Im Gastblog zeigt Rechtsanwaltsanwärterin Jasmin Slavik, welche besonderen rechtlichen Fragen im E-Sport-Bereich aufkommen.

Die Themen E-Sport und Computerspiele boomen wie noch nie zuvor. Der E-Sport ist ein ernstzunehmendes Business geworden, das wächst und wächst, mit dem aber auch knifflige rechtliche Fragen einhergehen – sei es die Dauerbrennerdiskussion über die Anerkennung des E-Sports als Sport im rechtlichen Sinn oder der medienwirksame Prozess rund um Lootboxen in Videospielen. Nun hat der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) sogar den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu einer "Gaming-rechtlichen" Frage angerufen: Der EuGH soll klären, ob eine Cheat-Software für Computerspiele eine Urheberrechtsverletzung sein kann. Damit ist auch besonders die Rolle der Publisher im E-Sport ins Rampenlicht gerückt. Aber wer sind diese Publisher überhaupt? Welche Rechte haben sie? Haben diese auch Pflichten? Und vor allem: Wie wichtig sind sie für den E-Sport?

Der Urheber und sein Spiel

Ein großer Unterschied zwischen E-Sport und "traditionellem" Sport zeigt sich in der unterschiedlichen urheberrechtlichen Behandlung. Während es im realen Fußball niemanden gibt, der das "Recht am Fußball" innehat, sieht es bei dem Fußballvideospiel "Fifa" schon ganz anders aus. Das Urheberrecht besagt, dass der Urheber das alleinige Recht hat, sein Werk öffentlich zugänglich zu machen, zu vervielfältigen, zu verbreiten, zu senden, zu verleihen und aufzuführen.

Aufnahme eines E-Sport-Turniers
E-Sport erfreut sich einer immer größeren Beliebtheit. Dementsprechend gewinnen auch juristische Fragen eine immer größere Bedeutung, etwa wenn es um Urheberrecht geht.
APA/AFP/CHRISTOPHE ARCHAMBAULT

Grundsätzlich sind Werke – also eigentümliche geistige Schöpfungen – in Österreich durch das Urheberrechtsgesetz geschützt. Diese Werke genießen dann (Urheberrechts-)Schutz, wenn es sich nicht um herkömmliche (im Sinn von landläufig seit jeher übliche) Gestaltungen handelt. Sie müssen demnach eine gewisse Originalität – also schöpferische Eigenart – aufweisen. Computerspiele selbst finden sich jedoch nicht im Urheberrechtsgesetz. Bedeutet dies nun, dass der Schöpfer eines Computerspiels keinerlei Rechte mehr an dem Spiel hat? Diese Frage lässt sich mit einem einfachen Nein beantworten.

Urheberrechtlichen Schutz genießt in erster Linie das Computerprogramm, also die diversen Codes (zum Beispiel die Quellcodes). Nicht geschützt ist die Idee des Computerspiels selbst. Wird dieselbe Idee oder dasselbe Genre von jemand anderem aufgegriffen, aber ein anderer Quellcode benutzt, wird kein Urheberrecht verletzt. Doch nicht nur die Codes sind geschützt. Computerspiele können auch als Werke der Tonkunst (zum Beispiel Soundtracks) oder als literarische Werke urheberrechtlichen Schutz genießen. Zu denken ist hier vor allem an Rollenspiele, in welchen Bücher, Briefe oder Ähnliches vorkommen. Hinzu kommt noch ein Schutz des Designs bestimmter Spielfiguren oder Ausrüstungsgegenstände. Last but not least können Computerspiele – oder Teile davon – als Werke der Filmkunst geschützt sein. Besonders offensichtlich ist das beim Einspielen von Zwischensequenzen, also kurzen Filmszenen, welche Handlungen im Computerspiel vermitteln und während deren Dauer der Spieler meist keinen Einfluss auf den Spielverlauf hat.

