Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Finanzsprecher Kai Jan Krainer (SPÖ).
APA/ROLAND SCHLAGER

Heuer im März war der türkis-grüne Deal für eine Mietpreisbremse noch geplatzt. Die ÖVP wollte grob gesagt noch ein Steuergeschenk für Wohnungs- und Eigenheimbesitzerinnen und -besitzer als Bedingung hineinverhandeln, was bei den Grünen auf massive Ablehnung stieß. Eine Entlastung der Mieterinnen und Mieter war damit vorerst vom Tisch. Bis Dienstagabend.

Überraschend gelang es der Regierung nun doch, sich auf einen Mietpreisdeckel zu einigen. Davon hielt die ÖVP um Kanzler Karl Nehammer bis vor kurzem eigentlich so gar nichts. Wie kam es zu diesem plötzlichen Sinneswandel?

Hört man sich in Regierungkreisen um, soll die ÖVP in der Sache tatsächlich auf die Grünen zugegangen sein. Vergangene Woche dürften die Gespräche gestartet sein, übers Wochenende wurde der Deckel schließlich Teil eines größeren Pakets. Ein Entfall der Grunderwerbssteuer beim ersten entgeltlichen Kauf eines Eigenheims bis zum Wert von 500.000 Euro, wie ihn die ÖVP im Frühjahr noch im Gegenzug vehement gefordert hatte, war da kein Thema mehr. Die Grünen nahmen den Meinungsschwenk des Koalitionspartners am Ende dankend an.

Es war aber wohl auch ein Versuch der Regierung, SPÖ und FPÖ die Show zu stehlen: Denn just wenige Stunden vor der Sondersitzung des Nationalrats zur Teuerung, die Rote und Blaue initiiert hatten, hat die Koalition Mittwoch Vormittag die Details für ihr neuestes Antiteuerungspaket präsentiert. So einigte sich die Regierung nicht nur auf den Mietpreisdeckel, der den Anstieg der Mieten für die kommenden drei Jahre auf maximal fünf Prozent beschränken soll. Teil des Pakets ist auch eine ausgeweitete Gewinnabschöpfung von Energieunternehmen und dass die Preise von Autobahnvignette und Klimaticket eingefroren werden.

SPÖ spricht von "Schmähdeckel"

Sozialdemokraten und Freiheitliche ließen sich dennoch nicht von ihren Plänen abbringen: In der Sondersitzung, die die Abgeordneten vorzeitig aus der Sommerpause geholt hatte, präsentierten die beiden Oppositionsparteien ihre Rezepte zur Bekämpfung der Teuerung; außerdem wurde die Regierung für ihre Untätigkeit beziehungsweise falschen oder unzureichenden Maßnahmen gescholten.

Zum Auftakt hagelte es gegenseitige Vorwürfe zwischen SPÖ und ÖVP. Los ging es um 12 Uhr mit der Debatte des dringlichen Antrags der SPÖ. Eingebracht wurde dieser von Finanzsprecher Kai Jan Krainer. Dieser hat gleich eingangs darauf verwiesen, dass die SPÖ bereits vor zwei Jahren vor der hohen Inflation gewarnt habe. Dennoch habe die Regierung nichts gegen die steigenden Preise getan.

Ob Energie, Wohnen oder Lebensmittel - in all diesen Bereichen sei "die Inflation durch die Decke gegangen", erinnerte Krainer und sprach von einer "vernichtenden Bilanz" der Regierung im Kampf gegen die Teuerung. Den Mietpreisdeckel bezeichnete dieser als "Schmähdeckel". Die SPÖ forderte in ihrem Antrag, der zum Abschluss der Sitzung abgelehnt wurde, stattdessen unter anderem alle Mieten bis Ende 2025 einzufrieren.

Kanzler räumt auch Fehler ein

Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) ließ diese Kritik nicht auf sich sitzen. Zwar sei es "das Recht der Opposition, das Glas als halb leer zu bezeichnen", mit dieser Einstellung würde man aber "keine einzige Krise lösen", sagte er. Den Großteil seiner Redezeit nutzte der Regierungschef dafür, das neueste Antiteuerungspaket zu bewerben und um nochmals zahlreiche von der Regierung gegen die Teuerung gesetzte Maßnahmen - darunter etwa der Antiteuerungsbonus, die ökosoziale Steuerreform und die Abschaffung der kalten Progression - aufzuzählen.

Insgesamt habe die Koalition Maßnahmen im Umfang von über 40 Milliarden Euro geschürt. Das sei "eine Summe, die man kaum greifen kann", sagte Nehammer. Der Kanzler betonte außerdem die Notwendigkeit inflationsdämpfender Maßnahmen, um die Menschen zu entlasten - und hat darauf verwiesen, dass die Inflation in den vergangenen Monaten bereits zurück gegangen sei, nämlich von elf auf sieben Prozent.

Nehammer räumte aber auch ein, dass "nicht alles perfekt" sei und Fehler passieren würden. "Nur dort, wo gearbeitet wird, können Fehler passieren." Das wahre Problem seien laut dem Regierungschef allerdings jene, "die in Zeiten er Krise die Ängste stärken" würden, "denn Ängste stärken immer die radikalen Kräfte, sei es links wie rechts".

"Populistischer Sand" und "Bullshit-Politik"

Den Ball der "radikalen Kräfte" nahm Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) auf, um FPÖ-Chef Herbert Kickl eine Botschaft auszurichten: "Ihnen ist der liberale, demokratische Rechtsstaat ein Dorn im Auge." Kickl sei laut Rauch eine Gefahr für Österreich. "Ihre Währung ist Hass und populistischer Sand, der den Menschen ins Auge gestreut wird." Die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer warf der FPÖ außerdem vor, selbst keine Lösungen gegen die Teuerung zu präsentieren.

Der blaue Parteichef ließ das freilich nicht so stehen und forderte einen sofortigen Mieten- und Gebührenstopp sowie einen Zinsdeckel. Die Schuldigen für die Teuerungswelle hat Kickl indes schon lange ausgemacht: die türkis-grüne Regierung. Konkret deren "halsbrecherische Politik der Energiewende" und die von der Koalition verhängten Lockdowns. Nicht als Ursache für die Inflation nannte der FPÖ-Chef den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und die dadurch gestiegenen Energiepreise.

Scharfe Worte in Richtung Regierung fand auch Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Sie warf Türkis-Grün "Arbeitsverweigerung" vor, die "Bullshit-Politik" betreiben würde - Stichwort "Normalitäts"-Debatte der ÖVP -, statt sich mit den realen Problemen der Menschen zu beschäftigen.

Die Debatte zur Teuerung war wohl nur ein Vorgeschmack, in welcher Tonart es im neuen Parlamentsjahr ab Herbst weitergehen wird. (Sandra Schieder, Jan Michael Marchart, 30.8.2023)