Die kleine Gruppe war am Dienstag schon vor dem Wiener Straflandesgericht zur Stelle. Während drinnen der ehemalige Burgschauspieler Florian Teichtmeister ("Corsage", "Tatort") vor dem Richter stand, forderten sie einen Stopp des "politisch geförderten Kindesmissbrauchs", wie auf einem Transparent zu lesen war. Ein Demonstrant hatte einen großen Galgen dabei, auf dem "Teichtmeister" zu lesen war, samt des Zusatzes "Justiz" sowie "Politik". Auch Kampfsportler Carsten Stahl war gekommen, der sich selbst Missbrauchsjäger nennt. Sein brachiales Auftreten bringt Kinderschutzorganisationen dazu, auf Distanz zu gehen.

Teichtmeister wurde wegen Besitzes und Herstellung von zehntausenden Dateien mit Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen zu zwei Jahren Haft verurteilt und in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen. Der 43-Jährige bekam sowohl die Haftstrafe als auch die Unterbringung im Maßnahmenvollzug unter Setzung einer fünfjährigen Probezeit bedingt nachgesehen.

Bekannte Gesichter

Video: Ein Protestzug mit Galgen umrundete während des Teichtmeister-Prozesses das Wiener Landesgericht.
DER STANDARD

Hinter den Protesten stehen hauptsächlich bekannte Personen, die in den vergangenen drei Jahren unter anderem gegen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, gegen Impfungen, gegen Sanktionen gegen Russland, gegen eine angebliche Asylflut, gegen eine angebliche Abschaffung von Bargeld, gegen die Wiederwahl von Alexander Van der Bellen oder gegen Kinderbuchlesungen von Dragqueens auf die Straße gingen.

Meist stehen die Ansammlungen hinter dem Label "Megademo", welches sich der Kärntner Martin Rutter ausgedacht hat. Er inszeniert sich als Anführer des "Corona-Widerstands", der Tausende auf die Straßen Wiens brachte. In den vergangenen Monaten waren es meist einige hundert Personen, unterstützt von Kleinstgruppen mit einem diffusen Weltbild.

Archivbild: Martin Rutter bei einer Corona-Demo in Wien
Archivbild: Martin Rutter bei einer Corona-Demo in Wien.
imago images/SEPA.Media

Seine politische Karriere startete Rutter bei den Grünen, danach war er beim Team Kärnten und dem BZÖ aktiv. Im Jahr 2019 war er BZÖ-Spitzenkandidat bei der Nationalratswahl, das Ergebnis war jedoch nicht der Rede wert. Vor seiner Kandidatur für das BZÖ saß Rutter zwischen 2013 und 2017 für das Team Kärnten im Landtag. Die vom Industriellen Frank Stronach ins Leben gerufene Partei trennte sich aber 2017 von ihm, nachdem er beim Ulrichsbergstreffen als Festredner aufgetreten war, einer jährlich stattfindenden Veranstaltung, bei der auch Ewiggestrige und Veteranen der Waffen-SS in Österreich zusammenkommen.

Bei den sogenannten "Megademos" marschierten gewaltbereite Rechtsextreme ebenso wie christliche Eiferer, Esoteriker und Esoterikerinnen. Als Rahmen für seine Aktivitäten hat Rutter einen Verein ins Leben gerufen ("Für direkte Demokratie"), dessen "Impfen tötet"-Aufkleber in ganz Österreich zeitweise zu sehen waren.

Am Dienstag war Rutter nicht in Wien dabei. Am vergangenen Samstag jedoch schon, als er und seine Gefolgschaft in Langenlois vor dem Haus der Mutter von Teichtmeister demonstrierten – ebenfalls mit Galgen. Zu sehen waren aber Aktivisten, die schon bei den ersten Corona-Demonstration im Jahr 2020 in der Bundeshauptstadt mitliefen.

Kampfsportler Stahl

Carsten Stahl steht hinter dem "Bündnis Kinderschutz". Wie DER STANDARD berichtete, war dieser Verein schon mehrfach aktiv, unter anderem rund um einen damals mutmaßlichen Missbrauch im Vorarlberger Skiort Lech, das betreffende Verfahren wurde eingestellt.

Das
Das "Bündnis Kinderschutz" mit Carsten Stahl vor dem Landesgericht.
Heribert Corn

Eigentlich ist das Bündnis Kinderschutz in Deutschland beheimatet, es gibt aber auch einen österreichischen Ableger. Stahl rief den deutschen Verein vor rund zehn Jahren ins Leben. Der Kampfsportler, ehemalige Personenschützer und heutige "Gewaltpräventionstrainer" ist der Öffentlichkeit auch über eine eigene Realityshow auf RTL 2 bekannt. Darin besuchte Stahl Jugendliche an Schulen und sprach mit ihnen über Mobbing, Gewalt und Kriminalität – der Berliner war in jungen Jahren selbst Anführer einer Gang.

Auch Mobbingopfer war Stahl in seiner Kindheit selbst, wie er in seinen öffentlichen Auftritten gerne erzählt – bis er durch den Sport lernte, sich zu verteidigen und "zurückzuschlagen". Heute wolle er Kindern und Jugendlichen helfen, denen es ähnlich ergeht. In seinen Auftritten vor Schulklassen gibt sich Stahl als etwas pathetischer Motivationsguru mit rauer Street-Credibility. (Markus Sulzbacher, red, 6.9.2023)