Urheber ist immer jene Person, welche das Werk geschaffen hat. Ihm alleine stehen die ausschließlichen Verwertungsrechte zu. Er kann jedoch anderen eine Werknutzungsbewilligung oder ein Werknutzungsrecht erteilen. Konkret bedeutet das, dass der Urheber einem anderen das Recht einräumt, seine Schöpfung auf solch eine Weise zu verwerten, wie sie sonst nur dem Urheber zusteht. Dies geschieht in Form einer sogenannten Werknutzungsbewilligung. Wird dem Dritten sogar das ausschließliche Recht zur Verwertung eingeräumt, spricht man von einem Werknutzungsrecht. Im E-Sport werden all diese Rechte gebündelt, und zwar beim Publisher, der dadurch eine nahezu allmächtige Position einnimmt.

Publisher und Developer als maßgebende Schlüssel-Player

Wer ist nun dieser ominöse Publisher? Wie bereits erwähnt, ist es in der Praxis meist so, dass ein Unternehmen alle Rechte an einem Computerspiel in einer Position vereint. Der Publisher vertreibt das Spiel unter seiner eigenen Marke und vergibt Lizenzen. Von bekannten Publishern wie Electronic Arts (EA) oder Ubisoft werden die meisten Leute sogar schon einmal gehört haben. Auch in Österreich gibt es inzwischen eigene Publisher.

Der Publisher darf dabei nicht mit dem Developer verwechselt werden. Der Publisher gibt die die Entwicklung der Spiele in Auftrag, finanziert und vermarktet diese auch letztendlich. Der Begriff Developer bezeichnet den Spieleentwickler, und dieser setzt sich aus Teams aus Designern, Produzenten, Grafikern, Programmierern, Autoren, Komponisten und Testern zusammen.

Publisher und Developer können – müssen aber nicht – dieselbe Person sein. Große Unternehmen wie Electronic Arts haben meist eine eigene Entwicklerabteilung. Publisher, welche sich externer Entwicklerstudios bedienen, sind dann zwar nicht selbst Developer, aber halten dennoch die Lizenzen für das Spiel, weil sie dem externen Developer die exklusiven Lizenzen an den Spielen abkaufen. Das führt dazu, dass der Publisher im E-Sport die stärkste Position innehat, weil – wie noch zu zeigen ist – ohne seine Zustimmung wenig bis gar nichts möglich ist.

Während der Publisher der Rechteinhaber ist, ist der Developer derjenige, der das Spiel entwickelt hat. Der Publisher ist gewissermaßen der "Rechtekönig" im E-Sport. Das ermöglicht ihm – wie noch näher zu zeigen ist – unter anderem die Festlegung der grundlegenden Spielregeln. Er hat auch "die Fäden in der Hand", wenn es darum geht, zu entscheiden, unter welchen Konditionen mit ihren Spielen öffentliche Wettkämpfe durch Dritte ausgerichtet werden dürfen. Der Publisher dirigiert folglich das E-Sport-Geschehen.

Die Allmacht der Publisher im E-Sport

Alleine sie können die Regeln bestimmen und ändern. Nur sie legen fest, ob E-Sport-Wettkämpfe ausgetragen werden können. Auch ob gestreamt oder gefilmt werden darf, wird allein von ihnen bestimmt. Durch diese Rechte haben die Publisher einen immens großen Spielraum bei der Ausgestaltung ihres Geschäftsmodells. Aufgrund dieser Freiheit bieten sich ihnen auch zahlreiche Möglichkeiten, um hohe Gewinne mit dem Spiel zu erwirtschaften. Denn nicht nur mit dem Verkauf des Spiels an sich kann Geld lukriert werden. Tatsächlich sind viele Spiele (zum Beispiel "League of Legends") sogar kostenlos spielbar. Hier können mit In-game-Käufen, Werbungsschaltung, Sponsorings und Lizenzen ordentliche Gewinne eingefahren werden. Aus all dem kann wohl kühn die Behauptung aufgestellt werden, dass die Publisher die (womöglich gar nicht so) geheimen Herrscher des E-Sports sind.

