Eine Menschenmenge mit bunten Plakaten auf einer Klimademo
Die Unerhörten: Lange wurden junge Stimmen von der politischen Elite nicht wahrgenommen. Im Rahmen der FFF-Bewegung drängte die Jugend schließlich in die öffentliche Aufmerksamkeit. Heute ist FFF keine Jugendbewegung mehr.
IMAGO/Wolfgang Maria Weber

Fridays for Future (FFF) hat wieder einmal zum globalen Klimastreik aufgerufen – bereits zum 13. Mal protestieren an diesem Freitag Menschen auf der ganzen Welt für mehr Klimagerechtigkeit.

Angestoßen wurde die Bewegung, die vielerorts den Grundstein für eine breite Diskussion über verfehlte Klimapolitik gelegt hat, am 20. August 2018 in Stockholm. Da saß, an ihrem ersten Schultag, ein kleines 15-jähriges Mädchen vor dem schwedischen Parlament, die Haare zu Zöpfen geflochten. Greta Thunberg wurde zum Gesicht einer Bewegung, die binnen weniger Monate viele Menschen in vielen Ländern begeisterte. Seitdem hat sich vieles verändert. Thunberg ist erwachsen geworden, FFF auch.

1. In die Breite gealtert

Im Dezember 2018 erreichte die Bewegung Österreich. Der heimische FFF-Ableger wurde von drei Studentinnen gegründet. Mittlerweile gibt es mehrere Regionalgruppen, die nicht nur Streiks, sondern auch Workshops und Veranstaltungen organisieren. Teile der Bewegung sind gut in der Politik vernetzt, man versucht nicht nur auf der Straße, sondern auch über etabliertere Kanäle Druck zu machen.

Und längst marschieren nicht mehr nur junge Menschen bei den Klimaprotesten: Wissenschafter, Eltern, Unternehmerinnen, Philosophen – sie alle haben inzwischen eigene Gruppen unter der "Future"-Dachmarke gebildet. "Fridays for Future ist keine Jugendbewegung mehr", sagt Antje Daniel. Die Protestforscherin leitet ein Kollektiv von Wissenschaftern und Studierenden der Forschungswerkstatt Umweltproteste, das sich mit der FFF-Bewegung und Umweltaktivismus auseinandersetzt. "FFF ist zu einem Emblem geworden, mit dem sich ganz viele Menschen identifizieren und solidarisieren", fährt sie im Gespräch mit dem STANDARD fort. "Jung zu sein ist schon lange nicht mehr das zentrale Mobilisierungskriterium, es geht um das Streben nach Klimagerechtigkeit."

Daniel und ihr Team führen regelmäßig Befragungen unter Protestierenden durch. Die Teilnehmenden würden immer älter, sagt die Wissenschafterin, die sich auf soziodemografische Daten bezieht.

Ist FFF deshalb uncool geworden? Daniel verneint. Die Bewegung sei vor allem stärker zivilgesellschaftlich angekommen. Die Breitenwirkung und die Einbindung in ein globales Netzwerk machten FFF noch immer einflussreich.

2. Hoffnung schwindet, Ermüdung tritt ein

Wahr sei aber wohl, dass die Mobilisierung über die Zeit abgenommen hat. Viele Expertinnen und Experten verorten den Höhepunkt der FFF-Bewegung im Jahr 2019. Die Corona-Pandemie brachte die Proteste ins Wanken, und just als das Thema immer stärker nicht nur in den Köpfen der Menschen, sondern auch im politischen Diskurs angekommen schien, geriet es schon wieder ins Hintertreffen. Lockdowns und Kontaktbeschränkungen behinderten die Mobilisierungsbemühungen.

Zudem habe eine "Politik der kleinen Schritte" auch zu Frust und einer gewissen "Ermüdung" geführt, die Aktivistinnen und Aktivisten seien mittlerweile nicht mehr so stark von Hoffnung getrieben, beschreibt es Daniel.

