Eine junge Ukrainerin schwenkt eine blau-gelbe Landesfahne und protestiert gegen die russische Militäraggression. 
37 Prozent der Befragten meinen, dass es in der Ukraine Frieden um jeden Preis geben muss – auch um jenen, dass Russlands Angriffskrieg letztlich erfolgreich ist.
IMAGO/Olaf Schuelke

Linz – "Seit eineinhalb Jahren herrscht Krieg in der Ukraine. Dazu gibt es zwei Meinungen: Die einen sagen, dass die Ukraine kämpfen soll, um ihr Staatsgebiet zurückzugewinnen. Die anderen sagen, dass es Frieden um jeden Preis geben muss – auch um den, dass Russlands Angriffskrieg letztlich erfolgreich ist. Was meinen Sie?" Diese Frage legte das Linzer Market-Institut 805 repräsentativ ausgewählten Wahlberechtigten vor. Und nicht einmal jeder Zweite sagte, dass die Ukraine weiterkämpfen soll. In Zahlen: 42 Prozent unterstützen den Wunsch der angegriffenen Ukraine, ihr von Russland besetztes Staatsgebiet zurückzugewinnen – aber 37 Prozent meinen, dass es Frieden um jeden Preis geben muss. Das übrige Fünftel der Befragten kann sich für keinen der Standpunkte erwärmen.

Jene, die der Ukraine einen Verteidigungserfolg wünschen, sind in allen Altersgruppen etwa gleich stark vertreten – unter älteren Befragten sind die Befürworter eines Friedens "um jeden Preis", also zulasten der Ukraine, allerdings deutlich stärker vertreten als bei den Jüngeren, die häufig keine der Positionen teilen wollen. Viele Unentschiedene gibt es auch unter jenen, die derzeit nicht wissen, welche Partei sie bei der nächsten Nationalratswahl wählen sollen.

FPÖ-Wähler stechen heraus

Zum Vergleich: Im August des Vorjahres hat Market – ebenfalls im Auftrag des STANDARD – bei einer etwas anderen Fragestellung erhoben, dass damals 65 Prozent der österreichischen Wahlberechtigten eine Anerkennung russischer Gebietsgewinne abgelehnt haben. Damals waren nur 15 Prozent dafür, die Gebietsgewinne des Angreifers anzuerkennen. Market-Politikforscher David Pfarrhofer sagt dazu: "Schon damals waren es vor allem die freiheitlichen Wählerinnen und Wähler, die Russland eine Ausweitung seines Gebiets zugestehen wollten. Inzwischen sickert die Idee, dem Angreifer um des lieben Friedens willen nachzugeben, auch in andere Gruppen."

Allerdings: In den Wählerschaften fast aller Parlamentsparteien gibt es auch heute noch jeweils sehr deutliche (absolute) Mehrheiten, die der Ukraine einen Abwehrerfolg wünschen – nur bei den Freiheitlichen ist es mit ähnlicher Deutlichkeit umgekehrt: 63 Prozent der FPÖ-Wählerschaft wünschen sich einen Frieden, der einen Erfolg der russischen Angreifer bedeuten würde.

Wer zur Ukraine steht und wer eher nicht

DER STANDARD ließ auch fragen, ob die österreichische Bevölkerung meint, dass sich die Dinge in der Nato zurzeit in die richtige oder in die falsche Richtung entwickeln. Da meint eine relative Mehrheit von 43 Prozent, dass sich die Nato eher in die falsche Richtung entwickelt. 28 Prozent sehen eine richtige Entwicklung, und 29 Prozent machen keine Angabe. Auch hier sind es wieder die deklarierten Parteigänger der Parlamentsparteien mit Ausnahme der FPÖ, die überwiegend eine positive Entwicklung der Nato wahrnehmen. Die FPÖ-Wählerschaft und die im Hinblick auf die Nationalratswahl Unentschlossenen sind aber so deutlich gegen die Entwicklung der Nato, dass in der Gesamtbevölkerung ein negatives Bild überwiegt.

Allerdings: Die Entwicklung in Russland wird ziemlich einhellig noch schlechter bewertet: Nur fünf Prozent sehen eine positive Entwicklung in Russland – 79 Prozent dagegen meinen, dass sich die Dinge in Russland in die falsche Richtung entwickeln. Dies sehen auch zwei Drittel der FPÖ-Anhängerschaft so. Pfarrhofer: "Die Wählerinnen und Wähler der FPÖ sind keine dumpfen Putin-Versteher. Sie haben aber ein von Pazifismus und Neutralitätsillusionen geprägtes Weltbild, das man früher eher links verortet hätte. In den 1980er-Jahren hätte man dem das Etikett 'Lieber rot als tot' verpasst."

Jeder Zweite unterstützt Sky Shield

Schließlich stellte Market eine Frage zum sehr vielschichtigen Problem der Raketenabwehr, bei dem den Befragten sicherheitshalber erklärt wurde, worum es da geht: "In den letzten Wochen wurde ja beschlossen, dass sich Österreich an einem internationalen Projekt zur Raketenabwehr namens Sky Shield beteiligt. Auch dazu gibt es zwei Meinungen. Die einen sagen, dass dies eine gute Entscheidung ist, weil Österreich gemeinsam mit seinen Nachbarstaaten einen vergleichsweise kostengünstigen Schutz vor solchen Waffen bekommt und dies keinen Einfluss auf die Neutralität hat, da die Einsatzentscheidung in Österreich verbleibt. Die anderen sagen, dass ein mit den Nachbarstaaten koordinierter Schutz vor solchen Waffen der Neutralität widerspricht und Österreich auf dieses Projekt verzichten sollte. Welcher dieser beiden Meinungen stimmen Sie eher zu?"

Darauf sagte exakt die Hälfte der Befragten, dass sie Österreichs Teilnahme an Sky Shield für eine gute Entscheidung halten – Männer und ältere Befragte stimmen in besonders hohem Maße zu. Und wiederum gibt es in den Wählerschaften von ÖVP, Grünen, SPÖ und Neos eine Zweidrittelmehrheit, die zu Sky Shield steht, während bei den Menschen, die FPÖ wählen, die Neutralität ein stärkeres Gewicht hat als der Schutz der Bevölkerung durch das Abwehrsystem.

35 Prozent sagen klar, dass sie gegen Sky Shield sind, 15 Prozent äußern in dieser Frage keine Meinung. (Conrad Seidl, 28.8.2023)