Der Gastgarten auf dem Jodok-Fink-Platz wurde neu aufgebaut – das gepflegt angeranzte Interieur des alten Cafés durfte bleiben.
Der Gastgarten auf dem Jodok-Fink-Platz wurde neu aufgebaut – das gepflegt angeranzte Interieur des alten Cafés durfte bleiben.
Wasserbauer

Das Café Maria Treu, nach der Piaristenkirche vis-à-vis benannt, hatte zuletzt nur noch bis 16 Uhr offen, der Gastgarten auf dem Platz war auch dann nur schütter besetzt, vor allem im Vergleich zu jenem der Pizzeria nebenan. Es gab sogar Anrainerproteste, weil vermutet wurde, dass Betreiber Thomas Scardovi, der auch die Pizzeria betreibt, es in Wahrheit nur auf ebendiesen Gastgarten abgesehen habe.

Seit diesem Sommer ist derlei Spekulation hinfällig, das Lokal hat mit neuen Betreibern wieder offen. Ein schläfriges Kaffeehaus aus vergangener Zeit, wie es sich manche Nachbarn offenbar zurückgewünscht hätten, wird aber nicht mehr daraus. Es wurde von der Gruppe um Gabriel Alaev übernommen, die mit dem Ramasuri an der Ecke Praterstraße/Zirkusgasse, der Bar Pigalle, dem Café Drechsler, dem Zazatam sowie den Pizza-Randale-, Florentin- und Weinschenke-Burger-Outlets ein zusehends bemerkenswertes Gastro-Konglomerat unter ihren Fittichen hat. Der Name des Cafés wurde zu Treu säkularisiert, die Öffnungszeiten auf den ganzen Tag, von der Früh bis Mitternacht, ausgeweitet. Die Küche orientiert sich weitgehend am eklektischen Konzept, das man schon aus dem Ramasuri kennt, mit Fokus auf Brunch einerseits (täglich bis 15 Uhr) und unbekümmert internationale Küche andererseits.

So was zeitigt Wirkung: Der Gastgarten auf dem barocken Platz ist seit Wochen vom Frühstück weg gefüllt, das Publikum jung, der Service so fix, alert und aufmerksam, dass einem als Wiener Kaffeehausgast glatt schwummrig werden könnte. Über den Sommer wurde die Piaristengasse auch noch mit Klima-Grün behübscht und das Trottoir erweitert – der nahe Herbst könnte hier also besonders golden werden.

Zu trinken gibt’s abenteuerlich buntes Zeug, von Pink Negroni mit Ribisel-Zitronenschaum über Mojito mit Mandelsirup bis zu Lavendel-Veilchen-Spritzer. Auch der Pfirsich-Marillen-Eistee klingt gefährlich, schmeckt aber richtig hausgemacht gut. Weitra vom Fass ist eh auch da, einige Naturweine, die mitunter auch deutlich Kante zeigen, ebenso. Genauso wünschen sich das die jungen Leute – sonst wäre es wohl einfacher, hier einen Tisch zu ergattern.

Die Küche versteht sich darauf, die Freude am morgendlichen Bauchvollschlagen fugendicht zu bedienen: Ob Heidelbeer-Pancakes oder Frenchtoast mit Vanillesauce, ob Vegan Porridge mit Mandelmilch und Marillenröster oder Eggs "Benedetto" mit Hödl-Beinschinken und Safranhollandaise auf mehr als ordentlichem Breakfast-Muffin, ob Avo-Toast mit karamellisierten Cashews und spicy Mangochutney (nicht ganz so süß, wie’s klingt) oder kaffeehaustaugliche Ham and Eggs: Wer Brunch mag, wird es schwerhaben, hier nicht das Richtige zu finden. Der Kaffee, eine Alt-Wien-Spezialröstung, kann es auch – guten Morgen!

In Buttermilch mariniertes Backhendl mit Gurkenrahmsalat.
In Buttermilch mariniertes Backhendl mit Gurkenrahmsalat.
Wasserbauer

Auch abends ist die Küche fix bei der Sache. Gazpacho, passiert, mit fein gehackter Gemüsegarnitur, ist gut abgeschmeckt. Karfiol, mit leichter Rauchnote, bekommt Petersil-Zitronensalat und geräucherte Kaperncreme an die Seite, sehr gefällig. Mango-Papaya-Salat wird auf der Karte zwar als "thai" vermerkt, entpuppt sich aber als riesige Portion süßen Fruchtsalats mit Erdnüssen, wahlweise mit Hühnerspieß oder Black-Tiger-Garnelen – muss man wollen.

Hendl, Whisky, Cola

Viel besser: Backhendl, sehr knusprig, in Buttermilch mariniert, mit wirklich gutem Gurkenrahmsalat (siehe Bild). BBQ Pulled Chicken, wie alles hier in massiver Portion aufgetragen, wird mit einer verboten guten Salsa aus Whisky und Cola vermengt, mit rotem Coleslaw und geröstetem Joseph-Erdäpfelbrot serviert – sehr effektive Katerbesänftigung. Wer hinterher noch kann, darf sich an köstlich angekokeltem Cheesecake mit fein säuerlichem Marillenröster vergehen. Und für einen Moment dran glauben, dass dies hier eh noch ein Kaffeehaus sei. (RONDO, Severin Corti, 1.9.2023)