweiten Nationalen Aktionsplan Behinderung für die Jahre 2022 bis 2030, mit dem die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention vorangetrieben werden soll.

Bedingungen "nicht menschenrechtskonform"

Die Behindertenanwältin des Bundes, Christine Steger, sieht Österreich bei der Umsetzung der Konvention "im Rückwärtsgang", wie sie in einer Aussendung erklärte. Obwohl es zu vereinzelten Verbesserungen gekommen sei, sei Österreich in vielen Bereichen nach wie vor säumig. "Gravierende – vom UN-Fachausschuss bereits im Rahmen der Staatenprüfung 2013 hervorgehobene – Mängel bestehen weiterhin unverändert. Mitunter sind sogar Verschlechterungen zu verzeichnen."

In mehreren Bereichen seien die Bedingungen, die Menschen mit Behinderungen in Österreich vorfinden, schlichtweg als "nicht menschenrechtskonform" zu bezeichnen, erklärt sie. Auch Steger verwies insbesondere auf den Kritikpunkt des Mangels an inklusiven Bildungsmöglichkeiten. Aktuell bleibe vielen Menschen mit Behinderungen der Besuch von Regelschulen nach wie vor verwehrt.

Die Behindertenorganisation Bizeps betonte, der Berichterstatter des UN-Fachausschusses in Genf, Markus Schefer, habe bemerkt, dass die Bemühungen in Österreich seit 2017/2018 "deutlich nachgelassen" hätten, und habe "einen teilweisen Umschwung in der Behindertenpolitik" festgestellt. Auch der Umstand, "dass die Bundesländer scheinbar selbst entscheiden können, ob und welche Maßnahmen sie umsetzen wollen", sei angesprochen worden, berichtete Bizeps-Obmann Martin Ladstätter.

Volksanwalt fordert "Rechtsanspruch statt Almosen"

Volksanwalt Bernhard Achitz (SPÖ), der ebenfalls die Fragen des Uno-Fachausschusses beantwortet hat, forderte anlässlich der Prüfung "Rechtsanspruch statt Almosen". "Menschen mit Behinderungen können zwar viele Unterstützungsleistungen bekommen, aber sie haben keinen Rechtsanspruch darauf. Österreich muss weg vom Almosen, hin zum Anspruch!"

Gravierende Mängel aus Sicht der Volksanwaltschaft sind fehlende österreichweit einheitliche Bestimmungen für Barrierefreiheit, enorme Hürden bei der inklusiven Schulbildung, zu wenig persönliche Assistenz, fehlende Fortschritte bei der Deinstitutionalisierung, die steigende Anzahl von Freiheitsbeschränkungen in Einrichtungen – "und nicht zuletzt, dass die Betroffenen mit ihren Unterstützungsanträgen oft zwischen Behörden auf Bundes- und Landesebene, aber auch Sozialversicherungsträgern hin- und hergeschickt werden".

Neos-Behindertensprecherin Fiona Fiedler sprach in einer Aussendung von einem "Armutszeugnis für die Regierung". Die Gespräche im Fachausschuss der Vereinten Nationen hätten nun bescheinigt, "dass sich Österreich seit 2017/2018 bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sogar verschlechtert hat". Es fehle einfach der politische Wille zur Veränderung hin zu einer inklusiven Gesellschaft, so Fiedler. Die Neos fordern daher "echte Taten statt Verzögerungstaktiken". (APA, 23.8.2023)