Rodrigo Diehl, CEO von Magenta
Die Netzabdeckung von 5G soll 2025 laut Magenta-CEO Rodrigo Diehl auf einem ähnlichen Niveau wie heute 4G sein.
Der Standard/Stefan Mey

Im Rahmen der eigenen Sommergespräche führt der STANDARD in der heißesten Zeit des Jahres Interviews mit den CEOs der größten österreichischen Telekommunikationsunternehmen. Den Auftakt machte Rudolf Schrefl, der 2023 den 20. Jahrestag von Drei in Österreich feiert. Nun folgt Rodrigo Diehl, der seit knapp einem Jahr die Geschicke von Magenta Österreich leitet. Eine seiner ersten Aufgaben im neuen Job: die äußerst unglücklich verlaufene Umstellung auf Magentas neue TV-Box wieder geradebiegen. Über dieses Thema spricht er im Interview ebenso wie über die jüngsten Tariferhöhungen, den Netzausbau und die Frage, ob jedes Modem auch einen Bridge-Modus braucht.

STANDARD: Gute Nachrichten für Sie: In der jüngsten Auswertung des Anbieters Ookla ging Magenta bei mobilem und fixem Internet als Testsieger hervor. Beim 5G-Netz werden vom gleichen Anbieter aber regelmäßig Drei die besten Werte attestiert. Hinken Sie bei 5G der Konkurrenz hinterher?

Diehl: Wir sind sehr stolz, dass wir diese Auszeichnung gewonnen haben, weil sie unabhängig von der Technologie ist. Die Analyse basiert auf 2,5 Millionen Messungen, die Kunden selbst gemacht haben. Es gibt verschiedene Tests und Messungen, die von verschiedenen Anbietern und Unternehmen gemacht werden. Nicht immer sind wir die Nummer eins, aber wir sind immer entweder die Nummer eins oder ganz, ganz nah an der Nummer eins. Ich glaube, dass Österreich besonders im Mobilfunk sehr starke Netze hat. Wenn man sich die Vergleiche mit anderen Ländern anschaut, performt Österreich sehr gut, und wir sind sehr zufrieden mit der Qualität unseres Netzes. Auch in den Tests sind die Werte sehr, sehr hoch.

STANDARD: Wo sehen Sie Potenzial, die Netze auszubauen und somit die Qualität zu verbessern?

Diehl: Ich glaube, Österreich hat auf der mobilen Seite schon sehr gute Netze. In Österreich ist die Geografie aber immer einer Herausforderung, also die vielen Berge. Man findet immer eine Ecke hinter einem Berg, wo das Mobilfunknetz nicht hinkommt. Daher arbeiten wir nicht nur an der Geschwindigkeit, sondern auch an der Netzabdeckung. Bei der 4G-Coverage sind wir eigentlich ganz gut unterwegs. Bei 5G-Coverage werden wir bis 2025 auf einem ähnlichen Level wie jetzt bei 4G sein.

"Wir sind jetzt auf dem richtigen Weg, aber der Ausbau von Glasfaser geht nicht so schnell wie jener von Mobilfunk."

STANDARD: Und wann können wir mit einer nahezu flächendeckenden Versorgung von Glasfaser rechnen?

Diehl: Auf der Fixed-Seite ist die Lage anders als bei Mobile. Beim mobilen Netz steht Österreich in Benchmarks gegenüber anderen Ländern eigentlich gut da, beim Festnetz stehen wir im europäischen Vergleich hinter vielen Ländern. Hier reicht es auch nicht, sich den Durchschnitt anzuschauen. Wir haben zum Beispiel auf unserem Festnetz alle Kunden schon über 100 Megabit/s, die durchschnittliche Geschwindigkeit in unserem Netz liegt mittlerweile um die 200 Megabit/s. Mehr als 50 Prozent unserer Neukunden bekommen Geschwindigkeiten über 250 Megabit/s. Somit stehen wir deutlich über dem österreichischen Durchschnitt. Aber das reicht nicht. Österreich muss überall auf diesem Level sein. Wir sind jetzt auf dem richtigen Weg, aber der Ausbau von Glasfaser geht nicht so schnell wie jener von Mobilfunk.

