Im Gastblog schreibt Harald Havas über neue Entwicklungen rund um das Ufo-Phänomen.

Nach der historischen Ufo-Anhörung vor dem amerikanischen Parlament am 26. Juli und der kurz aufgeflackerten internationalen großen Berichterstattung darüber, folgte im August erst einmal – nichts. Das war natürlich vor allem dem Umstand geschuldet, dass die beiden Häuser des amerikanischen Parlaments, die sich ja derzeit jeweils recht intensiv mit dem Thema UAP (Unidentified Anomalous Phenomena) beschäftigen, in die Sommerpause gegangen sind und die geäußerten Behauptungen nicht weiter verfolgt werden konnten.

Grusch bei der Anhörung
Seit der Anhörung von David Grusch ist es etwas ruhiger um UAPs geworden. Doch die Debatte ist keineswegs vorbei.
GETTY IMAGES NORTH AMERICA/DREW

Dennoch ist die Sache alles andere als durch. Und das international. Hier ein Überblick über die jüngsten Ereignisse.

UAP-Behörde der Uno in San Marino geplant

Seit einigen Jahren macht in informierten Kreisen das Projekt Titan (Project Titan, Progetto Titano) die Runde. Mehrere große italienische Ufo-Organisationen sowie die Regierung von San Marino planen eine internationale UAP-Konferenz unter der Schutzherrschaft der Uno und darauffolgend möglicherweise die Einrichtung einer permanenten Uno-Behörde in der ältesten (postantiken) Republik der Welt. Das Projekt Titan wird schon seit einigen Jahren betrieben, und inzwischen haben die san-marinesischen Behörden grünes Licht gegeben. Noch ist nichts fix beschlossen, aber es wird damit gerechnet, dass die Uno in diesem Herbst darüber befinden wird.

Ufo-Konferenz an der Sorbonne

Bereits fix ist die erste große europäische wissenschaftliche Ufo-Konferenz, die am 4. und 5. November in Paris an der Sorbonne stattfinden wird. Neben vielen europäischen, vor allem französischen Ufo-Forschenden, Militärpiloten, Zivilpiloten und Wissenschaftern aus verschiedenen Bereichen werden auch einige der großen Namen der amerikanischen Ufo-Enthüllungsbewegung wie Christopher Mellon persönlich anwesend sein, Professor Avi Loeb, gleich mehr zu ihm, wird per Video teilnehmen, und natürlich gibt sich auch die graue Eminenz der internationalen Ufo-Forschung, Jacques Vallée, bei diesem größten bisher geplanten Event dieser Art in seinem Heimatland Frankreich die Ehre. Ein Land, in dem die Beschäftigung mit dem Thema schon seit längerer Zeit von Militär und Raumfahrtbehörden ernsthaft betrieben wird. Geplant sind Vorträge und Diskussionen, wobei einer der Schwerpunkte darauf liegt, Stigmas und Tabus zu überwinden und die unbekannten Phänomene endgültig zu einem legitimen Objekt der Forschung zu machen.

Die große Ufo-Müdigkeit

Nach der eingangs erwähnten Ufo-Anhörung vor dem amerikanischen Parlament blieben mehr Fragen offen, als beantwortet wurden. Die Aussagen der Ufo-Zeugen Ryan Graves und David Fravor waren schon davor bekannt, sind unwiderlegt und jetzt Bestandteil der offiziellen Dokumentation des Kongresses. Okay. So weit, so gut.

Die weitergehenden Behauptungen von David Grusch, die USA würden über geborgene Ufos verfügen und seit Jahrzehnten versuchen, diese technologisch auszubeuten, blieben vorerst ohne weiteren Beleg. Es ist zwar bekannt und aktenkundig, dass Grusch all sein Wissen an die zuständigen internen Behörden weitergegeben hat und es weitere Aussagen vor deren Ausschüssen von anderem hochrangigen Personal gibt, die seine Behauptungen untermauern, aber nachdem das alles einer hohen Geheimhaltungsstufe unterliegt, blieb der fahle Nachgeschmack, dass die Öffentlichkeit nach wie vor nichts Greifbares in der Hand hat. Nachdem der Versuch, die Glaubwürdigkeit von Grusch aufgrund von lange zurückliegenden psychischen Episoden zu diskreditieren, fulminant scheiterte, blieb vor allem eines: das große Schweigen der Behörden. Eine gewisse Ufo-Fatigue, also Ufo-Müdigkeit, machte sich breit. Es gab einfach nichts Neues zu berichten.

