Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger
Am Donnerstag entschuldigte sich Aiwanger erstmals öffentlich.
APA/dpa/Lennart Preiss

München – In der Affäre um ein altes antisemitisches Flugblatt hat Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger nun die Fragen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schriftlich beantwortet. Die Antworten des Freie-Wähler-Chefs wurden nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in München am Freitagabend übermittelt. Söder hatte zuvor die Entschuldigung seines Stellvertreters als "überfällig" bezeichnet. Gleichzeitig forderte er die rasche Beantwortung von 25 Fragen.

"Am besten noch heute", wie Söder am Rande eines Termins im mittelfränkischen Bechhofen sagte. Eine förmliche Frist setzte er Aiwanger damit allerdings weiterhin nicht. Erst danach will Söder eine abschließende Entscheidung treffen, wie es weitergeht: ob er Aiwanger gut einen Monat vor der Landtagswahl entlässt oder nicht. "Ob es am Ende alles ausreicht, wird man erst nach der Beantwortung der Fragen entscheiden", sagte der CSU-Chef.

"Die Entschuldigung gestern war dringend notwendig", sagte Söder. "Sie war auch überfällig. Und deswegen ist das ein wichtiger Moment gewesen." Es blieben aber noch viele Fragen offen. "Für mich ist wichtig, dass die 25 Fragen jetzt umfassend und glaubwürdig beantwortet werden, und zwar zeitnah. Und zeitnah heißt am besten noch heute, im Laufe des Tages." Sodass dann für ihn eine faire, abgewogene und glaubwürdige Entscheidung möglich sei, betonte er.

SPD bot CSU Minderheitsregierung an

Bayerns SPD hat der CSU angeboten, dass die Landtagsfraktion eine Minderheitsregierung bis zur Landtagswahl toleriert - sollte Ministerpräsident Söder seinen Vize Aiwanger entlassen und die Koalition mit den Freien Wählern brechen.

"Wir würden aus Verantwortung für unseren Freistaat lieber bis zum 8. Oktober eine Minderheitsregierung der CSU tolerieren, als unsere bayerische Demokratie den Rechtspopulisten auszuliefern", sagte SPD-Landeschef Florian von Brunn am Freitag in München.

Er forderte Söder erneut auf, Aiwanger nach den Vorwürfen zu entlassen. "Die Aiwanger-Affäre um das antisemitische Flugblatt ist eine schwere Hypothek für Bayern und damit für die Regierung Söder", sagte von Brunn. "Der Schaden ist extrem groß und wächst mit jedem Tag weiter." CSU und SPD hätten zusammen nach aktueller Sitzverteilung eine Stimme Mehrheit im Landtag in voller Besetzung (103 von 205 Stimmen).

Entschuldigung gegenüber NS-Opfern

Aiwanger hatte bereits am Samstag schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die "Süddeutsche Zeitung" in ihrer Wochenendausgabe berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien "ein oder wenige Exemplare" in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf gestand Aiwangers älterer Bruder ein, das Pamphlet geschrieben zu haben.

Am Donnerstag entschuldigte sich Aiwanger dann erstmals öffentlich. In Bezug auf die Vorwürfe blieb er bei bisherigen Darstellungen - insbesondere, dass er das Flugblatt nicht verfasst habe und dass er sich nicht erinnern könne, als Schüler den Hitlergruß gezeigt zu haben. Gleichzeitig ging der Freie-Wähler-Chef zum Gegenangriff über, beklagte eine politische Kampagne gegen ihn und seine Partei.

"Ich bereue zutiefst, wenn ich durch mein Verhalten in Bezug auf das in Rede stehende Pamphlet oder weitere Vorwürfe gegen mich aus der Jugendzeit Gefühle verletzt habe", sagte Aiwanger. "Meine aufrichtige Entschuldigung gilt zuvorderst allen Opfern des NS-Regimes, deren Hinterbliebenen und allen Beteiligten und der wertvollen Erinnerungsarbeit." Von einem möglichen Rücktritt war keine Rede.

Schuster: Wille zu offener Aufklärung fehlt

Söder hatte seinem Vize schon am Dienstag einen Katalog mit 25 Fragen zu den im Raum stehenden Vorwürfen zur schriftlichen Beantwortung vorgelegt. Ein Sprecher Aiwangers sagte dazu am Donnerstag, diese würden nun "zeitnah" beantwortet.

Die Kritik an Aiwanger riss auch nach dessen Entschuldigung bisher nicht ab. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte der "Bild": "Die Entschuldigung von Hubert Aiwanger bei den Opfern und Hinterbliebenen der Shoah war ein guter, wenn auch längst überfälliger Schritt." Aber: "Bedauerlicherweise verbindet er dies mit einer Klage über eine politische Motivation der Vorwürfe und lässt weiterhin den Willen zu offener Aufklärung vermissen." (APA, red, 1.9.2023)