STANDARD: Warum?

Diehl: Um Österreich mobil abzudecken, spricht man von tausenden von Mobilfunkstationen. Um Österreich mit Glasfaser abzudecken, spricht man von Glasfaserleitungen, die in mehr als vier Millionen Häusern reingehen müssen. Deswegen braucht das natürlich viel mehr Zeit. Alles muss unter der Erde gebaut werden. Das ist auf der Infrastrukturseite schon ein Marathon. Aber ich glaube, wir sind in Österreich jetzt aufgewacht und auf dem Weg.

STANDARD: Was tun Sie selbst für den Festnetz-Breitbandausbau?

Diehl: Wir selbst investieren eine Milliarde Euro, um bis 2030 650.000 Haushalte beziehungsweise Betriebe mit Glasfaser zu versorgen. Heute haben wir 1,5 Millionen HFC-Haushalte (Hybrid Fiber Coaxial). Das sind Häuser mit Glasfaseranbindung, wo die letzte Meile aber ein Coaxial-Kabel ist. Diese Technologie ist gigabitfähig, die USA setzen sehr stark darauf. Bis 2030 wollen wir 200.000 weitere Häuser mit dieser Technologie anschließen.

STANDARD: Im Forum des STANDARD wird immer wieder beklagt, dass die beworbenen Geschwindigkeiten am Ende nicht ankommen. Ihr Konkurrent Drei macht es so, dass sie eine 5G-plus-Geschwindigkeitsgarantie anbieten. Wie gehen bei Ihnen beworbene Geschwindigkeit und reale Geschwindigkeit auseinander?

Rodrigo Diehl, CEO von Magenta
Auch Magenta hat im Frühjahr die Tarife an die Inflation angepasst. Wie andere in der Branche betont auch Rodrigo Diehl, dass Mobilfunk inflationsdämpfend wirkt.
Stefan Mey

Diehl: Die Geschwindigkeit, die der Endkunde am Ende im Gerät misst, ist von vielen Faktoren beeinflusst. Steht man hinter einer Wand, steht man neben einer Mikrowelle? Dann wird das Signal degradiert. Wir stellen sicher, dass die Geschwindigkeit, die der Kunde im Vertrag hat, auch die ist, die wir liefern. Aber die Messungen werden dann natürlich unter verschiedenen Konditionen gemacht. Wir als Anbieter können nur versuchen, das den Kunden so gut wie möglich zu erklären.

STANDARD: Im Frühjahr haben die Anbieter bestehende Handyverträge an den Verbraucherpreisindex angepasst. Wie stark war die Erhöhung bei Ihnen?

Diehl: Wir haben unsere Verträge ebenfalls nach diesen Indexierungsklauseln angepasst. In unserem Fall lag die Erhöhung bei 8,5 Prozent. Wir haben mit der Indexierung dem Großteil unserer Kunden aber auch einen Mehrwert gegeben. Beim Festnetz haben wir für ungefähr 500.000 Kunden permanent die Geschwindigkeiten erhöht. Zum Beispiel hatten wir noch Kunden, die 40 oder 70 Megabit im Vertrag hatten, die haben wir auf 100 Megabit erhöht. Auf der mobilen Seite haben wir dem Großteil der Kunden für den Lauf des Sommers mehr Datenvolumen gegeben.

STANDARD: Jetzt sinkt die Inflation wieder, zumindest ein wenig. Ist auch wieder mit sinkenden Tarifen zu rechnen?

Diehl: Es ist wichtig zu betonen, dass die Mobiltelefonie auch zuletzt wieder inflationsdämpfend gewirkt hat. Zur zukünftigen Preisgestaltung kann ich aus kartellrechtlichen Gründen nichts sagen.

STANDARD: Geld sparen sich die Konsumenten hingegen beim Roaming, zumindest innerhalb der EU. Die Telcos müssen sich die Nutzung dennoch gegenseitig verrechnen. Wie gehen Sie damit um?

