Auf das "historische" Gespräch zwischen dem israelischen Außenminister und seiner libyschen Amtskollegin folgten ein Karriereende und eine Flucht ins Exil. Die Beteuerungen der libyschen Regierung, dass das Zusammentreffen der beiden Chefdiplomaten in Rom ungeplant und nicht sehr freundlich gewesen sei, brachten keine Beruhigung des Volkszorns. Najla al-Mangoush wurde entlassen und nahm das erste Flugzeug ins Ausland, derweil Demonstranten in den Straßen von Tripolis israelische Fahnen verbrannten.

Libyens Außenministerin Najla al-Mangoush
Floh ins Ausland: Libyens Außenministerin Najla al-Mangoush.
AP/Darko Vojinovic

Israels Außenminister Eli Cohen hatte das Treffen in Rom als ersten Schritt zur Normalisierung mit Libyen präsentiert. Eine einfache Checkliste hätte gereicht, um Libyen als einen Ort zu identifizieren, an dem die Gelegenheit, die öffentliche Wut gegen Israel zu kanalisieren, dankbar aufgenommen werden würde: ein Land, in dem es den Menschen katastrophal schlecht geht; ein Land, in dem ein politisches Lager das andere von der Regierung verdrängen will; ein Land, in dem niemand die Straße unter Kontrolle hat; ein Land, in dem die Freiheit der eigenen Bevölkerung den (vermeintlichen) palästinensischen Interessen untergeordnet war; ein Land, in dem der israelisch-palästinensische Konflikt jahrzehntelang identitätsstiftend für den arabischen Nationalismus war (später wandte sich Oberst Muammar al-Gaddafi Afrika zu, aber dort nahm man nur seine Geldkoffer ernst).

Der diplomatische Pallawatsch, den Cohen angerichtet hat, ist nicht nur von Unprofessionalität, sondern auch von Frust geprägt. Seit 2020 die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und das kleine Bahrain und später noch Marokko – mit dem Sudan hat es nie funktioniert – mit Israel die Abrahams-Abkommen schlossen, hat sich nicht mehr viel getan. Vor allem Saudi-Arabien, das mit Kronprinz Mohammed bin Salman die Führerschaft in der arabischen Welt zurückerobert hat, entzieht sich weiter. Die Palästinenserpolitik der rechtesten Regierung, die Israel je hatte, bringt auch Staaten wie die VAE, die ihre Beziehungen zu Jerusalem gerne weiterentwickeln würden, in Schwierigkeiten.

Dabei wären israelisch-libysche Beziehungen politisch naheliegender, als sie im ersten Moment erscheinen. Immerhin hat das Machtzentrum in Benghazi, rund um General Khalifa Haftar, bereits 2021 seine Fühler heimlich nach Israel ausgestreckt. Und der Sponsor der Regierung in Tripolis ist die Türkei unter dem Superpragmatiker Recep Tayyip Erdoğan, der seit 2022 die Beziehungen zu Israel wieder normalisiert.

Der libyschen Führung fehlt jedoch das schlagende innenpolitische Argument, der sofortige Gewinn, den das Land aus einem Politikwechsel ziehen würde. In Marokko war das die Anerkennung seiner Souveränität über die Westsahara durch die USA und im Gefolge durch andere Staaten, auch durch Israel selbst. Da siegte der eigene Nationalismus. Aber auch Marokko verzögert derzeit die Abhaltung des Negev-Gipfels, des Formats der Abraham-Abkommen-Staaten. Mit dieser israelischen Regierung tun sich auch Friedenswillige schwer. Und der Fehltritt des Außenministers wird es möglichen Interessierten nun noch schwerer machen. Und jene arabische Staaten, die bereits Beziehungen haben, werden noch vorsichtiger werden. (Gudrun Harrer, 29.8.2023)