Im Gastblog klärt Rechtsanwältin Theresa Kamp über fünf häufige Missverständnis rund um das Thema Scheidung auf.

Gerade bei rechtlichen Gebieten, in denen es menschelt, kursiert viel Halbwissen. Auch nicht hilfreich dürfte es sein, dass viele Menschen verständlicherweise dazu neigen, in einem ersten Schritt das Internet zu bemühen, wenn sie vor einem Problem stehen. Nachdem aber das Familienrecht in Österreich sehr speziell ist, findet man dann teilweise Informationen, die zwar sprachlich, aber leider nicht inhaltlich passen.

Scheidung Papier
Rund um das Thema Scheidung ranken sich einige falsche Annahmen, die gravierende Konsequenzen haben können.
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In der anwaltlichen Praxis begegnen einem die häufigsten Irrtümer immer wieder. Besonders im Lichte des in Österreich geltenden Verschuldensprinzips bei Scheidungen macht es Sinn, sich zu informieren. Hier fünf häufige Missverständnisse:

Untreue ist kein Scheidungsgrund mehr

Ein besonders verbreitetes Missverständnis ist, dass Seitensprünge kein rechtliches Problem mehr darstellen können. Freimütig wird dem Noch-Partner oder der Noch-Partnerin die neue Liebe gestanden. Das ist nicht empfehlenswert – aus rechtlicher Sicht. Es stimmt zwar, dass sexuelle Untreue seit einigen Jahren keinen absoluten Scheidungsgrund mehr darstellt, aber eine schwere Eheverfehlung ist Ehebruch immer noch. Bei dem in Österreich nach wie vor aufrechten Verschuldensprinzip kommt es im Fall einer strittigen Scheidung sehr wohl darauf an, wer "schuld" ist am Scheitern der Ehe.

Macht man sich auf die Suche nach dem oder der Schuldigen, ist so eine Affäre meist wenig vorteilhaft, weil Treue eben ein Wesenselement der Ehe ist. Entscheidet ein Gericht, dass eine Person das alleinige oder überwiegende Verschulden am Eheaus trifft, kann das unter Umständen (besonders bei großen Einkommensunterschieden) dazu führen, dass auch nach der Ehe Unterhalt bezahlt werden muss. Es ist also nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich ratsam, bis zur Scheidung abzuwarten, bis man eine neue Liebschaft eingeht. Teilweise werden in Scheidungsverfahren sogar Detektive bemüht, um etwaige Indiskretionen des Partners oder der Partnerin vor Gericht nachweisen zu können.

Trennungsjahr oder getrennte Wohnsitze als Voraussetzung für die Scheidung?

Immer wieder erlebt man, dass Menschen vermeinen, sie müssten für einen bestimmten Zeitraum getrennt wohnen, um eine (einvernehmliche) Scheidung durchführen zu können. Das ist nicht das Fall. Richtig ist, dass eine Voraussetzung für eine einvernehmliche Scheidung ist, dass die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens sechs Monaten aufgelöst ist. Das hat aber nichts mit getrennten Wohnsitzen, sondern mehr mit dem inneren Ehewillen zu tun. Dieser Irrtum hält sich hartnäckig, ist aber besonders unangenehm, weil in Österreich nach wie vor gilt, dass ein voreiliger Auszug aus der Ehewohnung eine schwere Eheverfehlung (böswilliges Verlassen) darstellen kann.

Auch wenn verständlich ist, dass man in einer Streitsituation keine Lust mehr hat, mit dem Noch-Partner oder der Noch-Partnerin gemeinsam das Wohnzimmer zu dekorieren, verbessert sich die eigene (rechtliche) Situation durch einen Auszug selten. Theoretisch ist es zwar so, dass eine Person ausziehen kann, wenn ihr die Aufrechterhaltung der Lebensgemeinschaft nicht mehr zumutbar ist. Die Person hat das allerdings dann auch zu behaupten und zu beweisen. Gerade in einem Scheidungsverfahren wird dann oft behauptet, die Ehe sei zwar vorher bereits am Kränkeln gewesen, doch erst der Auszug aus der Ehewohnung habe der Ehe schließlich den Todesstoß versetzt. Auch wenn man später Ansprüche auf die Ehewohnung geltend machen möchte, ist ein verfrühter Auszug nicht hilfreich, da dieser vielleicht suggeriert, dass man nicht dringend auf die Unterkunft angewiesen ist.