Um die Ernsthaftigkeit der Situation auszudrücken, hat Fridays for Future auch an seinen Kommunikationstechniken gefeilt. "Unite behind the science" ist einer der Leitsprüche der Bewegung, den sich Greta Thunberg für ihre Überfahrt nach Nordamerika auf die Segel drucken ließ. Oft beriefen sich die Klimaaktivistinnen und -aktivisten auf Forschende, den Weltklimarat und seine Prognosen. Nur: So richtig greifbar sind weder das 1,5-Grad-Ziel noch das in Milliarden Tonnen ausgedrückte verbleibende CO2-Budget.

Vermehrt versucht FFF deshalb die Klimakrise anhand von "echten Menschen" zu erzählen. Bei einer Pressekonferenz am Dienstag kam etwa ein Feuerwehrmann zu Wort, der wegen der Überschwemmungen von zusätzlichen Belastungen für die Einsatzkräfte spricht. Eine Biobäuerin erzählt wiederum, dass sie aufgrund der Hitze keine Käferbohnen mehr anbauen kann und sich neue Schädlinge über die Ernte hermachen.

"Es hat oft die Erzählung gegeben: Die Katastrophen müssen nur vor der eigenen Haustüre passieren, dann werden die Menschen schon aktiv werden", sagt Klara König von Fridays for Future. Das hat sich wohl als falsch herausgestellt. Trotz der Unwetter in Südösterreich werde es immer noch nicht als selbstverständlich angesehen, was die Bewegung fordert. "Das ist schon frustrierend", sagt die Aktivistin.

3. Die Protestlandschaft hat sich gewandelt

Ende 2021 rückt eine weitere Umweltprotestbewegung in das Scheinwerferlicht des medial-öffentlichen Interesses: In Deutschland brechen Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation nach Wochen ohne Nahrung und zuletzt auch ohne Flüssigkeit ihren Hungerstreik ab. Wenig später kleben auch Anhängerinnen und Anhänger der Letzten Generation auf österreichischen Straßen. Im Gegensatz zu FFF setzt die Bewegung nicht auf verbindliche Sympathie und Mobilisierung einer breiten Masse, sondern auf Provokation und Aufmerksamkeit.

"Die Protestlandschaft in Österreich wird immer ausdifferenzierter", erklärt Daniel. Das heiße aber nicht, dass es sich um konkurrierende Strömungen handle, vielmehr seien die Gruppierungen "komplementär". Es gebe in der FFF-Anhängerinnenschaft durchaus viele, die Aktionen zivilen Ungehorsams befürworten, sich selbst aber nicht auf diese Weise engagieren würden.

Vereinzelt gehen die Aktionen der Fridays dennoch über die Straßendemonstrationen hinaus. Aus Protest gegen den dort geplanten Tunnel besetzte FFF ab Sommer 2021 die Lobau, Anfang dieses Jahres unterstützte man die Besetzung des deutschen Kohletagebaus Lützerath. Damit taste man sich höchstens "mit den Zehenspitzen in den zivilen Ungehorsam" vor, wie es Klara König von FFF ausdrückt. Vor einigen Jahren sei das noch unvorstellbar gewesen.

Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation blockieren den Verkehr.
Die Klimaprotestlandschaft in Österreich hat sich ausdifferenziert. Gruppierungen wie die Letzte Generation (hier im Bild während einer Blockade der Brenner-Autobahn in Tirol) und Extinction Rebellion sorgen mit Aktionen zivilen Ungehorsams für viel Aufmerksamkeit.
Florian Scheible

Von radikaleren Gruppen wie der Letzten Generation will man sich dennoch abgegrenzt sehen, vor allem medial. Auch wenn man grundsätzlich in gutem Austausch miteinander stehe, wie König betont. Unbestreitbar ist allerdings, dass die "Klimakleber" der Klimabewegung als Ganzes neue Aufmerksamkeit beschert haben. "Die waren innerhalb kürzester Zeit zweimal in der 'ZiB 2', das haben wir in all den Jahren nicht geschafft", sagt ein FFF-Aktivist anerkennend, vielleicht auch ein wenig neidisch. Ob die Aktionen der Letzten Generation der Sache dienlich sind, ist nicht nur in der Klimabewegung, sondern auch in der Protestforschung umstritten.

