Im Gastblog zeigt Rechtsanwältin Theresa Kamp, wie die komplizierten Fragen des Obsorgerechts geklärt werden.

Wenn Menschen sich nicht im besonders Guten trennen, will man häufig nichts mehr voneinander wissen. Hat man gemeinsam Kind(er), geht das nicht. Ob man will oder nicht, man wird unweigerlich verbunden bleiben. Die Kinder gehen beide etwas an. In der anwaltlichen Praxis erlebt man, wie erbittert um die Obsorge gestritten werden kann. Auch weil irrigerweise vermutet wird, die Obsorge habe etwas damit zu tun, wie häufig man das eigene Kind sehen dürfe. Dem ist aber nicht so. Wer wann die Kinder betreuen darf, ist nämlich eine Frage des Kontaktrechts. Obsorge meint die Pflege und Erziehung des Kindes, gesetzliche Vertretung und Verwaltung des Vermögens. Nicht leichter werden solche Fragen (vor Gericht), wenn ein Elternteil im Ausland lebt.

Bei der Beurteilung der Fragen der Obsorge ist vor allem wichtig, wie die Interessen des Kindes am besten gewahrt werden können.
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Die Sache mit der Obsorge

Die rechtliche Situation in Österreich sieht grundsätzlich so aus, dass bei unverheirateten Eltern die alleinige Obsorge der Mutter zukommt. Die Eltern können aber gemeinsam recht unkompliziert die gemeinsame Obsorge bestimmen, am Standesamt oder Gericht. Leben die Eltern getrennt, muss auch noch der Ort der hauptsächlichen Betreuung des Kindes festgelegt werden. Das ist regelmäßig bei dem Elternteil, bei dem das Kind sich mehr aufhält, meistens die Mutter. Einigt man sich nicht, kann auch ein Antrag auf gemeinsame Obsorge beim zuständigen Bezirksgericht gestellt werden. Seit 2013 soll die gemeinsame Obsorge eher der Regelfall sein. Das Gericht evaluiert aber die konkrete Situation, gibt es gute Gründe, die einer gemeinsamen Obsorge entgegenstehen, wird sie nicht festgesetzt werden. Sind die Eltern verheiratet, sind automatisch beide obsorgeberechtigt.

Wie sieht es vor Gericht aus?

Können sich die Eltern in Themen der Obsorge und oder des Kontaktrechts nicht einigen, ist das Gericht gefragt. Familienrichter:innen versuchen meist zuerst eine Einigung zwischen den Eltern zu forcieren. Es werden Sorgen und Ängste auf beiden Seiten gehört und manchmal gelingt es auch mit Unterstützung des Gerichts eine für alle tragbare Lösung zu finden. Ist das nicht möglich, kann das Gericht z. B. die Familiengerichtshilfe, bei der Psychologen oder Sozialarbeiterinnen arbeiten, mit einer Stellungnahme beauftragen. In manchen Fällen wird auch gleich eine Sachverständige mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, welche Regelung am ehesten im Kindeswohl gelegen wäre. Am Ende entscheidet dann das Gericht. Es sind langwierige, emotional aufreibende und manchmal auch kostenintensive Verfahren.

Gründe, die gegen eine gemeinsame Obsorge sprechen können

Die gemeinsame Obsorge soll eher den Regelfall darstellen. Die Grundidee einer Elternschaft auf Augenhöhe ist eine gute. Das Problem mit guten Grundideen ist, dass sie leider nicht immer auf die schwierigen Fälle anwendbar sind. Es gibt Situationen, wo die gemeinsame Obsorge nicht das richtige Modell darstellt und eben kein Allheilmittel ist. Beispielsweise in Fällen, wo ein Elternteil die Kinder als Anlass nimmt, um den oder die Expartnerin zu terrorisieren. Missbraucht ein Elternteil seine Obsorge und manipuliert z. B. das Kind oder übt seine Mitobsorge in schikanöser Weise aus, sollte eine gemeinsame Obsorge nicht vorgesehen werden.

Grundsätzlich sind für Fragen der Obsorge die Trennungsgründe der Eltern nicht relevant. Außer, diese Trennungsgründe stellen eine Kindeswohlgefährdung dar. Gewalt gegen die Kinder oder das andere Elternteil steht einer gemeinsamen Obsorge beispielsweise entgegen. Auch, wenn es nicht einmal ein Mindestmaß an Kommunikation oder Kooperation zwischen den Eltern gibt, ist es notwendig, dass Erziehungs- und Betreuungsmaßnahmen besprochen werden können. Kommunikation über E-Mail oder SMS ist aber in der Regel ausreichend. Außerdem haben die Gerichte bei schlechter Kommunikation eine Zukunftsprognose über die Möglichkeit einer Verbesserung dieser Kommunikation zu erstellen. In dem Zusammenhang ist auch wissenswert, dass nicht ein Elternteil die Kooperation und Kommunikation schuldhaft verweigern oder erschweren darf, um dann zu argumentieren, es gäbe keine Kommunikation.

Bei der Beurteilung der Frage ob gemeinsame Obsorge, ja oder nein, ist vor allem wichtig, wie die Interessen des Kindes am besten gewahrt werden können. Für die Gerichte ist das zugegebenermaßen eine Herausforderung.

Wohnsitz im Ausland oder großer Entfernung

Wenn Eltern in großer Entfernung voneinander leben oder ein Elternteil im Ausland, stellt sich manchmal die Frage, ob dies einer gemeinsamen Obsorge im Weg steht. Die kurze Antwort ist: Nein, generell nicht. Auch wenn Eltern in unterschiedlichen Ländern leben, ist eine gemeinsame Obsorge möglich und schließt die Zulässigkeit der gemeinsamen Obsorge nicht generell aus. Eine Voraussetzung der gemeinsamen Obsorge ist die Beteiligung beider Eltern an der Betreuung des Kindes. Als logische Folge braucht es für die Mitwirkung an den Betreuungsaufgaben einen Mindestkontakt des konkreten Elternteils zum Kind. Das kann aber auch aus dem Ausland erfüllt werden, wenn regelmäßige Kontakte stattfinden und der im Ausland lebende Elternteil bemüht ist, sich einzubringen. Dabei kann beispielsweise relevant sein, ob der im Ausland lebende Elternteil auch für den in Österreich lebenden Elternteil erreichbar ist oder auch bereit ist, immer wieder für Kontakte nach Österreich zu reisen. Dass die Fragen, wie und in welcher Form, ob im In- oder Ausland, diese Kontakte stattfinden, wer Fernreisen unternimmt und wie lang und ab welchem Alter das Kind ins Ausland reisen kann, ect. ebenso geregelt werden müssen und eigenes Konfliktpotenzial mitbringen, steht auf einem anderen Blatt.