Diehl: Roaming ist vom Geschäftsvolumen her marginal. Die Telekommunikationsindustrie ist aber überall national reguliert. Alle Länder haben eigene Regulierungen und eigene lokale Player. Und das bedeutet, dass es dort Marktpreise gibt und Roaming für uns Kosten verursacht. Wir versuchen, so gut wie möglich in dieser nationalen Logik den Kunden Lösungen anzubieten, welche die Needs der Kunden so gut wie möglich abdecken.

"Die Tarife wirken um fünf Prozent inflationsdämpfend, die Datenvolumina steigen um 30 Prozent. Die Netzkosten liegen bei uns, nicht bei den Streaminganbietern. Und wir befinden uns in einem extrem kompetitiven Markt."

STANDARD: Ein EU-Thema ist auch das Fair Share, also die gewünschte Abgabe von Netflix, Amazon Prime oder anderen Streaming-Anbietern an die Telcos. Wie argumentieren Sie diese Forderungen eigentlich?

Diehl: Eine Handvoll Anbieter belasten die Netze mit 70 Prozent der Datenvolumina. Diese Volumina steigen jedes Jahr zweistellig, weil sich die Qualität der Videos verbessert. Und wir glauben, dass diese Anbieter ihren Beitrag leisten sollten. Wie gesagt wirken unsere Tarife inflationsdämpfend. Zugleich erhöhen sich unsere Kosten zur Bereitstellung dieses Services jedes Jahr, weil diese Datenvolumen ja um rund 30 Prozent pro Jahr steigen. Wir müssen Investitionen tätigen, um unsere Kapazitäten zu erhöhen. Und deswegen glauben wir, dass die Anbieter, die diese Erhöhung in den Volumina, aber auch in unseren Kosten treiben, ihren Beitrag leisten sollten.

STANDARD: Jetzt argumentiert die Gegenseite, dass Sie diese Kosten dann an die Endkonsumenten eins zu eins weitergeben.

Diehl: Also, die Tarife wirken um fünf Prozent inflationsdämpfend, die Datenvolumina steigen um 30 Prozent. Die Netzkosten liegen bei uns, nicht bei den Streaminganbietern. Und wir befinden uns in einem extrem kompetitiven Markt.

STANDARD: Was man auch viel im STANDARD-Forum liest: Wenn ich zu einem MVNO (Mobile Virtual Network Operator) gehe, habe ich auch das Netz des großen, aber oft zu geringeren Tarifen. Wie gehen Sie mit dieser eigentlich sehr ungewöhnlichen Marktsituation um?

Diehl: Die Anbieter ohne eigenes Netz gibt es in Österreich schon seit Jahren, wir haben auch welche in unserem Netz, zum Beispiel Hot oder S-Budget. Mit diesen Playern haben wir langfristige, gute Partnerschaften. Und wir glauben, dass wir durch diese Partnerschaften verschiedene Segmente im Markt adressieren. Ich bin jetzt seit elf Monaten in Österreich, aber ich habe schnell gelernt, dass es einfach verschiedene Segmente gibt und Kunden, die ganz verschiedene Anforderungen haben. Und deswegen sehe ich unsere Partner einfach als Partner, die für uns ganz wichtig sind, um bestimmte Segmente im Markt zu adressieren.

STANDARD: Aber müssen sie denen dann auch in Zeiten hoher Inflation die Mehrkosten weitergeben? Wird es somit auch für Kunden von Hot und S-Budget demnächst teurer?

Diehl: Die Verträge mit den MVNOs gibt es seit Jahren. Sie wurden in Zeiten gemacht, in denen es keine hohe Inflation gab. Da es sich um private Verträge handelt, kann ich dazu leider nicht mehr sagen. Was ich sagen kann: Wir haben mit HoT, mit denen wir schon eine sehr lange Partnerschaft haben, die Partnerschaft verlängert.

"Mittlerweile gibt es einen Bridge-Modus."

STANDARD: Im Herbst, also vor ihrer Zeit als CEO, hat Magenta für Aufregung gesorgt. Grund war ein WLAN-Modem, bei dem der Bridge-Modus gestrichen wurde und an das man deswegen keinen eigenen Router anschließen konnte. Wurde das Problem inzwischen behoben?

