Genf/Luzern – Paukenschlag in der Uhrenbranche: In einer nüchtern gehaltenen Mitteilung kündigte der Genfer Luxusuhren-Hersteller Rolex am Donnerstag an, den traditionsreichen Uhren- und Schmuckhändler Bucherer, immerhin einer der größten der Welt, zu kaufen. "Nachdem Jörg Bucherer in Ermangelung direkter Nachkommen die Entscheidung gefällt hatte, sein Unternehmen zu veräußern, hat Rolex beschlossen, den bislang eigenständigen Uhrenfachhändler zu übernehmen", heißt es darin.

Die Marke Bucherer werde weiterhin eigenständig agieren und ihren Namen behalten. Mit der Übernahme wolle Rolex die enge Partnerschaft zwischen den beiden Unternehmen fortsetzen. Eine Partnerschaft, die seit 1924 besteht, wie Julien Rossier, Geschäftsführer der Bucherer-Boutique in der Wiener Innenstadt, bestätigt. In der Mitteilung von Rolex heißt es dazu, Jörg Bucherer sei "der letzte Geschäftsmann" gewesen, "der Rolex-Gründer Hans Wilsdorf persönlich gekannt und mit ihm zusammengearbeitet hat". Nach der Übernahme bleibe der 87-Jährige Ehrenpräsident der Bucherer-Gruppe.

Das Hauptquartier von Rolex in Genf
Das Hauptquartier von Rolex in Genf.
Rolex/Cédric Widmer

Jörg Bucherer führt das Familienunternehmen in dritter Generation als Präsident des Verwaltungsrats. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Luzern beschäftigt etwas mehr als 2.400 Mitarbeitende. Für die Angestellten seien nach der Übernahme durch Rolex keine Änderungen vorgesehen, sagte eine Rolex-Sprecherin dem Schweizer Sender SRF. Aktuell würden Rolex-Uhren in 53 Geschäften von Bucherer angeboten, in 48 Geschäften zudem die Uhren der Rolex-Marke Tudor. Bucherer sei außerdem offizielles Servicezentrum für beide Marken. Laut der Mitteilung betreibt Bucherer Schmuck- und Uhrengeschäfte in der Schweiz, den USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Dänemark und Österreich.

Win-win-Situation

Die Rolex-Gruppe sei überzeugt, "dass diese Übernahme die beste Lösung sowohl für die eigenen Marken als auch für das gesamte Uhren- und Schmucksortiment der anderen Partnermarken sowie für alle Beschäftigten der Bucherer-Gruppe ist", heißt es.

Sollte die Übernahme durch die Schweizer Wettbewerbskommission genehmigt werden, würde Rolex seine Marktmacht noch weiter ausbauen. Denn der Westschweizer Uhrenkonzern ist ein Schwergewicht der Branche. Laut Morgan Stanley lag der Marktanteil der Gruppe 2022 bei rund 30 Prozent. Das Unternehmen hat laut eigenen Angaben heute weltweit 14.000 Mitarbeitende, davon 9.000 in der Schweiz. Dort werden die Armbanduhren von Rolex an vier Standorten entworfen, gefertigt, zusammengebaut und getestet. Die Fertigung findet am Hauptsitz in Genf, in Plan-les-Ouates, in Chêne-Bourg und in Biel statt.

Historischer Einschnitt

Die Marke ist in circa 100 Ländern auf der ganzen Welt vertreten: mit über 30 Niederlassungen, einem großen Netz offizieller Fachhändler und rund 900 Servicezentren bei den offiziellen Fachhändlern der Marke oder in regionalen Niederlassungen eingerichteten Uhrmacherwerkstätten. Die Marke habe es in den vergangenen Jahren wie kaum eine andere geschafft, die Nachfrage nach ihren Produkten anzuheizen und über eine strikte Steuerung das Angebot zu verknappen, stellt das "Handelsblatt" fest. Das spiegle auch der Markt wider: Um gefragte Rolex-Modelle zum Listenpreis zu kaufen, mussten Uhrenfans mitunter jahrelang warten. Auch auf dem Gebrauchtuhrenmarkt erzielten Rolex-Uhren im Jahr 2022 Rekordpreise. Seither sind die Preise jedoch deutlich gefallen.

Hans Wilsdorf, Gründer von Rolex
Hans Wilsdorf, Gründer von Rolex.
Rolex

Zu den Geschäftszahlen (Schätzungen gehen von einem Jahresumsatz von über neun Milliarden Schweizer Franken aus) und der Summe, die er für Bucherer zu zahlen bereit wäre, schweigt sich der Luxusuhrenhersteller aus. Seit 2015 steht Jean-Frédéric Dufour als CEO an der Konzernspitze. Er ist erst der sechste Konzernchef seit der Gründung von Rolex durch den Deutschen Hans Wilsdorf, der den Markennamen 1908 offiziell registrieren ließ.

Für Rolex wäre der Einstieg in den Einzelhandel jedenfalls ein Novum: Abgesehen vom Stammhaus in Genf betreibt das Unternehmen keine weiteren eigenen Geschäfte. Stattdessen arbeitet Rolex mit einer größeren Zahl an Handelspartnern, die streng kontrolliert werden. Einem Bericht von Watchpro zufolge, habe Rolex auch gar nicht die Absicht in den Einzelhandel einzusteigen. Das Fachmagazin beruft sich dabei auf ein Statement des Uhrenhändlers Watches of Switzerland: "Dies ist kein strategischer Schritt von Rolex in den Einzelhandel", heißt es in der Erklärung, die der Londoner Börse heute Morgen vor der Eröffnungsglocke übermittelt wurde. Es werde keine operative Beteiligung von Rolex am Bucherer-Geschäft geben, so die Erklärung weiter. Als börsennotiertes Unternehmen müsse Watches of Switzerland seine Worte sorgfältig wählen, schreibt Watchpro. Deshalb habe Watches of Switzerland seine Erklärung "von der höchsten Ebene des Rolex-Managements im Rolex-Hauptquartier in Genf und vor Ort in Großbritannien und den USA prüfen und bestätigen lassen".

Für Bucherer ist es jedenfalls ein historischer Einschnitt: Nach 135 Jahren ist der Juwelier künftig nicht mehr in Familienhand. Laut Angaben des Magazins "Robb Report" schluckt Rolex auch die 1888 gegründete Uhrenmarke Carl F. Bucherer, die vollständig im Besitz der Familie Bucherer ist. (max, APA, dpa, 25.8.2023)