4. Galionsfiguren verblassen

Fünf Jahre nachdem die damals 15-jährige Thunberg ihren "skolstrejk för klimatet" startete, muss sich die Bewegung um die heutigen 15-Jährigen bemühen. Fünf Jahre sind eine verdammt lange Zeit für Menschen in diesem Alter. Thunberg ist heute 20 Jahre alt, die Initiatorinnen des österreichischen FFF-Ablegers sind mittlerweile berufstätig. FFF ist nicht mehr neu, FFF ist nicht mehr aufregend. Und FFF ist immer weniger an seine Galionsfiguren gekoppelt.

Greta Thunberg mit nach oben gestrecktem Daumen
Greta Thunberg war lange das Gesicht der Klimabewegung. Rund um Thunberg ist es mittlerweile aber stiller geworden.
AP/Pavel Golovkin

In Österreich gab es diese sowieso nie. Während etwa in Deutschland Luisa Neubauer in Talkshows und langen Zeitungsinterviews für die Bewegung spricht, hat sich in Österreich kein Gesicht der Fridays etabliert. Zumindest nicht dauerhaft, denn zeitweise standen durchaus Personen im Vordergrund. Katharina Rogenhofer etwa, eine der Mitgründerinnen der österreichischen FFF-Niederlassung, die sich später aber vor allem ihrem Klimavolksbegehren widmete.

Lena Schilling gilt wiederum als die Stimme der Lobau-Proteste. Dass die Bewegung damals vor allem von Studierenden getragen war, schlug sich auch in der Organisation nieder, erzählt Schilling dem STANDARD. Planungstreffen hätten sich oft bis in den späten Abend gezogen, "das geht für Schülerinnen und Schüler einfach nicht". Die damalige Schülerin gründete innerhalb von Fridays for Future deshalb den Jugendrat, der vor allem jüngere Menschen ansprechen sollte. Diese hätten auch über andere Themen wie Schulpolitik oder Sexismus reden wollen, sagt die Aktivistin. Später habe sich der Jugendrat samt Schilling deshalb – freundschaftlich, wie sie betont – von den Fridays entfernt.

5. Auswirkung auf Diskurs und Narrative

Nun, wie erfolgreich war FFF in den vergangenen Jahren? "Erfolg sozialer Bewegungen lässt sich nur schwer messen", stellt Daniel fest. Jedenfalls habe die Bewegung "Unmutszustände auf die Straße und das Thema Klima in die gesellschaftliche und mediale Debatte gebracht" sowie "alternative Partizipationsmöglichkeiten abseits institutionalisierter Kanäle" geschaffen. Schon alleine das mache sie auch heute noch "relevant und wichtig".

Als einer der größten Erfolge bisher gilt der Klimabewegung die Verhinderung des Lobautunnels. Dass es in Österreich erstmals eine grüne Regierungsbeteiligung gibt, ist zweifelsohne dem Momentum von 2019 zu verdanken, zu dem auch die Bewegung ihren Teil beigetragen hat. "Das kann man sicher als Teilerfolg von Fridays for Future verbuchen", sagt König, die hervorhebt, dass man unparteiisch sei und mit allen Parteien rede. Vollauf zufrieden ist man mit der Regierungsarbeit der wahrscheinlich ideologisch am nächsten stehenden Partei ohnehin nicht –denn die derzeitigen politischen Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus, um das Land auf Klimakurs zu bringen.

Einer der Hauptkritikpunkte von FFF: das Fehlen eines Klimaschutzgesetzes, das verbindliche Reduktionspfade festlegen würde. "Das ist katastrophal", sagt König. Aber immerhin habe man es geschafft, das Gesetz im gesellschaftlichen Diskurs als Messlatte des klimapolitischen Erfolgs zu etablieren. "Diese Zwischenerfolge geben uns den Mut weiterzumachen", sagt die Aktivistin. (Philip Pramer, Maria Retter, 15.9.2023)