Cheating kann Urheberrechtsverletzung sein

Besonders erwähnenswert ist die Tatsache, dass am Quellcode des Computerspiels ohne Zustimmung des Urhebers keine Änderungen vorgenommen werden dürfen. Das bedeutet, dass das Regelwerk eines Computerspiels nicht einfach so geändert werden kann. Versuchen also E-Sportler, in den Quellcode eines Computerspiels einzugreifen, um sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil zu erschleichen, kann das eine Urheberrechtsverletzung darstellen. So musste sich auch der deutsche BGH erst kürzlich mit einer potenziellen Urheberrechtsverletzung aufgrund einer Cheat-Software auseinandersetzen. Ein Computerspielentwickler verklagte den Hersteller einer Cheat-Software, mit welcher man sich bei einem seiner Rennspiele Erleichterungen verschaffen konnte. Konkret ging es um ein Rennspiel, bei welchem man mit der Cheat-Software beispielsweise einen Turbo oder weitere Fahrer freischalten konnte. Nach Meinung des Spieleherstellers würde es sich dabei um eine unzulässige Bearbeitung und damit um eine Urheberrechtsverletzung handeln. Nach der gegenteiligen Ansicht wurden mit der Cheat-Software jedoch lediglich die im Arbeitsspeicher der Konsole abgelegten Daten verändert. Somit würde nur der Ablauf des Computerspiels, nicht aber die Computerbefehle selbst, verändert werden. Der Ablauf des Computerspiels selbst ist aber nicht durch das Urheberrechtsgesetz geschützt, und eine Änderung desselben stelle somit keine Urheberrechtsverletzung dar. Schlussendlich rief der deutsche BGH den EuGH an. Dieser muss nun klären, ob diese Art der Cheat-Software gegen das Urheberrecht verstößt.

E-Sport-Veranstaltungen: Lizenzen über Lizenzen

Heutzutage werden nicht mehr bloß Fußball, Formel 1 oder Skirennen live übertragen. Die Zeiten, in denen bloß klassische Sportwettkämpfe vor einem Publikum ausgetragen wurden, gehören der Vergangenheit an. Mittlerweile füllen E-Sport-Wettkämpfe ganze Hallen mit Zuschauern, welche ihre Helden begeistert anfeuern. Anders jedoch als etwa bei einem Boxkampf befinden sich nicht bloß zwei Personen mit Boxhandschuhen im Mittelpunkt des Geschehens. Denn das Hauptaugenmerk liegt hier tatsächlich weniger auf der Person des Spielers als auf dem Spiel selbst. Durch die Aufführung des Videospiels wird das urheberrechtliche öffentliche Wiedergaberecht berührt. In der Regel schließt der Veranstalter des E-Sport-Events mit dem Publisher einen Lizenzvertrag ab, welcher alle urheberrechtlichen Punkte regelt. Da die meisten dieser Veranstaltungen auch online abrufbar sind, sind zudem auch das Zurverfügungstellungsrecht und das Senderecht zu beachten. Ohne die Zustimmung des Publishers ist also auch keine Online-Zurverfügungstellung möglich.

Duldung von Streaming und Let's-play-Videos

Youtube und Twitch sind nur zwei der Plattformen, auf denen Streamer unterwegs sind. Unterschieden werden kann zwischen Livestreams und Let's-play-Videos. Bei einem Livestream handelt es sich um eine Liveübertragung, welche die Gamer beim Spielen zeigt. Bei Let's-play-Videos wird hingegen ein Teil des Spiels vom Spieler aufgezeichnet, kommentiert und auf einer Plattform hochgeladen. Der Unterschied besteht in erster Linie darin, dass die Zuschauer bei einem Livestream mit dem Spieler über einen Livechat interagieren können. Zu beachten sind dabei vor allem das Vervielfältigungsrecht und abermals die Tatsache, dass es sich auch hierbei um eine öffentliche Wiedergabe handelt. Daher ist die Zurschaustellung solcher Streams oder Videos nur mit Zustimmung oder Duldung des Publishers zulässig. In der Praxis wird von den großen Publishern wie Electronic Arts (EA) und Ubisoft diese Art der öffentlichen Wiedergabe auf Plattformen wie Youtube – unter anderem zu Werbezwecken – in der Regel geduldet.