Dabei war gerade das auffallend. Also vor allem dass es trotz dieser extraordinären Behauptungen vor dem Kongress keine, jedenfalls keine neuen öffentlichen Statements zu all dem gab. Ohne verschwörerisch klingen zu wollen, hätte das Pentagon und andere Einrichtungen der US-Regierung nichts zu verbergen, und sie könnten jederzeit vor die Öffentlichkeit treten und in klaren Worten verkünden, dass es hier nichts zu sehen gibt. Das ist aber bisher nicht geschehen. Ganz im Gegenteil: Sensationell formulierte Gesetzesentwürfe und gelegentliche Antworten des Weißen Hauses bei Pressekonferenzen verweisen darauf, dass sich hinter den Kulissen einiges abspielt. Man munkelt von Fraktionskämpfen zwischen solchen Personen, die eine Enthüllung befürworten, und solchen, die eine solche ablehnen. Was da aber genau enthüllt werden soll oder nicht, ist nach wie vor unklar.

Wer sich übrigens selbst ein genaueres Bild von David Grusch machen möchte, hat seit wenigen Tagen die Chance dazu. Bisher war bis auf sein originales NewsNation-Interview, die Aussagen vor dem Kongress und einem kurzen BBC-Radioauftritt nichts von ihm medial zu hören und zu sehen. Und gerade bei den beiden großen Events kam Grusch, bedingt durch Nervosität und seinen leichten Autismus, oft etwas seltsam rüber. In einem neuen Video mit befreundeten Youtubern zeigt er sich nun von einer privateren und lockereren Seite. Der Film von Jesse Michels bietet darüber hinaus Einblicke hinter die Kulissen des Hearings sowie einen großen und detaillierten geschichtlichen Einblick in das komplizierte Verhältnis der amerikanischen Regierung zu allem, was mit UAPs zusammenhängt, inklusive einer großer Anzahl an historischen Dokumenten und Interviews. Im zweiten Teil verliert sich Michaels zwar ein bisschen in (teilweise eher obskure) Spekulationen, aber insgesamt bietet das flott geschnittene Video viel Informationen und, wie gesagt, einen bisher nie gesehenen Blick auf die private Seite des Star-Zeugen Grusch.

Pentagon-Website und der Ufo-Hotspot Japan

Eine konkrete und folgenreiche Entwicklung gab es jedoch sehr wohl noch am letzten Tag des Augusts. Hier die Vorgeschichte: Nachdem der Leiter der aktuell in den USA mit der Erforschung des UAP-Phänomens beauftragten Behörde AARO, Sean Kirkpatrick, in einem später als privat bezeichneten Brief auf seiner LinkedIn-Seite sauer auf die in der Ufo-Anhörung und den darin geäußerten indirekten Anschuldigungen – David Grusch meinte, dass sich niemand bei AARO für seine Informationen interessiert hätte – reagierte, kam es zu einer lebhaften Diskussion rund um diese Behörde. Bemängelt und ironisiert wurde von Beobachtern und Beobachterinnen vor allem, dass diese Organisation, obwohl bereits im Juli 2022 gegründet, noch immer keine Website hätte, nur einen Twitter-Account ohne Tweets und nicht einmal eine E-Mail-Adresse oder Telefonnummer, an die sich Informanten wenden könnten – obwohl genau das eine der Funktion der Behörde und sie gesetzlich dazu verpflichtet sei.

Scheinbar wurde man sich im Pentagon der zunehmend schiefen Optik bewusst und zog Konsequenzen:

Und trotz einiger Skepsis im Vorfeld (und erstaunlicher Unübersichtlichkeit) hat die AARO-Website einiges zu bieten – und durchaus einiges Erstaunliches! Bereits jetzt finden sich darauf bekannte und teilweise unbekannte Videos sowie Berichte über Ufo-Sichtungen und Ufo-Vorfälle des amerikanischen Militärs. Dazu analytische Daten und Fakten über die Häufigkeit der Sichtungen, die Art der gesichteten Objekte und die Orte, an denen sie gesichtet wurden.

