Zigaretten in Aschenbecher
Zigarettenfilter sind deutlich umweltschädlicher, als man vermuten würde. Ein Christian-Doppler-Labor forscht an nachhaltigen Alternativen.
Foto: Reuters

Nein, Greenwashing dürfe dabei nicht herauskommen. "Dann wäre grüne Chemie falsch verstanden worden." Über die Aufgabenstellung seines neuen Christian-Doppler-Labors für Cellulose-Hightech-Materialien an der Universität für Bodenkultur hat sich der Chemiker Hubert Hettegger lange Gedanken gemacht.

Hartes Auswahlverfahren

"Man bekommt als Wissenschafter nur einmal im Leben die Chance, ein CD-Labor zu beantragen und zu leiten", sagt der Forscher. Und nur wenn die Forschungsfragen optimal passen, und zwar für den Wissenschaftsbetrieb sowie die beteiligten Industrieunternehmen, überlebe die Idee im Auswahlprozess der Antragsstellung.

Tatsächlich hat sein Antrag überlebt, und jetzt erforscht Hettegger mit seinem Team, wie man Produkte umweltfreundlicher und weniger toxisch gestalten kann. Textilien, Farben, Bindemittel und nicht zuletzt Tschickstummel. Ja, auch die, denn "Zigarettenfilter sind ein massives Problem für die Umwelt", erklärt Hettegger.

Toxischer Plastikmüll

Denn obwohl die Filter im Prinzip aus natürlichen Rohstoffen bestehen – Cellulose und Essig(säure) –, ist die chemische Verbindung, das Celluloseacetat, ein Plastikprodukt. Das Problem liegt auf der Hand: Plastik ist biologisch schwer abbaubar. Dazu kommt, dass Zigarettenfilter laut Hettegger weltweit 20 Prozent des achtlos weggeworfenen Plastikmülls ausmachen.

Im neuen CD-Labor wird er folglich unter anderem an Alternativen forschen, um Zigarettenfilter biologisch abbaubar und damit umweltfreundlicher zu machen. "Das ist weit komplexer, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Denn in den derzeitigen Produkten steckt viel Entwicklungsarbeit", sagt Hettegger. Die Suche nach Alternativen führe über die grüne Chemie.

Der Grüne-Chemie-Pionier John Warner, der den Ausspruch prägte, dass "grüne Chemie nicht der einfachere Weg" sei, hat mit seinem Ansatz die Grundlagen für eine neue Disziplin geschaffen. Grüne Chemie soll weniger toxische, nachhaltigere und umweltfreundlichere Chemieprodukte und -prozesse entwickeln – und sich dabei auch eindeutig vom Greenwashing, also einer PR-Aktion zur Imagepolitur eines Verfahrens oder eines Werkstoffs, unterscheiden.

Irreführende Etikette

"Chemie ist derzeit häufig noch Petrochemie", sagt Hettegger. "Aber nicht alle Produkte, die Erdöl durch natürliche Rohstoffe ersetzen, sind deshalb gleich nachhaltig." So kann etwa Plastik nicht nur aus Erdöl, sondern auch aus Zuckerrohr oder Zuckerrüben hergestellt werden. Für Polyethylen wird dafür etwa Zucker fermentiert, also ein Schnaps (Ethanol) gebrannt, dieser dann zu Ethylen entwässert und via Polymerisation zum langkettigen Polyethylen weiterverarbeitet.

Plastikflasche im Ozean
Plastikflaschen sind überall auf der Erde anzutreffen. Scheinbar umweltfreundliche Alternative entpuppen sich bei näherem Hinsehen aber als weniger nachhaltig als vermutet.
REUTERS/Antonio Bronic

Polyethylenfolien oder auch PET-Flaschen aus Zucker sind deshalb aber noch lange nicht per se grün. Die Aufschrift "I am green" sei irreführend, sagt Hettegger. "Das Zuckerplastik ist von Erdölplastik ununterscheidbar und genauso schwer abbaubar." Ökologisch unbedenklich wäre Plastik erst, wenn es recycelt und im Kreislauf gehalten werden würde.

Für echte grüne Chemie heißt es daher "Try harder". Zum Beispiel bei der Farbstoffchemie: Diese sei bis jetzt noch immer eine Chemie auf Erdölbasis, sagt Hettegger. Aber es gebe Alternativen. "Wir versuchen gemeinsam mit einem Start-up, natürliche Farbstoffe auf Basis von Bakterienstämmen zu entwickeln."

"Nicht der einfachere Weg"

Ebenfalls im Fokus ist die Suche nach Alternativen zu toxischen Klebe- und Bindemitteln, etwa Phenol oder Formaldehyd. Hier bewahrheitet sich die Aussage, dass "grüne Chemie nicht der einfachere Weg ist", sagt Hettegger. Denn die toxischen Mittel werden eben deshalb eingesetzt, weil sie sehr reaktiv sind und daher auch sehr gut funktionieren. Das aber mache sie für uns auch so toxisch.

Ähnlich sieht es bei der Weiterentwicklung der Faserproduktion auf Cellulosebasis aus. Das funktioniere mit dem sogenannten Viskoseprozess zwar perfekt. Gleichzeitig müssten dafür toxische Stoffe eingesetzt werden – mit entsprechenden umweltschädlichen Folgen.

Explosive Alternativen

Die Alternative, der sogenannte Lyocell-Prozess, gilt zwar als das wesentlich umweltfreundlichere Verfahren. Das sei auch der Weg, den man einschlagen sollte, ist der Forscher überzeugt. Allerdings gibt es beim Alternativverfahren ein Problem. Die beim Prozess eingesetzten Chemikalien können instabil werden – und im schlimmsten Fall die ganze Produktionsanlage in die Luft sprengen.

Im Christian-Doppler-Labor sucht Hetteggers Team daher nach stabileren und umweltfreundlicheren Prozesschemikalien für den Lyocell-Prozess. Ein potenzieller Kandidat dafür: eine Eisen-Gallus-Lösung. Sie wurde schon im Mittelalter als Tinte verwendet. Ob ein darin vorkommender Bestandteil hält, was er verspricht, wird nicht zuletzt die Forschung im neuen CD-Labor zeigen. Es ist vorerst bis 2030 bewilligt. (Norbert Regitnig-Tilian, 4.9.2023)