Susanne Raab und Johannes Rauch
Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) erneuert eine Forderung, die der grüne Koalitionspartner ablehnt. Welche Sozialleistungen sie konkret an die Aufenthaltsdauer binden will, ist noch unklar.
APA/EVA MANHART

Susanne Raab will Migrantinnen und Migranten die Sozialleistungen in Österreich kürzen – zumindest am Anfang. Die Pläne der Integrationsministerin sind nicht neu: Bereits im März forderte Kanzler Karl Nehammer in seiner "Rede zur Zukunft der Nation", nur jenen Menschen die vollen Leistungen zukommen zu lassen, die durchgehend fünf Jahre in Österreich leben. Ist das nicht der Fall, sollen sie nur die Hälfte erhalten.

Die Forderung der Sozialleistungskürzung machte Raab am Mittwoch in der "falschen Form der Zuwanderung" fest: Nicht das Sozialsystem, der Arbeitsmarkt solle der Anreiz sein, nach Österreich zu ziehen. Dafür soll eine Koordinierungsstelle Fachkräften, ihre Optionen aufzeigen.

Grüne Kritik

Um welche Leistungen oder welche Bereiche es sich dabei genau handelt – beispielsweise Familienbeihilfe, Sozialhilfe oder Wohnbeihilfen –, ließ nach Nehammer auch Raab im APA-Interview offen: Man sehe sich gerade an, für welche Leistungen das gelten solle. Hier sieht auch der kleine Koalitionspartner, die Grünen, ein Problem: Die Ideen der ÖVP seien rechtlich kaum umsetzbar, erklärten sie bereits nach der Rede Nehammers. Denn: Bei den meisten Leistungen im Sozialsystem handle es sich um Versicherungsleistungen.

Nachdem sich jedoch keine Kürzungen im Regierungsprogramm fänden, stehe für die Grünen "eine Umsetzung also nicht zur Diskussion".

Das dänische Vorbild

Als Vorbild für ihre Änderungspläne zieht die ÖVP die Sozialgesetzgebung in Dänemark heran. In dem Land, in dem Integrationsminister Susanne Raab im Mai einen Lokalaugenschein durchführte, gelten harsche Regeln.

Recht auf Sozialhilfe hat dort, wer in den letzten zehn Jahren neun Jahre in einem Stück legal in Dänemark gelebt und in dieser Zeit mindestens zweieinhalb Jahre Vollzeit gearbeitet hat. Die Staatsangehörigkeit der Betroffenen ist egal.

Das schließt Asylsuchende, aber auch die meisten Asylberechtigten und in Dänemark befindlichen EU-Staatsangehörigen von der Sozialhilfe aus. Auch Dänen und Däninnen, die nach langem Auslandsaufenthalt mittellos zurückkehren, fallen um die Gelder um. Für diese gesamte Personengruppe gibt es in Dänemark Gelder "für Selbsterhaltung und Repatriierung": für eine Einzelperson 2022 umgerechnet 837 Euro monatlich, plus Miethilfe und Öffi-Geld. 2022 waren 96 Prozent der Beziehenden Menschen aus nichtwestlichen Ländern, nur zwei Prozent hingegen Einheimische. Insgesamt erhielten nur wenige Tausend Personen dieses Geld.

Dänemark hat bei mehreren EU- Richtlinien zu Flucht und Migration Opt-out-Regelungen vereinbart: Sie gelten dort nicht in voller Länge. Das lässt im Unterschied zu Österreich strengere Maßnahmen zu.

Idee unkonkret, rechtlicher Spielraum gering

Der Plan von Susanne Raab ist noch sehr unkonkret, obwohl er von der ÖVP in den vergangenen Monaten immer wieder aufs Tapet gebracht wurde. Von Rechtsexpertinnen und Rechtsexperten erntet das Ansinnen großteils Skepsis, wobei die Bedenken naturgemäß von der Frage abhängen, um welche Art von Leistungen es sich überhaupt handeln soll.

So erklärte der Verfassungsjurist Heinz Mayer, dass man etwa das Arbeitslosengeld nicht anhand der Aufenthaltsdauer kürzen könne, weil es sich dabei um eine Versicherungsleistung handle. Bei der Sozialhilfe wiederum würde eine Kürzung, die auf EU-Bürger und Drittstaatsangehörige abzielte, gegen die Menschenrechtskonvention verstoßen, wie der Sozialrechtler Wolfgang Mazal jüngst im STANDARD befand. Für derartige Kürzungen sei der "Handlungsspielraum aufgrund europarechtlicher und menschenrechtlicher Regelungen sehr gering".

Nationalität kein Kriterium

Raab geht nun insofern auf die Kritiker zu, als sie erklärte, dass die Nationalität selbst kein Kriterium für Kürzungen sein solle. Dennoch würde der Plan vor allem Zuwanderer treffen und wird von der ÖVP auch bewusst so inszeniert. Der Sozialexperte der Diakonie, Christoph Riedl, wiederum geht in einem solchen Fall von einem Bruch des Gleichheitsgebots von Inländern untereinander aus. Er sieht in den ÖVP-Plänen "ein reines Wahlkampfgeplänkel". (bri, ook, ta, 23.8.2023)