Als Frau erhält man immer Unterhalt

Auch interessant ist der Glaube, als Mann sei man immer durch die Scheidung "finanziell ruiniert" und müsse der Frau Unterhalt zahlen. Es ist keineswegs so, dass man als Frau automatisch Unterhalt vom geschiedenen Mann bekommt. Wichtigste Frage ist zunächst, ob einer der beiden Eheleute allein beziehungsweise überwiegend schuld ist an der Scheidung. Ist das der Fall und verdient die schuldige Person wesentlich mehr, so wird diese der anderen Person gegenüber grundsätzlich unterhaltspflichtig. Hat die unterhaltsberechtigte Person kein eigenes Einkommen, muss der Unterhaltszahler oder die Unterhaltszahlerin unter Umständen 33 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens abgeben. Wenn beide erwerbstätig sind, werden 40 Prozent vom Gesamteinkommen beider, abzüglich des eigenen Einkommens des Unterhaltsempfängers, zur Berechnung herangezogen.

Richtig ist, dass Männer oft mehr verdienen und daher auch häufiger Gefahr laufen, tatsächlich Unterhalt zahlen zu müssen, wenn sie das Scheidungsverfahren verlieren. Anders als beim Kindesunterhalt gibt es beim nachehelichen Unterhalt für den Ex-Gatten oder die Ex-Gattin auch keine Luxusgrenze. Das bedeutet, wer viel verdient, zahlt auch viel. Es gibt allerdings auch noch andere Konstellationen, nach denen nachehelicher Unterhalt gezahlt werden muss. Dieser Unterhalt ist nicht so attraktiv, weil einerseits betragsmäßig geringer und meist zeitlich befristet. Das Gesetz sieht beispielsweise verschuldensunabhängigen Unterhalt nach der Scheidung im "Kindererziehungsfall" oder auch im "Aufopferungsfall" vor.

Die Frau bekommt immer die Kinder 

Seit 2013 ist die gemeinsame Obsorge der Regelfall, und die Gerichte streben tunlich danach, auch nach der Scheidung die Obsorge beider Eltern aufrechtzuerhalten. Die gemeinsame Obsorge kann auch nicht, was häufig angenommen wird, von der Mutter einfach so einseitig ohne Angabe von Gründen widerrufen werden. Besteht beispielsweise die gemeinsame Obsorge und möchte ein Elternteil die alleinige Obsorge, muss ein Gericht diese Entscheidung treffen. Damit eine Person die alleinige Obsorge bekommt, müssen in der Praxis gravierende Schwierigkeiten wie zum Beispiel gar keine Kommunikations- und Kooperationsbasis oder kindeswohlgefährdendes Verhalten vorliegen. Wer wie oft die Kinder sieht, hängt außerdem nicht an der Obsorge, sondern am Kontaktrecht – und auch da geht der Trend eindeutig in Richtung ernsthafte Beteiligung der Väter. "Besuchsväter", die einmal pro Woche am Samstag eine Stunde mit den Kindern Eis essen gehen dürfen, sind nicht mehr die Regel.

Hilfe, ich stehe nicht im Grundbuch!

Wurde nichts anderes vereinbart, gilt grundsätzlich während der Ehe Gütertrennung. Das heißt vereinfacht, jedem gehört seins. Verdient die Ehefrau überdurchschnittlich gut und kann sie sich davon etwas wegsparen, ist das während der Ehe ihr Eigentum. Diese Situation der Gütertrennung ändert sich aber bei einer Scheidung. Da kommt es nämlich dann zur Güterteilhabe. Das bedeutet, dass eheliches Vermögen (Ersparnisse und eheliches Gebrauchsvermögen) plötzlich geteilt wird. Die Idee ist, dass die ehelichen Errungenschaften, also das, "was man sich gemeinsam aufgebaut hat", aufgeteilt werden sollen.

Die konkreten Eigentumsverhältnisse sind bei der Aufteilung nicht relevant. Sprich, es ist in einem gerichtlichen Aufteilungsverfahren nicht entscheidend, wer im Grundbuch steht. Wurde beispielsweise während der Ehe ein Eigenheim geschaffen oder gebaut, und das mit Geld, das während der Ehe (egal von wem) verdient wurde, ist das Haus bei einer Scheidung aufzuteilen – egal ob ein Ehegatte oder beide Ehegatten im Grundbuch stehen. Genauso ist es auch, wenn eine Person außer Haus erwerbstätig war und eine Person (mehr) Haushalt und Kinder betreut hat, bei der Aufteilung einerlei, ob die Ersparnisse lediglich aus dem Einkommen des einen gespeist wurden. In der Ehe hat das Geld kein Mascherl. (Theresa Kamp, 12.9.2023)