Die Konzentration der Sichtungen ist natürlich davon beeinflusst, wo das amerikanische Militär aktuell tatsächlich stationiert ist. Dennoch zeigen sich einige Hotspots, die so der breiteren Öffentlichkeit bisher nicht bekannt waren. Nach den vorliegenden Daten dürfte nämlich die größte Häufigkeit von Sichtungen unbekannter Flugobjekte und Phänomene in Japan stattfinden. Und hier vor allem rund um Orte, die in irgendeiner Weise mit nuklearen Aktivitäten zu tun haben. Von den Abwurforten der ersten Atombomben bis hin zum durch den Tsunami beschädigten Reaktor von Fukushima. Dort geht man inzwischen sogar so weit, dass man sich als das "Roswell von Japan" bezeichnet. Die Häufigkeit von Sichtungen von unbekannten Flugobjekten rund um Atomanlagen ist übrigens nichts Neues.

Landkarte mit Sichtungen
Häufigkeit der Sichtungen, dargestellt auf einer Weltkarte.
Department of Defense/Office of Prepublication and Security Review

Verblüffendes Mission Statement

Gut versteckt, aber durchaus spektakulär auch der Bereich der Website, in dem es um die Mission von AARO geht. Dort finden sich unter anderem folgende Passagen (meine Hervorhebungen):

UAP-OBJECT RECOVERY
[AARO] Leitet die Planung und Durchführung von UAP-Bergungen in enger Zusammenarbeit mit der AARO S&T-Gruppe.
[AARO] Berät Bergungs-Kommandos bei der sicheren Handhabung, Lagerung, dem Transport und der Übertragung von UAP-Objekten und Materialien zur AARO S&T-Ausbeutung.
[* S&T = science & technology, also wissenschaftliche und technologische Ausbeutung}
UAP-EXPLOITATION
[AARO] Leitet die Nutzung geborgener rätselhafter Technologien und nutzt branchenübergreifende Partnerschaften sowie die neuesten Entwicklungen in der theoretischen und angewandten Physik sowie im Ingenieurwesen.
[AARO] Leitet die strukturierte Aufzeichnung, Synthese und Weitergabe von Signatur- und Materialanalysen für die Datenkonsistenz über Betriebs-, Analyse- und Forschungspartnerschaften hinweg.

Ein deutlicher Kontrast im Wording zu den bisher von Pentagon und AARO gemachten Aussagen, dass nichts über derartige Objekte bekannt sei.

Perlen des Archivs

Obwohl noch nicht beschlossen, scheint die Gesetzgebung von Chuck Schumer, die größte Offensive zur Deklassifizierung geheimer Ufo-Informationen jemals, siehe auch diesen Blog, ihre Schatten bereits vorauszuwerfen. Das Nationalarchiv der USA (National Archives) hat damit begonnen, die eigenen Bestände von nicht klassifizierten Ufo-Fällen zu sichten und zu digitalisieren. Nach und nach werden diese Daten auf der eigenen und und vermutlich auch über die AARO-Website der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Es gibt dort schon einiges zu sehen. Der Prozess soll 2024 abgeschlossen sein. Die einfache Möglichkeit, auf diese an sich bekannten Daten zurückzugreifen, eröffnet natürlich vollkommen neue Perspektiven, unter anderem die maschinelle Auswertung durch statistische Computerprogramme oder KI.

Obwohl der Großteil des Materials noch nicht zur Verfügung steht, lassen sich jedoch bereits jetzt anhand von auf der Website zu findenden Dokumenten interessante Schlüsse ziehen. So ist zwar durch Aussagen von Dr. Kirk Patrick vor dem Senat und bei der Nasa-Task Force bekannt, dass ein Großteil der aktuellen Sichtungen aus metallischen Sphären mit einem Durchmesser von einem bis zu vier Metern bestehen, die sich ohne sichtbaren Antrieb mit großer Geschwindigkeit fortbewegen oder auch bei hohen Windgeschwindigkeiten stationär in der Atmosphäre stehen – also die Art von Ufos, die auch von Leutnant Ryan Graves berichtet wurden.

Eine populäre Erklärung für diese Sichtungen besteht darin, sie als unbekannte Technik anderer Länder oder von US-Geheimprojekten anzusehen. Und natürlich hat die technische Entwicklung der Drohnen in den letzten Jahrzehnten erstaunliche Fortschritte gebracht. Eine Geheimentwicklung mit diesen Fähigkeiten scheint nicht ausgeschlossen. Wenn man nun aber das Archiv der bekannten UFO-Sichtungen durchgeht, stößt man darauf, dass identische Sichtungen von glaubwürdigen Augenzeugen (Militärpiloten) bereits gehäuft in den 1940er-Jahren und auch in den folgenden Jahren und Jahrzehnten immer wieder gemacht wurden. Fortgeschrittene Drohnen 2023, denkbar. Fortgeschrittene Drohnen 1949, eher unwahrscheinlich. Es bleibt also spannend.

