Gastbeitrag: Marco Rapp und Markus Latzke

Mann der Papier in die Luft wirft im Büro
Leistungsmotivierte Menschen zeigen sich durch Ausdauer und Ehrgeiz.
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Ist es nicht spannend herauszufinden, wie jemand ist? Klatschzeitschriften, Sternzeichen oder die Auswertung von Facebook-Aktivitäten sind populäre Versuche, auf die Persönlichkeit von Menschen zu schließen und so deren Verhalten besser zu verstehen oder gar vorherzusagen. Auch Organisationen interessieren sich dafür, wie ihre Angestellten ticken, und ein Blick in österreichische Stellenanzeigen bestätigt, dass bestimmte Persönlichkeitseigenschaften besonders gefragt sind. Neben Berufserfahrung wird vor allem nach Personen gesucht, die selbstständig, teamfähig, flexibel und zuverlässig sind (Ergebnisse stammen aus dem JADE-Projekt der Universität Innsbruck).

Doch was ist eigentlich Persönlichkeit? In den Sozialwissenschaften wird Persönlichkeit meist als ein relativ stabiles Muster von Verhaltensweisen, Gedanken und Emotionen eines Menschen beschrieben, welche über unterschiedlichen Situationen hinweg gezeigt werden.

Eine gewisse Nervosität vor dem Kennenlernen der neuen Kolleginnen am ersten Arbeitstag bedeutet beispielsweise nicht automatisch, dass man introvertiert ist. Wer sich aber regelmäßig in Seminaren – vor allem in den Pausen – unwohl fühlt, in denen mit fremden Teilnehmern Smalltalk geführt werden sollte, oder wenn der Austausch mit mehreren Personen eher mehr Energie kostet, als er gibt, deutet dies eher auf Intraversion hin.

Karrierewege analysiert

Um Einblicke zu bekommen, welche Persönlichkeitsmerkmale Karrieren beeinflussen, haben wir die Karrierewege von Absolventinnen und Absolventen der Wirtschaftsuniversität Wien verfolgt und den Einfluss einer Vielzahl von Persönlichkeitsmerkmalen auf drei Erfolgskriterien untersucht.

Die ersten beiden Kriterien sind auch von außen sichtbar und gehören zum objektiven Karriereerfolg: Wie viel verdient jemand, und welche hierarchische Position nimmt er oder sie ein? Neben dem Gehalt und dem beruflichen Aufstieg haben wir auch die Zufriedenheit mit der eigenen Karriere, als Indikator für den subjektiven Karriereerfolg, untersucht.

Unsere Ergebnisse legen nahe, dass vor allem drei Persönlichkeitsmerkmale die Zahl auf dem Gehaltszettel beeinflussen: Leistungsmotivation, Flexibilität und Führungsmotivation. Leistungsmotivierte Personen zeichnen sich durch Ehrgeiz und Ausdauer aus und gehen beruflich wie privat gerne an oder über ihre Leistungsgrenzen hinaus. Die Managerin, die neben ihrem 60-Stunden-Job noch Marathon läuft und sich gleichzeitig sozial engagiert, wäre hierfür ein Paradebeispiel.

Führen wollen hilft

Flexibilität ist ebenfalls wichtig, also offen für Neues und veränderungsbereit zu sein, sowie die Neigung, Ungewissheiten zu tolerieren. Da höhere Gehälter meist auch mit Führungstätigkeiten verbunden sind, ist es nicht verwunderlich, dass auch Führungsmotivation eine Rolle spielt. Diese Begeisterung für Führungsaufgaben und der Wunsch, andere im Sinne der Organisation zu beeinflussen, ist für unseren zweiten objektiven Karriereerfolgsindikator sogar der mit Abstand einflussreichste Faktor.

Für den hierarchischen Aufstieg ist darüber hinaus eine gewisse Kontaktfähigkeit hilfreich. Diese umfasst das Zugehen auf andere und die Pflege von Beziehungen und Netzwerken. Zusätzlich sind auch die bereits angesprochene Flexibilität und Leistungsmotivation relevant.Während es bei Gehalt mit Leistungsmotivation und bei Aufstieg mit Führungsmotivation jeweils ein zentrales Persönlichkeitsmerkmal neben einer Reihe von weiteren Einflussfaktoren gibt, stellt sich die Situation beim subjektiven Karriereerfolg etwas anders dar. Hier ist es praktisch ausschließlich eine Eigenschaft, welche die Zufriedenheit mit der eigenen Karriere beeinflusst: emotionale Stabilität.

Personen mit hoher emotionaler Stabilität lassen sich nicht leicht aus der Ruhe bringen, zeigen eine gewisse Selbstsicherheit und sehen das metaphorische Glas eher halb voll als halb leer. Dadurch wird dieselbe Karrieresituation je nach emotionaler Stabilität eher als zufriedenstellend und chancenreich oder als frustrierend und aussichtslos empfunden.

Können Sie sich in den Ergebnissen nicht wiederfinden und haben dennoch die Karriereleiter erklommen? Persönlichkeit ist lediglich einer von vielen Einflussfaktoren und kann daher weder als Erfolgsgarant noch als Ausschlusskriterium für finanziellen Erfolg gesehen werden. Genauer gesagt lassen sich etwa zehn Prozent der Einkommensunterschiede durch Persönlichkeitsmerkmale erklären, Ähnliches gilt für Aufstieg und die Karrierezufriedenheit. Rund 90 Prozent werden durch andere Faktoren wie die eigene Leistung und Ausbildung oder geschicktes Netzwerken beeinflusst. (Marco Rapp, Markus Latzke, 25.8.2023)