Europaflaggen wehen im Wind vor der EU-Kommission
Das Hauptquartier der EU-Kommission in Brüssel.
REUTERS / Yves Herman

Seit Freitag gelten neue Spielregeln für die größten Online-Plattformen und Suchmaschinen: Der DSA, der Digital Services Act der Europäischen Union, soll eine Art Grundgesetz für das digitale Zeitalter werden. Mit dem DSA sollen die digitalen Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger der EU geschützt werden sowie klare Regeln gegen Hassrede und Falschinformation gelten. Der DSA sei das wirksamste Transparenzgesetz der Welt, hieß es am Freitag von Vertretern der EU-Kommission.

19 große Anbieter müssen seit Freitag die neuen Regeln einhalten. Diese Plattformen mit mehr als 45 Millionen aktiven Nutzerinnen und Nutzern müssen sich im Fall eines Verstoßes gegenüber der EU-Kommission verantworten. Bei Verstößen gegen den DSA können erhebliche Bußgelder von bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes anfallen.

Kampf gegen Hass im Netz

Für betroffene Unternehmen bedeutet der DSA konkret, dass Hassrede innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden muss und dass neue Schnittstellen für die Zusammenarbeit mit nationalen Behörden geschaffen werden müssen. Jedes Jahr muss darüber hinaus eine verpflichtende Risikoanalyse der eigenen Plattform durchgeführt werden, um aufzuzeigen, welche systemischen Gefahren von diesen ausgehen.

Das inkludiert den möglichen Userkontakt mit illegalen Waren oder Inhalten, aber auch die Verbreitung von Desinformation. Von Sperren oder Löschungen betroffene Personen sollen bei eigens einzurichtenden Behörden Beschwerde einlegen können. Außerdem ist zum Schutz von Minderjährigen die gezielte Werbung auf der Grundlage des Profilings von Kindern nicht mehr zulässig.

Zu den sehr große Online-Plattformen gehören:

Telegram und Porno-Plattformen auf dem Prüfstand

Als sehr große Online-Suchmaschinen hat die EU Bing von Microsoft und Google Search definiert. Diese Liste stellt nur den aktuellen Stand dar, wenn eine Plattform die Größe von 45 Millionen Nutzerinnen und Nutzern erreicht, wird sie von der Kommission zur Very Large Online Platorm (VLOP) erklärt, die den Regeln des DSA unterliegt. Aus Kommissionskreisen war zu erfahren, dass aktuell Telegram sowie diverse Plattformen für Online-Pornografie auf dem Prüfstand stehen. Aber: Die Kommission muss diesen Plattformen nachweisen, dass sie über mehr als 45 Millionen Nutzer verfügen – und das sei aktuell noch schwierig.

Nationale Behörden wären überfordert

Ungewöhnlich für die Union ist, dass die Durchsetzung des Regelwerks nicht den Nationalstaaten, sondern der Kommission selbst unterliegt. Einzelne Mitgliedsstaaten hatten Bedenken geäußert, dass sie mit der Überwachung der Auflagen überfordert sein könnten. Vor allem die Behörden in Irland haben sich für eine Überwachung des DSA durch die Kommission eingesetzt. Die meisten großen US-Onlinedienste haben ihre Niederlassungen in Irland.

Kleinere Online-Plattformen unterliegen dem DSA ebenfalls, ihnen bleibt aber noch bis Februar 2024 Zeit, das abgespeckte Regelwerk umzusetzen. Die Durchsetzung des neuen Regelwerks für kleinere Online-Plattformen obliegt den DSA-Koordinatoren der Nationalsaaten. Wer diese Aufgabe übernimmt ist in Österreich noch unklar. Mein sei diesbezüglich noch in Abstimmung, hieß es aus dem Büro von Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky.

"Durch den Digital Services Act dürfen große Online-Suchmaschinen wie Google oder Bing nicht mehr ihre hauseigenen Produkte, beispielsweise im Suchranking, vorrangig behandeln, sondern müssen auch konkurrierende Dienste anbieten. Somit wird Innovation gefördert und kleine Unternehmen nicht mehr gegenüber großen Plattformen benachteiligt", so Tursky.

Nach ihrer Benennung als große Online-Plattform oder große Online-Suchmaschine im April hatten die Betreiber vier Monate lang Zeit, ihre Plattformen regelkonform umzugestalten. So hat Meta vor kurzem die Sichtbarkeit von problematischen oder irreführenden Inhalten auf den eigenen Plattformen Facebook und Instagram eingeschränkt und eine Funktion implementiert, die es für Userinnen und User ermöglicht herauszufinden, warum ihnen gewisse Inhalte angezeigt werden.

Alle besserten nach, außer X

Google hat ebenfalls nachgebessert. Um mit den Spielregeln des DSA in Einklang zu sein, gibt es für Youtube-Creators die Möglichkeit, Einspruch gegen die Entfernung von Videos oder Einschränkungen einzulegen, wenn sie der Meinung sind, dass Google dabei einen Fehler gemacht hat. Dies war bislang nur sehr rudimentär möglich, und der Plattform wurde oft Willkür vorgeworfen.

Tiktok hat wiederum angekündigt, dass der eigene KI-gestützte Algorithmus zur Beitragsempfehlung in Europa auf Wunsch der Userinnen und User abgeschaltet werden kann. Tiktok startete darüber hinaus eine Transparenzbibliothek für Anzeigen. Außerdem wurde die Recherche-API für Forscher erweitert. Diese soll auch Forschenden in den USA zur Verfügung stehen.

Aber nicht nur das: Im Sinne der Transparenz sollen sowohl Forscherinnen und Forscher als auch die EU-Kommission Einsicht in die Algorithmen erhalten, um analysieren zu können, warum manche Beiträge viel mehr Menschen erreichen als andere.

Mit den betroffenen Unternehmen wurde in den vergangenen Monaten intensiv zusammengearbeitet, berichtet das Ö1-"Morgenjournal" unter Berufung auf Kommissionskreise. Nur bei Elon Musks Plattform X (vormals Twitter) herrsche trotz eines Stresstests durchgeführt von Vertretern der Kommission mit X-CEO Linda Yaccarino und Elon Musk, noch großer Aufholbedarf. Auf eine Nachfrage des STANDARD bei X hieß es lapidar, man werde sich "bald" melden. X droht eine Strafzahlung in der Höhe von 264 Millionen Dollar. (pez, 25.8.2023)