Update Avi Loeb

Über die Suche des Harvard Professors Avi Loeb am Grunde des Meeres nach Beweisen eines interstellaren, also nicht aus unserem Sonnensystem stammenden Meteors wurde im Vergleich zu anderen Bereichen in diesem Themenfeld in den Medien viel berichtet. Und das, obwohl Professor Loeb in jedem Interview betont, dass er auch einen extrasolaren technologischen Ursprung nicht ausschließt, also etwa von außerirdischen Intelligenzen hergestellte Sonden. Trotz massiven Gegenwinds aus Teilen der Wissenschafts-Community machte sich der Professor vor ein paar Monaten mit privater Finanzierung auf die Suche nach den Trümmern eines Meteor, der aufgrund seiner Eigenschaften in den Katalogen als ungewöhnlich anzusehen war. Der Kurs und die Geschwindigkeit wiesen darauf hin, dass es sich um einen extrasolares Objekt handeln müsse. Auch die Tatsache, dass IM1 (interstellar Meteor 1), wie das Objekt auch genannt wird, beim Eintritt in die Atmosphäre trotz der hohen Geschwindigkeit nicht vollständig verglühte und somit über eine bisher noch nie beobachtete Materialstärke verfügen musste, trieb ihn und sein Team zu dieser Unternehmung an.

Tatsächlich gelang es ihnen, 700 winziger Schmelzkügelchen aus dem Ozean zu fischen, die mittlerweile von mehreren führenden Labors analysiert wurden. Das Ergebnis spricht eindeutig für eine extrasolare Herkunft des Materials, da eine derartige Mischung mit einem besonders hohen Anteil an Beryllium, Lathanum und Uran sowie deren Isotopenzusammensetzung zu keinem Material im Sonnensystem passen und auch nicht hier entstanden sein können. Ob es sich bei diesen Resten um einen natürlichen interstellaren Meteor (die natürliche Entstehung dieser Zusammensetzung ist nicht unmöglich, aber sehr unwahrscheinlich) oder möglicherweise wirklich um technisches Material handelt, plant Loeb in weiteren Forschungen herauszufinden. Unter anderem soll es eine weitere Mission im Südpazifik geben, die nach größeren Trümmern von IM1 suchen soll.

Eine gute Zusammenfassung der gesamten Angelegenheit findet sich in diesem zweiteiligen Podcast. Professor Loeb ist übrigens an den Anhörungen vor dem US-Kongress höchst interessiert und hat mehrfach angeboten, der US-Regierung bei der Erforschung von exotischen Materialien zu helfen, sollte es sie tatsächlich geben.

Weitere Entwicklungen

Nach wie vor unter dem Radar der meisten großen internationalen Medien tut sich also zwar inkrementell, aber doch einiges an der, wenn man so will, Ufo-Enthüllungsfront. Gerade die jüngsten Tätigkeiten des Pentagon scheinen auf den Versuch einer langsamen und kontrollierten Offenlegung von Fakten zu verweisen. Ein radikales Dementi sieht jedenfalls anders aus.

In diesen Tagen kommen die beiden Häuser des US-Parlaments aus der Sommerpause. Auch hier steht einiges in Sachen UAP auf der Agenda. Die bereits vorliegenden Gesetzesentwürfe müssen diskutiert und beschlossen werden, weitere Untersuchungsausschüsse sowohl des Repräsentantenhauses als auch des Senats sind angeblich in Arbeit. Wer dort aussagen wird und ob diese Aussagen öffentlich sein werden, ist noch nicht bekannt. Darüber hinaus fehlt auch noch immer der zuerst für Juni dann "spätestens für August" angekündigte Zwischenbericht der Nasa-Taskforce. Erklärungen für die Verzögerung gibt es bislang keine.
Wie schon erwähnt: Es bleibt spannend.

PS: An sich wird in dieser Blogserie nicht über einzelne Ufo-Sichtungen oder Ufo-Vorfälle berichtet. Aber hier zum guten Schluss noch eine Ausnahme, vor allem da dieser ein von Kritikern so oft eingefordertes hochauflösendes Foto eines UAPs beinhaltet. Es handelt sich um den Schnappschuss einer polnischen Touristin am Strand während ihres Sommerurlaubs in der Türkei beim Ausprobieren einer neuen Funktion ihres iPhones. Hier der Link. Spannende Geschichte, aber natürlich kein nachhaltiger Beweis für irgendetwas. (Harald Havas, 13.9.2023)