Die Einkaufssackerln, die zur Installation wurden, sind Teil der Schau: Sylvie Fleury, "Acne", 2014 Courtesy Galerie Mehdi Chouakri.
Gunnar Meier, Schweiz

Sieben bunte Ballen Kleidung türmen sich im Eck der Galerie des Museums für angewandte Kunst (Mak). Über den Bildschirm daneben flirrt ein Video, beides ist Teil einer Installation des Nest Collective aus Nairobi. So mancher wird sich erinnern: Während der Documenta 15 wies das Kollektiv auf der Kasseler Karlswiese auf die problematische Verschickung von Altkleidern aus dem Globalen Norden in afrikanische Länder hin. Die eindrucksvolle aus Kleiderballen gebauten Hütte gehörte damals zu den beliebtesten Fotomotiven der hessischen Kunstschau.

Im Mak geht sich im Rahmen der Ausstellung Critical Consumption leider keine Hütte aus, man sehe eine "reduzierte Version" jener Arbeit, die das interdisziplinäre Kollektiv in Kassel gezeigt hat, erklärt Kuratorin Lara Steinhäußer. In der Galerie ist für die prall gefüllten Bedeutungsträger leider wenig Platz: Zu ihrer Linken ist eine Arbeit der österreichischen Künstlerin Ines Doujak aufgebaut. Rechts hängt ein einst beschädigter Cardigan, den die Londoner Künstlerin Celia Pym mittels Visible Mending in ein gestopftes Kunstwerk verwandelt hat. Die Schau Critical Consumption, die ein Jahr lang in dem langgestreckten Raum im Untergeschoß des Mak zu sehen sein wird, will "Anstöße zur Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen unserer Zeit liefern", sagt der Pressetext.

Ausstellungsansicht zuCritical Consumption.
MAK/Georg Mayer
Celia Pym
Celia Pym – Vienna Cardigan – 2023
Celia Pym, Foto: Michele Panzeri

Verbannt ins Untergeschoß

Warum die kritische Modeausstellung dann im Untergeschoß gelandet ist? Themen des nebenan liegenden Designlabors sollen nun hier in verdichteter Form dargestellt werden, erklärt Museumschefin Lilli Hollein. Und: Die Mode werde in Zukunft nicht zwangsläufig in der Galerie, sondern an unterschiedlichen Orten des Mak zu sehen sein.

Sich in einem Museum für angewandte Kunst kritisch mit unserem Modekonsum auseinanderzusetzen liegt auf der Hand. Der Diskurs ist in der Breite angekommen und verspricht mediale Aufmerksamkeit. Vor allem junge Menschen, zerrissen zwischen der Faszination für Luxusmode, Fast Fashion und dem Willen, nachhaltiger zu konsumieren, hinterfragen die Mechanismen der Modeindustrie. Sollten sie mit der Schule diese Ausstellung besuchen (Schulklassen sind eine erklärte Zielgruppe der Schau), dürften einige Stücke zu Diskussionen anregen.

So wie zwei sprechende, prominente Arbeiten aus den Zehnerjahren: Sylvie Fleurys Sammlung an Einkaufstüten von Acne und Wang Bings Dokumentarfilm 15 Hours – so lange dauert der Arbeitstag der Näher und Näherinnen in der chinesischen Bekleidungsfabrik Huzhou. Wo sieht man sich zwischen Shoppingwahn und Konsumverzicht? Inmitten des Raumes werden hinter Glas historische Querverbindungen zur heutigen Modeproduktion hergestellt. Dort erfährt man beispielsweise, dass angesagte alternative Pflanzenfasern so neu nicht sind. Hingewiesen wird auf Aloe- und Kokosnussfasern aus dem 19. Jahrhundert in der Mak-Sammlung.

Wang Bing
Wang Bing, Dokumentarfilm "15 Hours", Hongkong, 2017, Courtesy Galerie Chantal Crousel, Paris.
Wang Bing

Man habe ein komplexes Thema auf kleiner Fläche zusammengebracht, räumt die Kuratorin ein. Tatsächlich will die Schau viel auf wenigen Quadratmetern: Wissen vermitteln, aufklären, Konsumtipps geben ("Buy what you love and love what you buy"). Einem Begleitprogramm wird glücklicherweise Raum gegeben. Zum Auftakt wurde über verantwortungsvollen Modekonsum diskutiert – in der luftigen Ausstellungshalle. (feld, 30.8.2023)

Ausstellung "Critical Consumption" im Mak, bis 8.9.2024