Ferrari
Die pure Freude an Männern in ihren rasenden Kisten: Michael Manns "Ferrari"-Film mit Adam Driver frönt der Lust auf PS.
Eros Hoagland / Biennale

Das Filmleben am Lido ist kein Zuckerschlecken. An den ersten Tagen des Festivals mit seinen vier Wettbewerbsgeschichten starben gleich mehrere Dutzend Filmfiguren. Dabei ist The Killer von David Fincher noch gar nicht in Venedig angekommen. Aber auch in den Beiträgen von Pablo Larraín, Luc Besson, Nicolaj Arcel und Michael Mann gab es gewaltsame Tode en masse.

Adam Driver, Regisseur Michael Mann und Patrick Dempsey Ferrari
Adam Driver, Regisseur Michael Mann und Patrick Dempsey gehören zu den wenigen Hollywoodstars, die heuer in Venedig den roten Teppich betreten.
REUTERS/YARA NARDI

Für den größten Trubel am Lido sorgte bisher Manns Ferrari über die Firmengründer Enzo und Laura Ferrari. Das lag einerseits an der Ausnahmegenehmigung der US-Schauspielgewerkschaft für den unabhängig produzierten Film, die es Hauptdarsteller Adam Driver erlaubte, Präsenz zu zeigen. Dafür bedankte er sich prompt mit einem Appell an die Studios, ihre Kreativen angemessen zu entlohnen. Andererseits ist die Firmengeschichte der berühmten Automarke ein norditalienisches Heimspiel, auch wenn der 80-jährige Amerikaner Mann seine Geschichte auf Englisch erzählt. Nicht nur der Italo-Akzent vieler Figuren erinnert an das Firmen-Biopic House of Gucci, ebenfalls mit Adam Driver. Diesmal geht es ernster und nicht so unfreiwillig komisch zu. Die Toten? Sind den vielen Unfällen der Autorennen geschuldet.

Lange im Leerlauf

Der Film spielt 1957 ,als der Autobauer finanziell und privat in der Krise steckt. Laura Ferrari, genial gespielt von Penélope Cruz, ist als Ehefrau und Geschäftspartnerin weder im Nachkriegsitalien noch in Michael Manns Biopic mehr als eine Nebenfigur. Wie Enzo Ferrari interessiert sich der Film vor allem für die schnellen Autos und ist dann am besten, wenn der Tourenzähler nach oben dreht, erzählt ansonsten aber lange im Leerlauf. Standing Ovations gab es bei der Venedig-Premiere dennoch.

FERRARI - Official Teaser Trailer - In Theaters Christmas
NEON

Mehr Biss haben da schon die beiden nichtenglischsprachigen Wettbewerbsfilme Bastarden aus Dänemark und El Conde aus Chile. In Ersterem begibt sich Nicolaj Arcel mit Hauptdarsteller Mads Mikkelsen ins 18. Jahrhundert und geografisch wie moralisch an die Grenze der Zivilisation. Ex-Legionär Ludvig ist der titelgebende "Bastard" eines Adeligen und einer Magd, der es sich und der Welt unbedingt beweisen will. Der Film entwirft eine Art kargen Siedler-Western, angesiedelt in der Heide von Jütland.

Simon Bennebjerg, Amanda Collin und Mads Mikkelsen Bastarden / The Promised Land
Das dänische Team von "Bastarden / The Promised Land" streikt nicht und war in Venedig zu Gast: Simon Bennebjerg, Amanda Collin und Mads Mikkelsen.
IMAGO/Dave Bedrosian

Augusto Pinochet

Im Kampf mit dem lokalen Baron geht der Ehrgeizling aufs Ganze und wird blind für das Gute, das außerhalb seines Lebensplans liegt. Der internationale Titel The Promised Land ist auch ein böser Schmäh gegenüber der Hollywood-Welt, die Regisseur Nicolaj Arcel inspiriert und die letzten Jahre beschäftigt hat.

Auch der Chilene Pablo Larraín ist im Geschäft mit dem neuen Hollywood. El Conde ist eines jener Prestigeprojekte, die sich Streamingriese Netflix immer wieder leistet Streamingstart soll gleich im September sein. Dem verrückten Resultat nach zu urteilen bekam Larraín eine Carte blanche. Der Graf im Titel ist nämlich kein Geringerer als Augusto Pinochet, der in dieser tiefschwarzen Schwarz-Weiß-Komödie als Vampir enttarnt wird.

Netflix

Blutsauger-Metapher

Der politische Wiedergänger fliegt in seiner Diktatorenuniform herum und versorgt sich mit frischen blutigen Herzen. Die Idee, die Blutsauger-Metapher des neoliberalen Klassenkampfs von oben wörtlich zu nehmen, sorgt für einen guten Schmäh. In der Ausgestaltung als wilde Familiengeschichte fehlt dann aber doch der Fokus. Immerhin setzt es im Finale noch einen tollen Überraschungsauftritt.

Der "DogMan" Caleb Landry Jones ist ein gewiefter Hundeflüsterer.
Biennale

Luc Besson feiert am Lido mit Dogman ein überzeugendes Comeback. Der im Vorfeld bereits als "Joker in Drag" beschriebene Außenseiterthriller um einen mörderischen Hundeflüsterer mit Handicap stieß in Venedig auf überwiegend positive Reaktionen. Top-Favorit auf den Goldenen Löwen ist der Hundefilm trotzdem nicht. Österreichischer Kinostart ist bereits im Oktober. Am Lido geht es am Wochenende nun hoffentlich friedlicher weiter, ohne noch mehr Tod in Venedig. (Marian Wilhelm aus Venedig, 2.9.2023)