Ein Lippenstift, der auf einer Tischplatte gedrückt wird. 
Es würde Zeit sparen, auf jedliche Beauty-Routine zu verzichten. Doch so einfach ist das dann doch nicht.
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Man könnte meinen, das hätten wir hinter uns. In den 1990er- oder 2000er-Jahren war noch Verwunderung zu vernehmen, wenn eine feministische Frau etwa knallroten Lippenstift trug. Häh? Was soll denn das für ein Feminismus sein, wenn man sich da morgens hinstellt, sich schminkt, wenn sich doch gerade Feministinnen dem Schönheitsdruck nicht beugen sollten.

Doch etwas Ähnliches ist derzeit auch noch über Sophie Passmann zu lesen, die einen sehr klugen Text über den schmalen Grat beim Schönheitsdruck geschrieben hat, der auf ihrem neuen Buch "Pick me Girl" basiert. Darin ist zu lesen, dass sie sich selbst auch schon mal Filler für die Lippen verpassen ließ. Zwei Wochen gefiel es ihr, dann war sie über jeden Tag froh, an dem der Effekt nachließ. Meine Güte, dann hat man das halt auch mal gemacht – wieder was gelernt.

Sophie Passmann befasst sich in ihrem neuen Buch
Sophie Passmann befasst sich in ihrem Buch "Pick me Girls" mit dem Heranwachsen im Patriarchat.
Christian Werner

Doch Halt! Das geht schon hart in Richtung Schönheits-OP – und das steht einer feministischen Autorin wie Passmann nun wirklich nicht gut. Das findet jedenfalls ein Autor des "Philosophie-Magazins" und geht mit der deutschen Moderatorin, Schauspielerin und Autorin hart ins Gericht: Gerade von einer bekannten Feministin sei das verantwortungslos, gerade eine solche Frau müsste Vorbild sein. Dass Passmann seiner Lesart nach so tut, als hätten Frauen keine Wahl, als sich dem Schönheitsdruck zu beugen – das wäre gar eine "gefährliche, antifeministische Agenda".

Was für ein Unsinn. Erstmal ist es dreist, dass ein Mann hier die moralische Grenze ziehen will, wie eine Feministin zu agieren hätte – obwohl in Passmanns Text viel Erhellendes darüber steht, warum Frauen im Wartezimmer von Beauty-Docs sitzen. Doch der Kontext und kluge Analysen werden tunlichst ignoriert.

Ist das optimal? Nein

Der Artikel in der "Zeit" wird verkürzt mit "keine Wahl" in Hinblick auf Schönheitseingriffe angeteasert. Was Passmann aber meint: "Frauen haben nicht die Wahl, ob sie auf ihr Äußeres reduziert werden, sie haben lediglich die Möglichkeit, einen Umgang damit zu finden, der für sie möglichst ressourcenschonend ist."

"Ressourcenschonend", das ist ein ehrlicher, pragmatischer Zugang, um mit der Reduktion auf das Äußere umzugehen. Dazu gehören übrigens auch die nett gemeinten Kommentare, auch sie verleihen dem Aussehen von Frauen und Mädchen viel zu große Bedeutung. Und da ist freilich noch der Hass gegen Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen. Ein Hass, der sich ständig entlang ihres Aussehens Bahn bricht. Ressourcenschonend ist es da tatsächlich manchmal, einer Ästhetik zu folgen, die uns seit Ewigkeiten eingeimpft wird – einfach um sich ein bisschen Ruhe zu gönnen und Anerkennung zu kassieren. Auch wenn man vor allem Letzteres für grundfalsch hält. Ist das optimal? Nein, aber genau über diese Dinge nicht zu reden ist der völlig falsche Weg.

Antifeministisches Teufelszeug?

Sicher könnten wir alle so tun, als wäre es ganz einfach, einen auf "Body Positivity" zu machen, dass wir Frauen uns plötzlich alle selbst lieben, genauso wie wir aussehen. Das funktioniert aber nicht so einfach, und das ist nicht die Schuld der Einzelnen. Und es ist zu einfach gedacht, dass die eine – unsichtbarere – Schönheitsarbeit noch okay ist, während eine andere antifeministisches Teufelszeug ist. Passmann bringt das so auf den Punkt:

"Spritzen und Nervengift wirken angemessen brutal, um eine mahnende Debatte darüber anzustoßen, wie weit Frauen mittlerweile gehen, ohne dass dabei die Frage gestellt wird, ob Spritzen und Nervengift überhaupt die letzte Perversion von Schönheitswahn sind, ob nicht die Kleinigkeiten, die nahezu jede Frau tut, um durch den Alltag zu kommen, in Wahrheit viel perfider sind, weil sie erfolgreich den Anschein erwecken, Teil von asexueller Selfcare zu sein."

Tatsächlich würden sich viele wohler fühlen, wenn auf wundersame Weise attraktive Frauen weiterhin sagen wurden, ihr Geheimnis wäre einfach "viel Wasser zu trinken". Es ist aber halt auch ziemlich verlogen.

Wir müssen feministische Themen durchdenken, ohne dabei in politische Eitelkeiten zu verfallen und fleißig den Feministinnen-Status polieren zu wollen. Sonst tappen wir in die Falle, nach der "perfekten Frau" jetzt die "perfekte Feministin" sein zu müssen. Es geht nicht um politische Arbeit in jeder einzelnen Lebensentscheidung von feministischen Frauen. Es geht um solidarische Debatten und darum, dass eine nicht ganz allein versagt, wenn sie sich noch immer an ihrem Körper abarbeitet. Es geht fast allen Frauen so – und eine reflektierte feministische Offenheit ist es, die wiederum politisch ist und die wir brauchen. (Beate Hausbichler, 7.9.2023)