Erschweren Publisher die Anerkennung als Sportart?

Die Frage, ob E-Sport nun als Sportart anerkannt werden sollte, erhitzt nun schon seit geraumer Zeit die Gemüter. Eines der treibenden Argumente der Gegner einer Anerkennung ist in der Tat die Stellung der Publisher. Denn während im traditionellen Sport ein hierarchisches System mit Verbänden herrscht, liegt im E-Sport das letzte Wort immer bei den Publishern. Aufgrund ihrer rechtlichen Stellung haben die Publisher die Macht, Regeländerungen nach Gutdünken durchzuführen. Darüber hinaus können sie durch Änderungen im Spiel auf Spielverläufe Einfluss nehmen. Dies ist zum Beispiel mit sogenannten Nerfs oder Buffs möglich. Mit einem Nerf schwächen die Publisher einen starken Charakter oder Gegenstand ab, mit einem Buff werden diese gestärkt beziehungsweise verbessert. Dies geschieht mittels Updates, also durch sogenannte Patches. Finden diese Verschlechterungen bzw. Verbesserungen während einer Spielsaison statt und favorisiert ein Spielerteam genau diese Gegenstände beziehungsweise Charaktere, so können sich die Gewinnchancen dieses Teams drastisch verschlechtern beziehungsweise verbessern. Ein solch massiver Eingriff ist beim Fußball oder Skifahren (wohl) nicht möglich.

Eben genau diese Abhängigkeit von gewinnorientierten Wirtschaftsunternehmen bietet eine große Angriffsfläche für die Gegner einer Anerkennung des E-Sports als "echter" Sport. Doch auch hierfür gibt es Lösungen, der Grundsatz der Vertragsfreiheit kann Abhilfe schaffen. Denn die Veranstalter von Wettkämpfen und Publisher können vor oder während eines Wettkampfes Nerfs, Buffs oder sonstige Einflussnahmen vertraglich ausschließen. Die E-Sportler, welche in den Wettkämpfen gegeneinander antreten, wären somit immer eine gewisse Anzahl an Patches (also Updates) hinter dem Spiel. Das bedeutet, dass für die Wettkämpfe die Fähigkeiten und Stärken der Spielelemente so eingefroren werden, wie sie eine gewisse Anzahl an Patches davor waren. Die E-Sportler treten quasi mit einer "veralteten" Version an. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass der Publisher während der laufenden Meisterschaft aktiv in das Spiel eingreift.

Fazit und Ausblick

Egal ob Lootboxen, Cheat-Software oder die Anerkennung als Sport – das E-Sport-Recht hat auch in der Juristerei einen festen Platz gefunden, der zum Nachdenken und rechtlichen Diskurs einlädt. Auf E-Sport-Stammtischen in juristischer Zusammensetzung wird vor allem die Stellung des Publishers heiß diskutiert. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass dem Publisher eine Schlüsselrolle im E-Sport-Universum zukommt. Er ist der Dirigent des E-Sports und gibt die Regeln vor, nach denen gespielt wird. Diese schier unbegrenzte Macht des Publishers wird teilweise auch schon sehr kritisch gesehen, weil sie nach Kritikern die Interessen des E-Sports als sporttypische Wettkampfkultur beeinträchtigt. Die gegenwärtig anhängigen und zukünftigen Rechtsverfahren werden zeigen, ob die Position der Publisher weiter gestärkt oder eine Schwächung erfahren wird. (Jasmin Slavik, 5.9.2023)