Diehl: Ja, mittlerweile gibt es einen Bridge-Modus, das Problem wurde behoben. Ich glaube, die Industrie hat sich verändert. In der Vergangenheit, als wir nicht so viel zu Hause waren und Videokonferenzen gemacht haben, war die Qualität und das Abdecken von Wi-Fi in der gesamten Wohnung nicht so wichtig. Mit Covid hat sich das Paradigma komplett verändert. Plötzlich war das Internet zu Hause wichtig, um zu arbeiten, zu studieren. Plötzlich brauchte man in jedem einzelnen Raum sehr gutes Internet. Covid hat uns gezeigt, dass die In-Home-Vernetzung bei Vielen einfach nicht da war. Das Problem ist: wenn der Router nicht von uns kommt, dann kann ich auch nicht messen, wo das Problem liegt. Deswegen ist es für uns so wichtig, dass wir einen Router oder auch ein Mesh-Netzwerk beim Kunden haben, die von uns kommen. Dann können wir den Kunden viel besser helfen, die Qualität innerhalb der Wohnung zu verbessern.

STANDARD: Die Kunden, die sich einen eigenen Router, in die Wohnung stellen, sagen wiederum: Ich weiß selbst am besten, wie ich ihn konfiguriere.

Diehl: Was völlig okay ist. Allerdings haben wir hunderte von Ingenieuren bei uns, die sich damit beschäftigen. Da glauben wir, dass wir den Kunden helfen können. Aber natürlich, jeder Kunde kann entscheiden.

STANDARD: Wie viele Kunden nutzen einen eigenen Router oder ein eigenes Mesh-WLAN?

Diehl: Der Großteil nimmt einfach Router und Mesh von uns. Jene, die ihr eigenes Netz konfigurieren wollen, sind eher eine Nische. Rund zwei Prozent nutzen den Bridge-Modus und schließen einen eigenen Router an. Ich gehe mit unseren Technikern sehr viel raus. In den elf Monaten, seit ich hier bin, war ich selber noch in keinem Haus, in dem der Router nicht von uns war.

"Unser Team hat sich jeden einzelnen Kommentar in Ihrem Forum und in anderen Foren angeschaut."

STANDARD: Den Test zu Ihrer TV-Box titelten wir zu Jahresanfang wiederum mit "Kabelfernsehen zum Abgewöhnen", auch aus der Community gab es viel Kritik. Bemängelt werden unter anderem ein verwirrendes User-Interface und Fehler in der Aufnahmefunktion. Wurden diese Fehler inzwischen behoben?

Diehl: Ich habe im Oktober letzten Jahres angefangen und das war eines der ersten Themen, mit denen ich mich beschäftigen musste. Wir haben uns als Management-Team dem Thema mit höchster Priorität gewidmet und das Feedback sehr ernst genommen. Unser Team hat sich jeden einzelnen Kommentar in Ihrem Forum und in anderen Foren angeschaut. Ich selbst war jede Woche im Call-Center auf unserer TV-Service-Line und habe mir die Anrufe der Kunden angehört. Seitdem ich da bin, haben wir 15 Software-Releases für die TV-Box gemacht. Wir haben auch versucht, den Kunden mit positiven Nachrichten entgegenzukommen, ihnen zum Beispiel kostenlosen Content von Sky gegeben oder ihnen Video-on-Demand-Voucher im Wert von 50 Euro pro Monat geboten. Wo wir migrieren mussten, haben wir keine Indexierung gemacht. Mittlerweile haben wir 100 Prozent der Kunden migriert und wir haben auf der neuen Plattform 100.000 Kunden.

STANDARD: Und sind die nun zufrieden?

Diehl: Als Indikator schaue ich mir auch an, wie viel uns diese Kunden anrufen. Und mittlerweile ist die Call-Rate – die durchschnittlichen Anrufe pro Kunde pro Jahr – wieder da, wo sie im alten Produkt war. Zwischen Jänner und März war diese Rate deutlich höher. (Stefan Mey, 28.8.2023)